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Orchid – Gewachsenes Selbstvertrauen

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Orchid – Gewachsenes Selbstvertrauen

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Mit ihrem 2011er-Debüt CAPRICORN, drei EPs und mitreißenden Konzerten erspielten sich Orchid den Ruf als eine der hoffnungsvollsten Bands des Doom Rock-Stalls. Aus den Fohlen erwachsen nun Zugpferde, wischt THE MOUTHS OF MADNESS doch mit einem Gros junger Bart- und Schlaghosen-Träger den Fußboden. Gitarrist Mark Thomas Baker und der singende Tätowierer Theo Mindell sprechen mit CLASSIC ROCK über Weiterentwicklung, weltweiten Zuspruch, die Freiheit des Denkens, Reisen in andere Sphären und ewig währende Jugendliebe.

Orchid sind berühmt für ihre schweißtreibenden Auftritte. Mit THE MOUTHS OF MADNESS konserviert ihr diese unbändige Bühnenenergie allerdings erstmals hundertprozentig auf einem Tonträger.

Mark Thomas Baker: Unser Klang basiert ganz einfach auf der richtigen Kombination von vier Menschen mit starken Überzeugungen. Ich spiele seit den späten 80er Jahren in Bands und habe mich nie anders auf der Bühne verhalten als jetzt. Genauso geht es den anderen Jungs: Sie geben alles und versuchen, gute Unterhalter zu sein. Wir lieben unsere Musik. Ich denke, das merken unsere Zuschauer. Außerdem gehen wir unglaublich hart mit uns und der Beurteilung unserer Bühnendarbietung ins Gericht. Ich kann mich beispielsweise an kein Konzert erinnern, das alle vier Orchid-Mitglieder einstimmig als „perfekt“ abgehakt hätten. Wir haben uns seit CAPRICORN-Zeiten enorm weiterentwickelt. Das neue Material reflektiert dies und unseren Bühnenklang besser als all unsere Veröffentlichungen zuvor. Um ganz ehrlich zu sein: CAPRICORN fing unseren Live Sound meiner Meinung nach kein Stück ein. THE MOUTHS OF MADNESS kommt diesem Vorhaben weitaus näher.

Ein Grund dürfte auch darin zu finden sein, dass die meisten THE MOUTHS OF MADNESS-Aufnahmen Anfang Juni vergangenen Jahres entstanden: Zu diesem Zeitpunkt wart ihr gerade von einer Europa-Tournee nach San Francisco zurückgekehrt.

Mark Thomas Baker: Absolut. Wir haben bis heute leider immer noch keine US-Tournee gespielt. Doch die wenigen Touren durch Europa erwiesen sich als großartige Erfahrungen. Andere Länder zu bereisen und hautnah zu erleben, dass die Menschen dort unsere Songs kennen und zu unseren Konzerten kommen, fühlt sich für mich immer noch ein wenig neu an – natürlich auf ausschließlich positive Weise. Langsam gewöhnen wir uns an das Gefühl, nach und nach bekannter zu werden. Etwas zu tun, das Menschen gefällt, gibt uns Selbstvertrauen. Dieses aus Europa 2012 mitgenommene Gefühl schlug sich zweifellos auf die THE MOUTHS OF MADNESS-Arbeiten aus. In dieser Phase steckten wir voller Selbstbewusstsein und machten unsere bis dato besten Aufnahmeerfahrungen: Alle kamen hervorragend miteinander aus und erledigten ebenso hervorragende Jobs.

Diese Aussage schließt sicherlich auch euren Stammproduzenten Will Storkson ein?

Mark Thomas Baker: Auf jeden Fall. Will ist ein sehr unterstützender und ruhiger Typ, lässt sich gleichzeitig jedoch nichts vormachen und teilt seine Meinung unverzerrt mit. Unzählige Male hatte ich geglaubt, meine Spuren optimal eingespielt zu haben – doch dann schaute ich zu Will, der nur seinen Kopf schüttelte und meinte, das sei es noch nicht gewesen. Unser Sänger Theo ist ein Verrückter im Studio: Er kann sich völlig auf Kleinigkeiten versteifen, die allen anderen zunächst als unwichtig erscheinen. Will bildet ein hervorragendes Gleichgewicht dazu. Er kümmert sich um uns und stellt sicher, dass wir das Beste aus uns herausholen. Das neue Album spielten wir unter Verwendung eines völlig anderen Gitarrenklangs als CAPRICORN ein. Ich denke, aus diesem Grund klingt THE MOUTHS OF MADNESS weitaus härter. Wir nahmen uns eine Menge Zeit, um die bestmöglichen Resultate zu erzielen. THE MOUTHS OF MADNESS thront meilenweit über seinen Vorgängern.

THE MOUTHS OF MADNESS klingt nicht nur härter, sondern auch bluesiger, fuzziger und vor allem direkter…

Mark Thomas Baker: Diese vier Worte beschreiben THE MOUTHS OF MADNESS sehr treffend. Schon während wir im Proberaum an den Songs werkelten, wusste ich, dass es ein direkteres Album werden würde. Ich denke, dies ist einfach das Ergebnis unseres gewachsenen Selbstvertrauens. Für mich klingt die Platte tausendfach emotionaler als ihre Vorläufer. Sie verfügt über viel Tiefe und eine Menge Schichten. Ich hoffe, die Hörer werden sich tief in das Album fallen lassen, anstatt es nur nebenbei zu konsumieren. Die Stücke können auf einige wirklich interessante Reisen entführen, wenn sie sich nur darauf einlassen. Es klingt nach einem Klische, aber: Wir wollten einfach unsere bisher beste Veröffentlichung erschaffen. Eine Menge Leute hatten CAPRICORN anscheinend für kaum übertreffbar gehalten. Doch ich denke, es ist uns gelungen, etwas völlig anderes zu kreieren und gleichzeitig die Geschichte der Band stimmig weiterzuerzählen.

Du sprichst es an: Ihr hattet die Messlatte mit CAPRICORN und den EPs THROUGH THE DEVIL’S DOORWAY (2009), HERETIC (2012) sowie WIZARD OF WAR (2013) enorm hoch angelegt. Mit jeder weiteren Lobpreisung stiegen aber auch die Erwartungshaltungen an THE MOUTHS OF MADNESS kontinuierlich an. Wie gingt ihr mit diesem Druck um?

Mark Thomas Baker: Auf eine Art erzeugte dieses Wissen schon eine gewisse Anspannung. Doch ich denke, uns allen war bewusst, dass wir wirklich gute Songs geschrieben hatten, die es lediglich standesgemäß auf Band einzufangen galt. Auf persönlicher Ebene erhöhten die jüngsten Graveyard- und Witchcraft-Alben den internen Druck ein wenig, denn ich finde sie einfach bärenstark. Wir wollten Nuclear Blast, unsere gemeinsame Plattenfirma, nicht enttäuschen. THE MOUTHS OF MADNESS sollte in der gleichen Liga wie diese Bands spielen.

Apropos: Wenngleich ihr euch inhaltlich auf eine Mischung aus authentischen und fiktiven Geschichten konzentriert, werdet ihr immer wieder mit Formationen wie Witchcraft in den Occult Rock-Topf geworfen. Wie erklärst du dir dieses Missverständnis?

Mark Thomas Baker: Das wüsste ich auch gerne. Unsere Texte haben größtenteils nichts mit Okkultismus zu tun. Natürlich verarbeiten wir einige Horrorfilm-Inhalte, doch andere Bands gehen weitaus okkultur und extremer ans Werk. Mir gefällt, dass Theo einfach authentisch über das Leben und ihm wichtige Dinge schreibt: Manche Lieder beschäftigen sich mit der Liebe, manche mit dem Älterwerden, manche mit Verlusten geliebter Menschen. Auf der anderen Seite erfindet er Geschichten, die auch schon mal in abgedrehtesten Fantasy- und Science-Fiction-Gefilden enden können. Eines der magischen Dinge an Orchid ist die Fähigkeit, sehr klischeebeladene Themen wieder frisch klingen zu lassen. Ich weiß nicht, warum, aber für mich fühlt es sich so an.

Wir alle glauben an die Freiheit des Denkens und daran, das Leben nach eigenen Regeln zu führen. Ich könnte niemals in einer Gruppe mit konservativ eingestellten oder religiösen Musikern spielen. Orchids Mitglieder hegen aufgeschlossene, vorurteilsfreie Denkweisen und streben danach, ihr Leben ohne Beengungen und Unterdrückungen auszukosten. Was auch immer Menschen zwischen den Zeilen heraushören oder nicht heraushören möchten – sie sind herzlich zu freien Interpretationen eingeladen. Schließlich handelt es sich bei Musik um eine Kunstform: Es liegt in den Augen der Betrachter, was sie für sich herausziehen, was ihnen gefällt oder sie interessiert. Einige nehmen etwas mit, andere nicht.

Gleiches gilt für das in bewährter Tradition von Theo erstellte Artwork: Während das Titelbild klassisch-schlicht anmutet, entführen die weiteren Seiten des Booklets beziehungsweise Gatefolds in eine farbenprächtige Welt voller Details.

Theo Mindell: Ich wollte unbedingt ein klassisches und starkes Cover haben – wie die Platten meiner Kindheit: Anhand der verwendeten Farben und Gestaltungsformen konnte man sie schon von weitem auf Anhieb identifizieren. Ich strebte ein klassisches, symbolträchtiges und einfaches Cover an. Für das THE MOUTHS OF MADNESS-Innenleben fertigte ich hingegen eine sehr detaillierte, überladene Zeichnung an. Mein Hintergedanke: Die Menschen sollen das auf den ersten Blick karg erscheinende Album öffnen und dabei in eine andere Welt gezogen werden. Eine Welt, welche die Geschichten einiger der auf der Platte thematisierten Emotionen visuell erzählt. Ich vergleiche diesen Prozess gerne mit dem Schälen einer seltsamen Frucht. Das Innengemälde wurde von psychedelischen, lateinamerikanischen, in den späten 60ern und frühen 70ern in San Francisco erstellten Wandmalereien inspiriert. Das THE MOUTHS OF MADNESS-Cover folgt der Tradition des Artworks zu Santanas ABRAXAS. Ich wuchs mit diesem Album auf und liebe es bis heute.

Santana waren sicherlich nicht die einzigen Helden eurer Jugend? Schließlich demonstriert Orchids Doom Rock allen voran große Liebe zu Black Sabbath, Trouble, Pentagram, aber auch Led Zeppelin, Thin Lizzy, Iron Maiden oder Saint Vitus.

Mark Thomas Baker: Orchid haben sich im Lauf der Zeit einfach in diese Richtung entwickelt. Als wir die Band 2007 gründeten, benutzten wir in unseren Gesprächen nicht einmal den Begriff „Doom“. Unserer Meinung nach spielten wir einfach bösen Hippie Metal. Wir sprachen über Gruppen wie Black Sabbath, Led Zeppelin, Pink Floyd, Hawkwind und andere. Theo findet beispielsweise seit jeher große Inspiration in Mercyful Fates MELISSA-Album. Er wollte seine Faszination für Horror und okkulte Gestaltungen mit dem Proto-Metal und psychedelischen Klang der genannten Künstler verknüpfen. Wir wuchsen in einer Zeit auf, in welcher der Metal explodierte, waren in unseren frühen Jugendjahren, als der Thrash Metal die Bay Area-Szene aufmischte. Für 13- bis 14-Jährige war es unmöglich, nicht von Metallica, Slayer, Exodus und Megadeth umgeblasen zu werden. Diese Bands vereinten alles, was ich mir von guter Musik versprach.

 

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