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Rückblende: Steely Dan mit ›Reelin’ In The Years‹

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Rückblende: Steely Dan mit ›Reelin’ In The Years‹

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Auf dieser Nummer vom Debütalbum CAN‘T BUY A THRILL von 1972 befindet sich das Lieblingsgitarrensolo von Jimmy Page. Gastgitarrist Elliott Randall bekam es in nur zwei Takes perfekt hin – weil der Tontechniker den ersten verpennt hatte.

Blickt man auf den riesigen Erfolg und Einfluss von Steely Dan zurück, kann man sich nur schwer eine Zeit vorstellen, in der diese so souveräne und höchst originelle Jazzrockgruppe nicht im Zenit ihres Schaffens war. Doch als das Kernduo aus Donald Fagen und Walter Becker noch am Anfang stand, dauerte es doch ziemlich lang, bis ihr Talent und ihre Vision anerkannt wurden – und man sich an sie gewöhnt hatte. Keyboarder Fagen entdeckte Becker 1967 im Café der liberalen Kunstschule Bard College in New York, während er an seiner Gitarre übte. Fagen wollte eine Band gründen, konnte aber keinen Gitarristen finden, der sowohl Jazz als auch Blues so spielen konnte, wie er sich das vorstellte, und nicht „wie Dick Dale“, was damals ihm zufolge im Trend lag. Becker spielte einen wilden blues-basierten Stil und Fagen hatte „noch nie etwas Ähnliches gehört“. Bald begann das Duo, gemeinsam Songs zu schreiben und in diversen musikalischen Konfigurationen zu spielen. Sie fanden unter anderem eher unpassende Arbeit als Teil der Tourgruppe der Doo-wop-Crooner Jay & The Americans, deren Frontmann Jay Black die beiden als „joghurthäutige“ Beatniks in Erinnerung behielt, die nur abends zu existieren schienen. Er nannte sie „die Manson und Starkweather des Rock’n’Roll“.

Fagen machte 1969 seinen Abschluss und brachte die gemeinsam geschriebenen Stücke in das berühmte Brill Building in Manhattan, dem Nabel der Welt für Pop-Songwriter und -Verleger jeder Couleur, von Burt Bacharach zu Lou Reed, von Carole King bis Ellie Greenwich. Doch Becker und Fagen hatten dort kaum rfolg. Das musikalische Klima war einfach noch nicht bereit für ihre Hipster-Hybriden. Doch eine Verbindung von Jay & The Americans machte sich bezahlt. Deren Mitglied Kenny Vance war mittlerweile bei Brill untergekommen und gab bei ihnen den Soundtrack zum 1971er Screwball-Hippiestreifen „You’ve Got To Walk It Like You Talk It Or You’ll Lose That Beat“ mit Robert Downey Sr. Und Richard Pryor in Auftrag. Ihr Stil erweckte dann die Aufmerksamkeit des jungen Produzenten Gary Katz, der seine Karriere mit dem Pop/Rock- Entertainer Bobby Darin begonnen hatte und gerade bei ABC/Dunhill Records eingestellt worden war, wo er Acts wie The Mamas And The Papas, Three Dog Night, die James Gang und Steppenwolf betreute. „Ich habe nicht viel mit den Songs zu tun“, sagte Katz im Jahr 2000 auf recordproduction.com, „aber ich erkenne Talent.“ Katz zog später als A&R Jim Croce und Chaka Khan an Land, und bei Warner Brothers sorgte er dafür, Prince unter Vertrag zu nehmen.

Katz kam zu dem Schluss, dass das Material von Becker und Fagen so schräg war, dass nur sie selbst mit ihrer eigenen Band damit umzugehen wüssten. Die beiden waren sehr reservierte, introvertierte Kreativköpfe und Katz erkannte, dass ihre Arbeit am besten in einem kleinen Kreis kultiviert werden könnte. „Sie waren nicht sehr an Öffentlichkeit interessiert … sie hatten ihre eigene Beziehung“, so Katz. „Sie hatten sich völlig aneinander gebunden. Der Begriff ‚Seelenbrüder‘ trifft hier wirklich zu. Im Studio gab es nur sehr wenig Streit, denn egal was passierte, am Ende blieb Donald die Mutterfigur.“

Mittlerweile von New York nach Los Angeles umgezogen, schrieben sie tagsüber für diverse Acts des Labels. Abends hatten sie dann eine Gruppe, zu der Jazzgitarrist Denny Dias, der bei ABC gesignte Schlagzeuger Jim Hodder, Sessiongitarrist Jeff „Skunk“ Baxter und Sänger David Palmer gehörten. Letzteren hatte man ins Boot geholt, weil Fagen sich nicht traute, live zu singen. In Anlehnung an ihre Beatnik-Wurzeln nannten sie sich Steely Dan, wie der dampfbetriebene Strap-on-Dildo aus William S. Burroughs’ hirnverbiegendem Roman „Naked Lunch“ von 1959, und im August 1972 brachte Katz sie in die Village Recorder Studios in L. A., um ihr Debüt CAN’T BUY A THRILL aufzunehmen. Die Platte begann mit dem entspannten Latin-Groove von ›Do It Again‹: Berstend vor müheloser musikalischer Begabung, mit treffendem Kommentar im Text und makelloser Produktion, verband es Softrock, Jazz, Blues und Soul auf eine Weise, wie sie nur in den 70ern praktiziert wurde – und definitiv nach der Façon von Steely Dan.

Das Highlight auf dem Album ist jedoch ›Reelin’ In The Years‹. Fagen trat ans Mikro und lieferte eine schillernde – und möglicherweise autobiografische – Nacherzählung einer Trennung ab („The trip we made to Hollywood is etched upon my mind/After all the things we’ve done and seen you find another man“), zu der die Band im Shuffle-Tempo mitgalloppierte. Der Haupt-Gitarrenpart verlangte dann nach etwas Besonderem, und erstmals engagierten Dan hier ein handverlesenes Ass zur Unterstützung – eine Strategie, die sie fortan immer wieder einsetzen sollten. In diesem Fall riefen sie einen weiteren Bekannten von Jay & The Americans an, Elliott Randall. Der war gerade frisch aus dem Orchestergraben am Broadway gekommen, wo er für die Musicalversion von „Jesus Christ Superstar“ gespielt hatte, und verdingte sich nun als freiberuflicher Sessionmusiker.

„Es war meine erste Session mit ihnen“, sagte Randall in Produce Like A Pro. „Ich fand, sie klangen sehr einzigartig, und sie müssen wohl auch in mir etwas gesehen haben.“ In der Guitar World erzählte er dann: „Sie kämpften damit, die richtige Art von Vibe für das Solo in ›Reelin’‹ zu finden, also baten sie mich, es zu versuchen.“ Randall las den Text und bekam ein Gefühl dafür, worum es in dem Song ging. Da er im Studio keinen Gitarrenverstärker finden konnte, stöpselte er seine 1965er Strat einfach in einen Bassverstärker und spielte drauflos. Danach rief Katz dem Aufnahmeingenieur zu: „Hast du das auf Band bekommen?“ Doch er hatte es verpasst, da er es für einen Übungslauf gehalten hatte. Randall erinnerte sich, dass seine Fantasie beim zweiten Take dann richtig beflügelt war: „Irgendetwas hatte mich wirklich in Fahrt gebracht.“ Er bohrte den Refrain für das Intro auf, und mit einer Prise Salsa legte er dann von Anfang bis Ende eine unglaublich freudvolle, ausdrucksstarke musikalische Konversation hin.

„Das war’s! Niemand meinte: ‚Können wir das noch mal versuchen?‘ Ich war hocherfreut, und sie waren glücklich.“ Der Track hat auch Millionen andere Menschen glücklich gemacht, inklusive Jimmy Page, der sich durchaus ein bisschen mit Gitarrenlicks auskennt. 1999 sagte er, das Solo auf ›Reelin’ In The Years‹ sei sein absoluter Favorit, und 2016 gab er ihm im Gespräch mit dem YouTuber Oliver Patrick Loughnan die Note 12/10. „Das schmeichelt mir sehr“, gestand Randall 2021. „Tatsächlich ging es sehr leicht … der Song spielte sich praktisch von selbst.“ (Text: Jo Kendall)

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