Mit seinem 21. Studioalbum DETROIT STORIES kehrte Alice
zur Bestform seiner Glanzzeiten zurück und lieferte einen eiskalten Klassiker ab. Jetzt freut er sich darauf, die verlorene Zeit wiedergutzumachen und seine neue Show um die Welt zu führen.
Alice Cooper, topfit und zuletzt wieder auf US-Tournee, steht in Tupelo, Mississippi, Minuten vor einer
allabendlichen Enthauptung. Die 73-jährige Schockrock-Legende hat den Großteil des zweiten Pandemiejahres damit verbracht, DETROIT STORIES zu promoten, seine außerordentliche Rückkehr zu alter Form, während er sich mit vollem Einsatz wieder fit machte für neue Liveaktivitäten, die er schmerzlich vermisst hatte.
Wäre DETROIT STORIES ohne den Lockdown vielleicht eine andere Platte geworden?
Nein, ich glaube nicht. Wir versuchten, alle Aspekte der Musik aus Detroit auf das Album zu bringen, ohne den Hardrock zu verlieren. Selbst bei Stücken wie ›$1000 High Heeled Shoes‹, das ich als Motown-Song geschrieben habe, sorgte ich dafür, dass die Gitarren und der Beat nicht fehlten. Ich habe alles innerhalb des Alice-Cooper-Spektrums gehalten, obwohl wir das Ganze sicher in verschiedene Richtungen gewürzt haben.
Wie war es, nach mehr als 18 Monaten Zwangspause endlich wieder auf einer Bühne zu stehen?
Wir waren so aufgeregt, wieder zusammenzukommen, es wieder zu hören, wieder da rauszugehen und all das. Es ist eine komplizierte Show, aber wir waren überraschend schnell wieder drin. Es ist außerdem eine lange Show.
Ist es nach ein- einhalb Jahren des Rumhängens zu Hause und der Hausmannskost körperlich anstrengend?
Yeah. (lacht) Als ich die Tour beendete, wog ich 77 kg, was normal ist, aber ich wollte noch sieben Kilo
abnehmen. Dann bin ich im Dezember an COVID erkrankt, hatte es einen Monat lang und habe diese
sieben Kilo quasi auf dem Weg verloren. Es ist aber der unangenehmste Weg, abzunehmen, das würde ich nicht empfehlen. Nach einer Woche war ich einfach nur noch ein Wrack. Jetzt bin ich dreifach geimpft und wir werden jeden Abend vor der Show getestet.
Ist es in dieser neuen Welt der Infektionskrankheiten schwierig, auf Tour Abstand zu halten? Als das wichtigste Zahnrad in der Maschinerie musst du schließlich unbedingt gesund bleiben.
Und ich bin nicht der Typ, der m Hotelzimmer rumsitzt. Ich spiele jeden Morgen mit unserem Gitarristen [Ryan] Roxie und und Chuck [Garric, Bassist] Golf. Wir wissen, dass wir getestet wurden, und es sind nur wir drei, dann gehen wir bis zur Show zurück ins Hotel, das ist dann das Highlight des Tages.
Auf der Bühne verkörperst du Alice, eine Figur, die weit entfernt ist von deinem verhältnismäßig friedfertigen Wesen. Das muss eine kathartische Erfahrung sein. Trübt es deine Stimmung, wenn du nicht dieses Überdruckventil hast? Infizieren Fragmente von Alice dann deine reale Persönlichkeit?
Nein, ich kann Alice nach Belieben ein- und ausschalten. Früher war ich sehr anders, als ich soff und
Drogen nahm, da wusste ich nicht, wo ich anfing und Alice endete. Also lebte ich eine ganze Weile in diesem Chaos. Als ich dann nüchtern wurde, konnte ich die beiden voneinander trennen. Ich konnte mich gerade über einen Film unterhalten, und wenn dann der Vorhang hochging, wurde ich zu Alice in der Zeit, die ich brauchte, um mich von links nach rechts zu drehen. Es ist eine andere Körperhaltung, ein
anderes Hirn, ein anderes Aussehen, alles. Wenn der Vorhang dann wieder fällt und das Publikum nicht mehr da ist, unterhalte ich mich dann direkt wieder als ich selbst über den Film weiter. Ich kann diese Figur wirklich ein- und ausschalten, aber das musste ich erst lernen.
Die neue Show beginnt mit ›Feed My Frankenstein‹ und endet mit ›Teenage Frankenstein‹. Fühlst du eine Affinität für den Doktor?
Wir haben uns immer damit identifiziert, das Monster zu sein. Wir gehörten nie zum Mainstream, also stellte ich sicher, dass wir Frankenstein zu unserem Maskottchen machten.
Doktor Frankenstein konnte seine Kreatur immer in einem Becken voll geschmolzenem Schwefel oder einer brennenden Mühle entsorgen, aber du musst dich deiner jeden Tag im Rasierspiegel stellen.
(lacht) Die Monsterfigur in ›Feed My Frankenstein‹ ist aus allen möglichen Stücken zusammengenäht und führt uns ein darin, was die Show sein wird. Sie wird Stücke von diversen Alben umfassen, die genau wie das Monster zusammengenäht werden. Und am Ende kommt dann die drei Meter große Kreatur zu ›Teenage Frankenstein‹ hervor und bildet einen schönen Abschluss.
Als Teenager warst du im Laufteam deiner High School. Hat dich das geformt und läufst du immer noch, um fit zu bleiben?
Das ist eine sehr passende Frage, denn in den vier Monaten vor jeder Tour laufe ich jeden Abend
drei bis fünf Kilometer und mache wieder dieselben Workouts im Gelände und auf der Bahn wie damals. Wenn ich dann also auf die Bühne gehe, bin ich ziemlich gut in Form. Ich werde bald 74 und habe das große Glück, keine ernsthaften gesundheitlichen Probleme zu haben. Ich fühle mich während der Shows großartig.
Was steht 2022 für Alice Cooper an?
Na ja, du kennst uns doch, wir sind „road rats“, und jetzt, wo die Dinge wieder anlaufen … Wir mussten 180 Konzerte in 17 Ländern absagen, also gibt es viel aufzuholen.
Du bist wie Bob Dylan auf einer nie endenden Tour.
Ich habe neulich diesen Artikel über Dylan gelesen, und auf die Frage, wann er sich zur Ruhe setzen würde, antwortete er: „Abgesehen vom Geld schreibe ich Songs und singe Songs für das Publikum. Das ist es, was ich tue, und alles andere ist zweitrangig.“ Und ich sehe das genauso. Ich habe neulich etwas mit Smokey Robinson gemacht, und wir sagten, wenn die Promoter nur wüssten, dass wir sowas auch
umsonst tun würden. (lacht) Es macht einen so riesigen Unterschied, ob man touren muss oder touren will. Ich muss überhaupt nicht touren, ich liebe es einfach nur.