Wer vermutet, dass der Mann, dessen imposanter Hemdkragen bei Gegenwind gewiss für aerodyna-mischen Auftrieb gesorgt hätte, nicht wirklich Orion hieß, liegt goldrichtig: Hinter der glitzernden Commedia-dell-arte-Maske verbarg sich der US-Sänger Jimmy Ellis, dessen an Elvis Presley erinnerndes Timbre den Besitzer der Sun-Studios, Shelby Singleton, zu einem besonderen Coup inspirierte.
Anfang der 70er ließ er ihn anonym einige Rockabilly-Standards interpretieren, die nahelegten, dass es sich dabei um frühe, verschollene Elvis-Aufnahmen handeln könnte. Der Trick funktionierte, selbst Presleys Plattenfirma RCA fiel darauf herein, prozessierte – und verlor logischerweise. Was Singletons nächsten Streich provozierte: Alte, nicht verwendete Backing-Tracks aus dem Sun-Studio wurden mit Ellis’ Stimme aufgepeppt, was erneut für Geraune sorgte. Schließlich erfuhr Singleton vom damals noch nicht offiziell veröffentlichten Roman „Orion: The Living Superstar Of Song“, in dem die Autor in Gail Brewer-Giorgio über einen fiktiven Sänger schrieb, der seinen eigenen Tod inszeniert, um ein neues Leben beginnen zu können.
Man ahnt, was folgte. Nachdem Presley 1977 von uns gegangen war, wurde aus Ellis Orion, der Mann mit der Maske. Gutgläubige Elvis-Fans, die partout nicht wahrhaben wollten, dass der King final ausgecheckt hatte, erlebten mit dem sinnig betitelten REBORN schon ein Jahr später ihr blaues Wunder: Elvis lebt! Die Frisur? Check! Die exzentrischen Las-Vegas-Klamotten? Check! Die Stimme? Passt schon. Die Maske? Nun ja, Elvis will ja neu anfangen, unerkannt bleiben, zurück zu den Wurzeln. Also: logisch! Die Wiedergeburt endete jedoch 1981, als Ellis statt Elvis einfach nur wieder Ellis sein wollte und die Maske während einer Show abnahm. Singleton war sauer, Ellis’ Gesangskarriere vorbei. Tragisch: 1998 wurde er das Opfer eines Raubüberfalls – aber vielleicht singt er ja gerade mit Elvis ein Duett. Irgendwo da oben.