Spiritueller Jazz-Folk mit geringem Nostalgiefaktor
Es ist bei all den Bootlegs und Live-Compilations von dubioser Herkunft ja schwer, den Überblick zu behalten, aber offenbar ist dieser Mitschnitt aus dem Capitol Theatre in New York von 2018 tatsächlich das erste offizielle Solo-Livealbum von David Crosby. Dafür ist der mittlerweile 81-Jährige allerdings ziemlich knauserig mit seinen Klassikern. Kein ›Wooden Ships‹, wie vom Publikum zwischendurch mal gefordert, kein ›Almost Cut My Hair‹, stattdessen kommen die ersten beiden Konzert-Drittel fast komplett von den damals jüngsten Platten LIGHTHOUSE, SKY TRAILS und HERE IF YOU LISTEN – aufgenommen mit den ungleich jüngeren Musikern Becca Stevens, Michelle Willis und Michael League vom Instrumental-Kollektiv Snarky Puppy, die als Lighthouse Band auch hier dabei sind. Nun sind die neuen Stücke durchgehend schön anzuhören – wohltemperierter, spirituell angehauchter Jazz-Folk –, ihnen fehlt aber die Dringlichkeit, das Überwältigungs-potenzial der Crosby&Nash-Kollaboration ›Carry Me‹ oder erst recht der CSNY-Kultsongs ›Déjà Vu‹ und ›Woodstock‹ am Ende des Sets. Sieht man’s andersrum, kann man Crosby freilich auch zugutehalten, dass er keine reine Nostalgie-Best-of-Show abzieht.
7 von 10 Punkten
David Crosby & The Lighthouse Band
LIVE AT THE CAPITOL THEATRE
BMG RIGHTS/WARNER
Lieber David Numberger, dass der alte Zausel Crosby auf dieser grandiosen Live-CD «knauserig mit seinen Klassikern» umgeht, ist doch der Witz dieser Scheibe! Der Mitschnitt aus dem Capitol Theatre ist Gott sei Dank kein ranziger Nostalgie-Trip, sondern eine phänomenale Reise durch eher unbekannte Songs von David Crosby – und die sind es allemal wert, entdeckt zu werden. Und dann ist da noch ein Posten, den Sie in Ihrer Besprechung völlig ignoriert haben: Crosbys Vokalarrangements gehören wohl zum Feinsten, was derzeit in Folk und Pop zu hören ist. Dazu die sparsam gesetzten Einsätze der Band — ein Hammer!