Los Angeles hat wenig mit einem tatsächlichen Ort zu tun – das wissen wir nicht erst seit David Lynch. Unwirklich und monströs erscheint die Stadt im nächtlichen Neonlicht, als geschlossene geographische Einheit kann man sie kaum fassen, wenn sich Freeways und Ausfallstraßen in ihrem Gigantismus durch das urbane Krebsgeschwür fressen. Die Stadt ist weniger ein herkömmlicher Ort als ein vages Lebensgefühl, gleichzeitig die Blaupause für die städtebauliche Fixierung Amerikas auf das Fortbewegungsmittel Auto.
All diese Aspekte verwebt Regisseur Nicolas Winding Refn („Walhalla Ri- sing“) in seinem existenzialistischen Krimi-Drama miteinander: Ryan Gosling ist die namenlose Hauptfigur Driver, der sich tagsüber als Stuntfahrer beim Film verdingt und in der Nacht als Fluchtwagenfahrer für Verbrecher jobbt. Sein einziger engerer Freund ist Mechaniker Shannon (Bryan Cranston), der in Drivers außergewöhnlichem Fahrtalent die Chance auf Ruhm und Reichtum im Rennzirkus sieht. Als Driver jedoch Gefühle für seine Nachbarin Ire- ne (Carrey Mulligan) entwickelt und gleichzeitig immer tiefer in einen gefährlichen Überfall verstrickt wird, eskaliert die Situation – und seine professionelle Rennkarriere rückt in weite Ferne.
Mit seinem nostalgischen Achtziger- Synthiepop-Soundtrack sorgte „Drive“ bereits Ende letzten Jahres für Furore; der Film selbst ging dabei beinahe ein wenig unter. Zur DVD-Veröffentlichung wird sich dies allerdings mit Sicherheit ändern, vereint „Drive“ doch genügend Tugenden, um sich einen Platz als Instant-Kulthit zu erkämpfen: Gosling als knallharter, einsamer Wolf mit Welpenblick, Explosionen von Gewalt unter der gleichgültigen kalifornischen Sonne, lautlos durch die Nacht gleitende chromblitzende Autos, getränkt in jene melancholische Eighties-Coolness, bei der man erwartet, dass jede Sekunde Candy Dulfers Saxofon zu jaulen beginnt. Besser hat bisher noch kein Film das Lebensgefühl Los Angeles eingefangen.