Für Fans des politisierten PostPunk startet das Jahr mit gleich zwei unverzichtbaren Veröffentlichungen: Mit nur eine Woche Zeitverzögerung begeben sich die Briten von Shame und die Stockholmer Viagra Boys ins Rennen um die Gunst einer beißende Gesellschaftskritik goutierenden Fangemeinde. Beide Bands erzählen von Identitätssuche in einer feindlichen Welt, beiden Schweden gerät dies zu einer sezierenden Schau des Innenleben von Sänger Sebastian Murphy, der auf WELFARE JAZZ das Ende einer langjährigen Beziehung verarbeitet. Und zwar mit Ironie, Sarkasmus, Selbsthass und einer tiefverwurzelten und unzähmbaren Wut auf unsere von Rassismus, toxischem Männlichkeitswahn und Frauenfeindlichkeit zerfressene Klassengesellschaft. Trotzig zelebriert er Underdog-Gestus und LowlifeMentalität, wird jedoch selbst immer wieder von einer perversen Sehnsucht nach bürgerlichen Idealen heimgesucht. Seine Jungs an den Instrumenten versorgen ihn mit einer räudig zugänglichen Mischung aus Post Punk, Krautrock und Freejazz Saxophon mit vereinzelten Referenzen zu den Stooges und Nick Cave, die Murphy die ideale Plattform bietet, seine Predigt des Scheiterns unters Volk zu bringen. Und siehe da: WELFARE JAZZ offenbart sich am Ende dann doch als Quelle, aus der man Kraft schöpfen kann.
9 von 10 Punkten
Viagra Boys/WELLFARE JAZZ/YEAROOO/ROUGH TRADE