Oft kann der Weg zum Erfolg ziemlich steinig, schmerzhaft und entbehrungsreich sein. Und dann gibt es da noch den Pfad der amerikanischen Grunge-Pioniere Stone Temple Pilots, die schon seit Anbeginn ihrer fast drei Dekaden umfassenden Geschichte mit ständigen Rückschlägen und Tragödien zu kämpfen haben. Im vergangenen Monat veröffentlichten Robert DeLeo und seine neu formierte Kulttruppe ihr siebtes Studioalbum STONE TEMPLE PILOTS, mit dem das Quartett von der US-Westküste nun seinen dritten Neustart einläutet.
Totgesagte leben bekanntlich länger. Auf kaum eine Band trifft diese Rock’n’Roll-Weisheit besser zu als auf die Survival-Spezialisten der Stone Temple Pilots. Als stolzes Flaggschiff des Grunge prägte das unerschütterliche Quartett aus dem kalifornischen San Diego ab Anfang der 90er-Jahre eine ganze Hörergeneration. Nach insgesamt sechs Nr.-1-Hits und über 20 Millionen verkauften Alben löste sich die Band 2003 wegen ständiger Meinungsverschiedenheiten mit ihrem exzentrischen Frontmann Scott Weiland auf. Mitte 2010 folgte der Neustart mit dem selbstbetitelten Album STONE TEMPLE PILOTS, der ebenfalls unter keinem guten Stern stand. Nur drei Jahre später trennte man sich erneut von Weiland, der nach seinem Rauswurf von Linkin-Park-Sänger Chester Bennington ersetzt wurde. Nachdem auch Bennington die Formation im November 2015 verließ, wurde Gründungsmitglied Scott Weiland einen Monat später tot aufgefunden.
Eineinhalb Jahre später nahm sich Bennington in seinem Haus nahe Los Angeles das Leben. Wo sich die meisten Combos auf diesem Ritt durch alle Höhen und Tiefen wahrscheinlich längst das Rückgrat gebrochen hätten, da präsentieren sich die krisenerprobten Ur-Mitglieder Robert und Dean DeLeo sowie Eric Kretz kämpferisch: Nach einem 18-monatigen Casting fand man in Jeff Gutt den dritten Sänger, der nun auf dem zur allgemeinen Irritation ebenfalls STONE TEMPLE PILOTS betitelten Album zu hören ist. Bassist Robert DeLeo im Gespräch über die Magie des Neuanfangs, die Schatten der Vergangenheit und die große Kunst, die Dinge einfach zu halten.
Robert, glaubst du eigentlich an Schicksal?
Sagen wir es so: In der letzten Zeit ist viel passiert. Erlebnisse und Emotionen, die mit in dieses Album eingeflossen sind. Im Leben gibt es gute Zeiten und schlechte Zeiten. Einerseits haben wir schon immer versucht, unsere Erfahrungen in die Songs zu transportieren. Andererseits ist unsere Musik auch eine Art von Flucht aus dem Alltag gewesen. Als Künstler gibt es viele spannende Wege, mit dem Leben umzugehen.
Genau genommen hattet ihr es trotz eures enormen Erfolges zu keiner Phase wirklich leicht…
Alle unsere damaligen Probleme könnte man wohl auf einen Begriff reduzieren: Drogen. Wobei wir natürlich nicht die einzige Formation waren, die die zerstörerischen Effekte am eigenen Leib zu spüren bekam. Es ist eine endlose Geschichte. Es ist interessant, zu beobachten, wie uns die Drogensucht alle gleich macht und die unterschiedlichsten Menschen an denselben Ort bringt: die Hölle.
Nur die wenigsten Bands kommen in die Lage, ihre Sänger in kurzem Abstand zu verlieren. Kannst du dich noch an die Momente erinnern, in denen du erst vom Tod von Scott und später von Chesters Selbstmord gehört hast?
Natürlich. So etwas vergisst man nicht. Es versetzt einem jedes Mal einen tiefen Stich, wenn man plötzlich in E-Mails, Textnachrichten oder in Schlagzeilen das Wort „verstorben“ liest. Ich habe beide wie meine eigenen Brüder geliebt. Mit diesem Album gehen wir nun unseren Weg weiter. Ich bin sicher, dass wir noch ein gutes Stück dieses Weges vor uns haben, den wir nun gemeinsam mit einem neuen, großartigen Sänger gehen.
Jeff Gutt wurde nach einem mehrmonatigen Casting aus Tausenden von Bewerbern ausgewählt. Was gab den Ausschlag, sich für ihn zu entscheiden?
Wir haben nach jemandem gesucht, der sowohl den Songs von Scott gerecht wird als auch in der Lage ist, die Weiterentwicklung der Band voran zu treiben. Jeff hat seinen ganz eigenen Stil, der beide Aufgaben perfekt erfüllt. Wir haben uns sehr lange und reiflich überlegt, ob er tatsächlich zu uns passt und ob er dem hohen Druck auch gewachsen ist. Und wir sind sicher, dass wir eine gute Wahl getroffen haben. Als einer der ersten gemeinsamen Songs entstand dann ›The Art Of Letting Go‹.
„Es versetzt einem jedes Mal einen tiefen Stich, wenn man plötzlich in E-Mails, Textnachrichten oder in Schlagzeilen das Wort „verstorben“ liest. Ich habe beide wie meine eigenen Brüder geliebt.“ (Robert DeLeo über Scott Weiland und Chester Bennington)
Das neue Album trägt mit STONE TEMPLE PILOTS den gleichen Titel wie euer 2010 veröffentlichtes Werk. Ganz ehrlich: Gab’s da keine bessere Alternative ohne die Gefahr allgemeiner Verwirrung?
Wir stehen nun mal nicht auf große, ausschweifende Albumtitel. Das war schon immer so. Ob mit CORE, PURPLE oder NO. 4. Je simpler, desto besser. Der Titel STONE TEMPLE PILOTS passt einfach am besten zu den Songs. Das sind wir. Ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass es irgendwelche Verwechslungen mit unserem 2010er Album geben wird. Wir sind große Fans von Platten-Artwork und Frontcovern. Die Motive der beiden Scheiben sind komplett unterschiedlich. Ich habe schon die unterschiedlichsten Alternativtitel für das neue Werk gehört: das BUTTERFLY-Album, das BLACK AND WHITE-Album…
Wie entstanden die neuen Songs?
Es gab unterschiedliche Herangehensweisen: Wir hatten noch ein paar Songs in der Schublade, die wir ursprünglich mit Chester umsetzen wollten. Doch leider verließ er schon vorher die Band. Ich hätte gerne ein ganzes Album mit ihm aufgenommen und nicht nur eine EP. Andere Stücke wurden gemeinsam geschrieben. Wir waren uns bei dieser Platte sofort einig, wohin die Reise gehen sollte. Natürlich ist es notwendig, hier und da Kompromisse zu machen. Doch man muss offen für Vorschläge sein und darf sich nicht persönlich angegriffen fühlen, wenn der Rest der Band deine Ideen scheiße findet. Am Ende des Tages tragen sie nur zu einem besseren Gesamtergebnis bei, mit dem alle zufrieden sind.
Gibt es eine Art versteckten Tributsong zu Ehren von Scott oder Chester?
Nicht bewusst. Natürlich kann jeder unsere Texte auf seine Art interpretieren. Es gibt im Leben immer gewisse Dinge zu bedauern. Es ist ein bittersüßes Gefühl, heute zurück zu blicken. Wir haben sehr viel Zeit verschwendet, die wir einfach sinnvoller hätten nutzen können. Alles ist vergänglich, deshalb sollten wir das Leben auskosten, solange wir können.