Götter des Gemetzels, zwischen Himmel und Hölle
In groben Zügen standen die acht Songs laut Warren Ellis, Mitglied der Bad Seeds, „in zweieinhalb Tagen“, die Wochen danach wurden genutzt, um daraus ein Album zu machen – man hatte in Zeiten des öffentlichen Stillstands ohnehin nichts Besseres vor. CARNAGE sei, laut Cave, also „einfach vom Himmel gefallen“. Das klingt zwar nach relativem Schnellschuss und spontaner Leichtigkeit, versprüht in der Praxis aber eine gravitätische Tiefe und Intensität, die von Ellis’ zurückhaltender Instrumentierung zusätzlich profitiert. Die impressionistischen Klänge sorgen vor allem für das passende Ambiente, die tragenden Säulen sind jedoch Caves Texte, um die herum viel Raum entsteht, der mal hymnenhaft (›Albuquerque‹), mal repetitiv (›Lavender Fields‹), mal deutlich rhythmischer und mit psychedelischer Färbung (›Old Time‹) gefüllt wird. „Carnage“ bedeutet „Gemetzel“, und wenn sich Cave in ›White Elephant‹ manischen Gewaltphantasien hingibt, hat das zunächst wenig Erbauliches – bis der Song schließlich zum harmonischen Gospel-Singalong mutiert: eine Reise zwischen Himmel und Hölle, die exakt sechs Minuten und acht Sekunden dauert. Easy Listening geht natürlich anders, doch Cave & Ellis halten die Spannung trotz all der Reduktion – zumindest die meiste Zeit – erfreulich hoch.
7 von 10 Punkten
Nick Cave & Warren Ellis, CARNAGE, GOLIATH RECORDS/ROUGH TRADE