Die Rückkehr von His Bobness in den Tourneebetrieb auf 27 (!) Silberlingen
Heutzutage gilt US-Poet und Singer/Songwriter Bob Dylan nicht nur als einer der Jahrhundertkünstler schlechthin, sondern hält auch den Rekord, sich seit Juni 1988 auf Never Ending Tour zu befinden. Gut zwei Dekaden zuvor ging ein Aufschrei durch die Dylan-Gemeinde, als er 1966 nach einem angeblichen Motorradunfall das Touren immerhin acht lange Jahre einstellte. Unterbrochen nur durch einmalige Gastspiele auf der Isle of White 1969 und beim Concert for Bangladesh 1971. Einer Sensation kam gleich, als Dylan Ende 1973 bekanntgab, dass er vom 3. Januar bis 14. Februar 1974 40 Konzerte bei 30 Terminen in 21 Städten inklusive Nachmittags- und Abendshows am gleichen Ort in den USA und Kanada absolvieren wollte, und zwar mit jener Formation, die ihn zuletzt bei der World Tour 1966 begleitet hatte: The Band mit Robbie Robertson (Sologitarre, Vocals), Rick Danko (Bass, Vocals), Levon Helm (Drums, Vocals), Garth Hudson (Piano, Keyboards, Synthesizer, Clavinet) und Richard Manuel (Akustik- und E-Piano, Keyboards, Drums, Vocals). Gelungen war dieser geniale Schachzug Überredungskünstler David Geffen, damals Chef beim Label Asylum – wohin es Dylan mit der LP PLANET WAVES (1974) kurzzeitig verschlagen hatte, bevor es ihn nach dem Tour-Souvenir, der Doppel-LP BEFORE THE FLOOD (1974), wieder zu seiner alten Company Columbia zog. 2024 jährt sich die seinerzeit als Bob Dylan and The Band Tour annoncierte Gastspielreise zum 50. Mal.
Wie schon mehr als ein Dutzend Mal zuvor, als einzelne Boxsets bestimmte Alben, Konzertreisen und Karriereabschnitte ehrten, greift THE 1974 LIVE RECORDINGS wahrlich in die Vollen. Finden sich in dem Paket doch sage und schreibe 27 Silberlinge. Insgesamt 431 Live-Tracks, davon 417 bis dato unveröffentlicht, darunter 133 frisch gemixte Aufnahmen von 16-Spur-Bändern sowie jede einzelne auftreibbare Soundboard-Aufnahme. Also nicht ganz komplett, aber eben so weit wie machbar. Ein stimmlich exzellent aufgestellter Dylan und The Band lieferten ungeheuer spielfreudig einen ebenso kompakten wie dynamisch rockigen und für Arenen neu arrangierten Querschnitt aus Dylans bis dato erschienen Studioplatten. Es blieb aber auch Raum für diverse Solospots von The Band und deren Repertoire. Doch anders als bei BEFORE THE FLOOD sucht man Lieder von The Band auf THE 1974 LIVE RECORDINGS vergeblich. Anfänglich konservierte Dylan die Konzerte per Stereo-Soundboard-Mischung auf 1⁄4-Inch-Band und Kassette. Zum Tournee-Ende gab der geschäftstüchtige Geffen Aufnahmen auf Mehrspurband in Auftrag, damals der Standard. Die umfangreichen Linernotes im detaillierten Booklet schrieb die Journalistin und Kritikerin Elizabeth Nelson.
10 von 10 Punkten
Bob Dylan And The Band
THE 1974 LIVE RECORDINGS (DELUXE LIMITED EDITION)
COLUMBIA/LEGACY RECORDINGS/SONY