Zu Beginn der Pandemie ist die US-Songwriterin Mutter geworden. Jetzt berichtet sie von ihrem neuen Selbst – und einer Krankheit, über die viel zu selten gesprochen wird. Das neue Album von Lera Lynn SOMETHING MORE THAN LOVE, wurde gleich von zwei prägenden Ereignissen beeinflusst. Zum einen ist da, natürlich, die Pandemie, mit der alle zu tun haben. Zum anderen ist die Songwriterin aus Nashville vor zwei Jahren Mutter eines Sohns geworden. Logisch, dass sich das eigene Leben da neu ausrichtet. Doch dazu gleich mehr. Zuerst kurz die Fakten. Lynn, im Dezember 1984 in Houston geboren, hat 2011 mit HAVE YOU MET LERA LYNN? ihr erstes, von RootsRock und Country dominiertes Album veröffentlicht, mittlerweile sind es sechs. Am bekanntesten dürfte sie vielen aber für ihre Mitarbeit an der zweiten Staffel der USSerie „True Detective“ sein: Zum Soundtrack steuerte sie mehrere düster dahinschleichende Americana Popsongs bei, dazu spielte sie eine Rolle als Bar-Sängerin. Für die neuen Lieder war sie zusammen mit ihrem Kreativ und Lebenspartner Todd Lombardo und wechselnden Gastmusikern im Studio. In mehreren Songs geht es darum, jemandem zu dienen, ja, sich diesem jemand komplett zu verschreiben. „There is freedom in my servitude“, heißt es im mit Streichern verzierten Folk-Pop des Titelstücks, „I pledge allegiance to you, may I never be cut free“ im mitreißenden Indie-Garage Rock meets Country-Song ›I’m Your Kamikaze‹. Was bedeutet dieser unterwürfige Gestus? „Jemand anderem zu dienen, ist einer der schwierigsten Aspekte, wenn man gerade Mutter geworden ist“, erzählt Lynn. Bei ihr jedenfalls sei das so gewesen. Man lerne, dass man nicht mehr das Zentrum der eigenen Welt ist. „Ich war 36, als der Kleine zur Welt kam, und an ein Leben als Globetrotter gewohnt, da war das schon ein bisschen ein Schlag in den Nacken.“ Schnell habe sie aber gemerkt: „Diese Dienerschaft zu umarmen, ist der einzige Weg zur Freiheit.“
Durch Songs wie das reduzierte Folk Stück ›What Is This Body?‹ oder das traumartig dahinfließende ›Black River‹ zieht sich eine tiefe Verunsicherung. Darauf angesprochen, erwähnt Lynn eine Erkrankung, die ihrer Meinung nach viel zu wenig beachtet wird: postpartale Depression. Eine Form der Depression, die Frauen – aber auch Männer – in den Wochen oder Monaten nach der Geburt treffen kann. „Ich hatte Angst ,jemandem davon zu erzählen, wie ich mich fühlte, weil ich dachte, dann würden mich alle für eine schlechte Mutter halten“, sagt Lynn, und fasst damit das Stigma zusammen, das der postpartalen Depression noch immer anhaftet. Als sie ganz unten war, habe sie im Internet zum Glück Berichte von Frauen gefunden, denen es ähnlich ging wie ihr. Die letzten beiden Jahre seien keine leichten gewesen, sagt Lynn, aber doch glückliche. „Trauer und Freude, Isolation und Gemeinschaft mit meiner Familie, Entfremdung von meinem alten und Akzeptanz meines neuen Selbst“ seien zusammengekommen. Und klar erschöpft sich ihr neues Album nicht in ihrer privaten Geschichte. Es ist eine Platte über tiefgehende Veränderung, Verunsicherung und das Sehnen nach Verbundenheit mit anderen.