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Nachruf: Ronnie James Dio (10.7.1942 – 16.5.2010)

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Nachruf: Ronnie James Dio (10.7.1942 – 16.5.2010)

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Die Rockwelt trauert um eine Legende: Am 16. Mai ist RONNIE JAMES DIO verstorben. Der Sänger, der Elf, Rainbow, Black Sabbath und Heaven & Hell mit seiner Stimme zu Ruhm verholfen hat und zudem als Solokünstler internationale Erfolge feierte, erlag im Alter von 67 Jahren einem Magenkrebsleiden. CLASSIC ROCK blickt zurück auf seine bewegte und bewegende Karriere.

Am 25. November 2009 erscheint eine Meldung auf Ronnie James Dios Website: „Bei Ronnie ist Magenkrebs im Frühstadium diagnostiziert worden. Er wird ab sofort in der Mayo-Klinik behandelt. Nachdem er diesen Drachen getötet hat, wird Ronnie wieder da stehen, wo er hin-gehört – auf der Bühne. Dort wird er das tun, was er am meisten liebt: für seine Fans singen!«

Ein Schock für den Sänger, seine Angehörigen und die Fans weltweit, denn der Schlag kommt unerwartet. Dio ist, im Gegensatz zu vielen seiner gleichaltrigen Musikerkollegen, nie durch Partyexzesse oder dergleichen aufgefallen und hat bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei gesundheitliche Beschwerden. Daher zeigt sich der zierliche Frontmann zunächst auch trotz der dramatischen Diagnose zuversichtlich: Er beginnt sofort mit einer Chemotherapie, die anfangs auch gut anschlägt, wie er die Fans Anfang 2010 durch seine Ehefrau Wendy wissen lässt. Auch seine Bandkollegen von Heaven & Hell äußern sich zuversichtlich, ein TV-Team interviewt die Musiker für eine DVD-Veröffentlichung zum 30. Geburtstag von Black Sabbaths HEAVEN & HELL, und sogar eine europäische Festival-Tour für diesen Sommer steht auf dem Programm: Die Daten sind bereits gebucht.

Am 4. Mai lösen sich jedoch alle diese positiven Signale in Rauch auf: Dio muss die Gigs absagen. Er sei gesundheitlich noch nicht fit genug, um eine anstrengende Tournee durchzustehen, heißt es in einem Online-Statement. Da ahnen bereits viele Fans: Es muss wirklich schlecht um den Sänger stehen – Dio hätte sich sonst nie die Gelegenheit entgehen lassen, auf der Bühne für sie (und sich selbst) zu singen. Wenige Tage später verlassen den schmächtigen Frontmann schließlich die Kräfte: Am Nachmittag des 16. Mai verliert Ronnie James Dio den Kampf gegen den Krebs. Er stirbt im Beisein seiner zweiten Ehefrau Wendy im texanischen Houston, wo er bis zuletzt in Behandlung ist. Seither trägt die Rockwelt Trauer, und das Schwarz ist noch schwärzer als gewohnt. Denn mit Ronnie James Dio verliert die Musikszene nicht nur einen Ausnahmesänger, der ganze Generationen von Vokalisten beeinflusst hat, sondern auch einen ganz speziellen Menschen.

Dio hatte viele herausragende Eigenschaften: Am stärksten im Gedächtnis bleiben wird den Fans na-türlich seine markante Stimme, die allen Songs, auf denen er gesungen hat, eine ganze eigene, stets wiedererkennbare Note verliehen hat. Das gilt für seine ersten Aufnahmen mit Ronnie & The Redcaps ge-nauso wie für Elfs ›Carolina County Ball‹, Rainbows ›Man On The Silver Mountain‹, Sabbath-Klassiker wie ›Children Of The Sea‹, ›Falling Off The Edge Of The World‹, die Solo-Hymne ›Holy Diver‹ oder Heaven & Hells ›The Bible Black‹.

Aber auch menschlich gehörte der Mann aus New Hampshire zu denjenigen Künstlern, die sich trotz jahrzehnterlange Szene-Zugehörigkeit und weltweiter Bekanntheit nie arrogant verhalten haben. Jeder, der Dio begegnet ist, schwärmt bis heute von der sympathischen, offenen Art der Sängers, der sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen wollte, sondern im Gespräch immer auf sein Gegenüber einging und auch die Musiker der Vorgruppe keinen Deut schlechter behandelte als seine eigenen Bandkollegen.

Die Kommentare von Musikern, die CLASSIC ROCK im Kasten zusammengefasst hat, sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache. So haben sich zum Beispiel die Mitglieder von Kiss zu Wort gemeldet und Dio posthum geehrt: „Nicht nur Ronnies kraftvolle Stimme war bemerkenswert, er ist uns und allen um ihn herum auch immer mit großer Wärme und Freundschaft begegnet. Wir wer-den ihn vermissen.“

Mit dieser Einstellung zum Leben und zu seiner Leidenschaft, der Musik, ist es Dio gelungen, sich selbst stets den Spaß an den Songs zu bewahren. Zudem hat er für viele Fans und Kollegen Vorbildcharakter. Denn speziell im schnelllebigen Rockbusiness ist es leicht, die Bodenhaftung zu verlieren. Nur zu oft ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass Musiker binnen weniger Monate in den Starhimmel gehoben wurden – nur um dann ebenso schnell wieder unsanft daraus vertrieben zu werden. Dieser Kelch ist an Dio vorbeigegangen. Glück war dabei sicherlich auch im Spiel, vor allem aber war es seinem Talent und seinem Willen zu harter Arbeit zu verdanken, dass er zeitlebens keinen Niedergang erleben musste.

Da Ronald James Padavona, wie Dio mit bürgerlichem Namen heißt, bereits früh Musikunterricht bekommen hatte und neben der Trompete auch Bass spielen konnte, war er gegenüber seinen Instrumentalkollegen nie im Nachteil. Er wusste, wie wichtig ein spannender Songaufbau ist und konnte auch selbst Ideen beisteuern. Das schätzten die Menschen, mit denen er zusammenarbeitete.

Tony Iommi zum Beispiel erinnert sich mit Freuden an die Zeit, als Ronnie James Dio erstmals bei Black Sabbath einstieg: „Bei den Aufnahmen zu NEVER SAY DIE lief alles chaotisch ab. Wir mussten die Songs buchstäblich zusammenkratzen. Sie klangen alle völlig belanglos, ohne jegliche Orientierung. Und dann stieß Ronnie zu uns. Es war, als hätten wir unser Leben zurückbekommen!“

Zudem war Ronnie James Dio nicht nur an der Musik interessiert, sondern auch an Literatur – seit seiner frühesten Kindheit las er gerne Bücher. Seine Texte spiegeln seine Liebe zu Themen wie Mittelalter, Magie, aber auch Science Fiction wider. Zu seinen favorisierten Autoren zählten Walter Scott, Edgar Rice Burroughs, John Carter. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern vollzog Dio keine strikte Trennung zwischen seinen privaten Interessen und seinem Leben als öffentliche Person. Schwerter, Drachen und Dämonen zierten bei ihm nicht nur die Bühnen, sondern auch das heimische Wohnzimmer.

Dies beweist: Er gab sich seinen Leidenschaften voll und ganz hin – der unbändigen Energie des Sänger verdankt die Musikwelt nicht nur etliche unsterbliche Rockklassiker, sondern auch Verbreitung der „Teufelshörner“, die er zwar nicht erfunden, aber zum international populären und universellen Gruß unter Riff-Freunden gemacht hat. Dio selbst zeigte die Hörner gerne und oft: Sie waren für ihn ein Zeichen der Zusammengehörigkeit – und keineswegs negativ besetzt.

Ähnlich starke Anziehungskraft übte der Drache auf ihn aus. Das mythologische Wesen symbolisierte für Ronnie James Dio den immerwährenden Kampf gegen die Widrigkeiten des Alltags, seien es nun psychische oder rein körperliche Probleme. Mit derselben Zähigkeit und der Unnachgiebigkeit wie das Fabeltier stellte sich auch Ronnie James Dio allen Herausforderungen. „Ich bin niemand, der sich leicht vom Weg abbringen lässt, ich verfolge meine Ziele konsequent“, betonte er in einem Interview – und setzte mit einem verschmitzten, weisen Lächeln nach: „Doch das heißt noch lange nicht, dass ich demselben Pfad folge wie alle anderen Menschen. Denn im Entdecken von neuen Dingen besteht doch der Reiz des Lebens!“

Lebensweg

CLASSIC ROCK zeichnet die wichtigsten ­Stationen von Ronnie James Dios Rock­karriere nach:

1942: Ronnie James Dio alias Ronald James Padavona kommt am 10. Juli in Portsmouth, New Hampshire, zur Welt.

1947: Auf Drängen von Papa Padavona lernt der Junge Trompete und spielt später auch in der Cortland High Jazz Band. Doch trotz seines unbestreitbaren Talents sattelt er als Teenager auf die Bassgitarre um.

1956: Ronnie tritt erstmals mit der Schülertruppe The Vegas Kings aus Cortland auf.

1958: Seine erste Veröffentlichung kommt auf den Markt – die 7’’-Single von Ronnie & The Redcaps mit den Titeln ›Lover‹ und ›Conquest‹, auf der B-Seite gibt Ronnie seine Gesangspremiere.

1960: Er nimmt den Künstlernamen Dio an. Ob er vom italienischen Wort für „Gott“ stammt oder auf den berüchtigten Mafioso Johnny Dio zurückzuführen ist, bleibt sein Geheimnis. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem.

1967: Die Gruppe Ronnie Dio & The Prophets bricht auseinander, Dio formiert mit Gitarrist Nick Pantas und neuen Musikern The Electric Elves. Musikalisch und optisch brechen die härteren Zeiten an: weniger Pop, mehr knalliger Rock steht auf dem Programm.

1968: Bei einem Autounfall kommt Pantas ums Leben, die anderen Musiker werden z.T. schwer verletzt.

1972: Die Band, die inzwischen nur noch Elf heißt, kann mit Hilfe von Ian Paice und Roger Glover ihr Debüt produzieren und geht mit Deep Purple auf US-Tour.

1974: Das zweite Elf-Album erscheint – in Europa unter dem Namen CAROLINA COUNTRY BALL, in Japan und den USA als LA/59. Ritchie Blackmore, damals Gitarrist bei Deep Purple, wird auf Ronnies Band aufmerksam.

1975: Nach dem Erscheinen des dritten Elf-Albums TRYING TO BURN THE SUN wirbt Blackmore Dio für seine neue Band Rainbow ab. Mit dem Debüt RITCHIE BLACKMORE’S RAINBOW sowie RAINBOW RISING und zwei Live-Alben werden sie international gefeiert.

1978: Dio und Blackmore gehen getrennte Wege, da ihre musikalischen Vorstellungen immer weiter aus-einander driften. Ronnie hält die Musik von Rainbow für zu kommerziell. Er schließt sich ein Jahr später Black Sabbath an, die gerade Ozzy Osbourne vor die Tür gesetzt haben.
1980: Im April geben Sabbath ihr Debüt mit Dio – HEAVEN & HELL erscheint. Die Platte stürmt die Charts und die Herzen der Fans.

1982: Obwohl die Zusammenarbeit mit Black Sabbath erfolgreich verläuft und auch MOB RULES für Furore sorgt, steigt Dio aus und gründet mit Vinny Appice seine eigene Band, mit der er die stilistische Lücke zwischen Rainbow und Sabbath schließt.

1983: Das Dio-Debüt HOLY DIVER erscheint – innerhalb von sechs Jahren erreicht es in den USA Platin-Status.

1986: Nach dem Vorbild von Band Aid bringt der Vokalist Dio unter dem Banner Hear’n’Aid Hardrock- und Metal-Musiker zusammen und nimmt mit ihnen den Song ›Stars‹ auf. Dabei sind unter anderem Queensrÿche-Frontmann Geoff Tate, David Murray und Adrian Smith (Iron Maiden), Rob Halford von Judas Priest, Yngwie J. Malmsteen, Paul Shortino (Rough Cutt), Eric Bloom und Donald Roeser von Blue Öyster Cult, Neal Schon uvm.

1989: Nach einer Reihe von Besetzungswech-seln verlässt auch Appice Dios Band. Für LOCK UP THE WOLVES muss der Sänger eine komplett neue Truppe zusammenstellen, was ihm zwar gelingt, aber nicht den erhofften Ruhm bringt.

1991: Dio kehrt für die Aufnahmen zum 1992er-Album DEHUMANIZER zu Black Sabbath zurück, weigert sich aber, bei einigen geplanten Reunion-Shows mit Ozzy Osbourne die Bühne mit seinem Vorgänger zu teilen. Dio verlässt daraufhin erneut die Band und reaktiviert 1993 seine Solotruppe.

2004: Mit MASTER OF THE MOON erscheint die letzte von Dios Solo-scheiben. Seit der Reformation der Band hat er vier weitere Platten veröffentlicht, STRANGE HIGHWAYS (1994), ANGRY MACHINES (1996), MAGICA (2000) und KILLING THE DRAGON (2002).

2006: Für die Compilation BLACK SABBATH – THE DIO YEARS startet der Sänger einen dritten Anlauf mit Tony Iommi, Geezer Butler und Vinny Appice. Die Chemie stimmt, also entschließen sich die Musiker, 2007 gemeinsam auf Tournee zu gehen – und zwar unter dem Bandnamen Heaven & Hell.

2007: Im Januar wird Dio in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen.

2009: Am 24. April erscheint das Album THE DEVIL YOU KNOW, das die Band auch ausgiebig live vorstellt. In Deutschland spielen Heaven & Hell unter anderem beim Wacken:Open:Air. Weniger Monate später, am 25. No- vember, gibt Dios zweite Ehefrau Frau Wendy Galaxiola auf der offiziellen Website be- kannt, dass ihr Mann an Magenkrebs er- krankt sei. Dio zögert nicht lange, sondern unterzieht sich sofort einer Chemotherapie.

2010: In mehreren Internetpostings zeigt sich der Sänger optimistisch, dass er seine Krankheit besiegen kann. Die Behandlung schlägt zunächst gut an – Heaven & Hell planen sogar eine Europatour, im Sommer wollen sie unter anderem bei Nova Rock, Graspop Metal Meeting und den Sonisphere-Open Airs auftreten. Am 4. Mai kommt jedoch das Aus – Ronnie ist zu krank, um zu reisen, geschweige denn zu singen, heißt es in einem Statement. Die traurige Wahrheit ist jedoch: Zu diesem Zeitpunkt dürfte bereits abzusehen gewesen sein, dass Dio den Kampf gegen den Krebs nicht mehr gewinnen kann. Am 16. Mai stirbt er im Alter von 67 Jahren im texanischen Houston, bis zuletzt begleitet von Wendy, seinen Fa- milienangehörigen und engen Freunden. Er hinterlässt neben seiner Ehefrau auch einen Adoptivsohn aus erster Ehe, Daniel Padavona (42), seinen Vater Pat sowie zwei Enkelkinder, Joey und Julie.

Kollegen in Trauer:

Lars Ulrich (Metallica):
„Ronnie, ich möchte, dass du weißt, dass du einer der Hauptgründe dafür warst, dass ich es auf die Bühne geschafft habe. Als ich dich 1975 mit Elf im Vorprogramm von Deep Purple erstmals sah, wurde ich total umgehauen von der Kraft in deiner Stimme, deiner Präsenz auf der Bühne, deinem Selbstvertrauen und der scheinbaren Leichtigkeit, mit der du eine Verbindung zu 6.000 dänischen Leuten und einem elfjährigen Jungen mit leuchtenden Augen aufgebaut hast, von denen die meisten die Musik von Elf nicht kannten.”

Ritchie Blackmore (Rainbow):
„Ronnie hatte eine einzigartige und wunder­bare Stimme. Die Rock‘n‘Roll-Welt wird ihn schmerzlich vermissen.“

Tony Iommi (Black Sabbath):
„Ich stehe noch unter Schock und kann nicht glauben, dass er uns verlassen hat. Ronnie war einer der nettesten Menschen, die ich kenne. Wir hatten eine fantastische Zeit zusammen. Er liebte es so sehr, Songs zu schreiben und auf der Bühne zu stehen, um die Musik mit seinen Fans zu teilen.”

Geezer Butler (Black Sabbath):
„Ich kenne niemanden, der eine liebevollere Familie und eine treuere Fangemeinde um sich scharen konnte als Ronnie. Er war ein besonderer Mensch, gesegnet mit einer herausragenden Stimme und einer speziellen Aura.“

Iron Maiden:
„Wir bewundern Ronnie: Seit Beginn seiner Karriere mit Elf bis hin zu Heaven & Hell hat er stets aufs Neue seine Genialität als Sänger und Frontmann unter Beweis gestellt und immer alles für seine Fans und seine Musik gegeben.“

Mikael Åkerfeldt (Opeth):
„Ich liebe ihn. Er ist fast wie ein Familienmitglied für mich. Ich fühle mich leer und einsam, seit ich weiß, dass er nicht mehr unter uns ist. Ich habe ein Porträt von ihm an der Wand in meinem Haus – und es wird auch stets als Erinnerung dort hängen bleiben.”

Slash (Velvet Revolver):
„Ronnie James Dio ist zwar am 16. Mai von uns gegangen. Seine Musik aber wird ewig leben.”

Tim Owens (Ex-Judas Priest):
„Ronnie James Dio war nicht nur mein Held, sondern auch mein Freund. Er hat mir als Musiker unglaublich viel beigebracht.”

Petra Schurer

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