Duane, Gregg und Co. erkunden das Landesinnere
Zwei Monate nach ihrem epischen Livealbum AT FILLMORE EAST von 1971 und einen Monat, bevor Duane Allman sich ein letztes Mal auf sein Motorrad setzte, machte sich die ABB in Austins Municipal Auditorium für eine ihrer letzten Shows als Sextett auf. Man munkelte, dass sie zwar ihren Southern-Blues-Gospel nicht aufgeben, jedoch vielleicht ein bisschen mehr Richtung Country gehen würden, so wie man es schon auf einigen nachdenklichen Ausschnitten des später erscheinenden EAT A PEACH erahnen konnte. Trotzdem hätte man es hier nicht erwartet, schließlich besticht DOWN IN TEXAS ’71 durch ein klassisch eingerahmtes Allmans-Set inklusive unabkömmlicher Nummern wie ›In Memory Of Elizabeth Reed‹, ›Statesboro Blues‹ und ›Stormy Monday‹. Dann kommen sie plötzlich ins Jammen und lassen sich von der Muse treiben. Die neun Songs können den Ostküsten-Shows nichts anhaben, zudem ist soundtechnisch keine Verbesserung zu hören, da es sich hier lediglich um eine qualitativ durchschnittliche Aufnahme aus dem Publikum handelt, die Gregg Allmans Stimme nicht adäquat einfangen konnte. Trotzdem haute die Band ungeachtet der Drogen und des geflossenen Alkohols ordentlich einen raus. Zu dem Zeitpunkt waren die Allman Brothers nicht mehr davon abzubringen, den Sopransaxophonisten Rudolph „Juicy“ Carter mit an Bord zu haben (Fillmore-Produzent Tom Dowd hasste den Eindringling). Obwohl er Johnny Lee Johnson seinen Spitznamen „Jaimoe“ verpasst hatte, ist Juicys Anwesenheit einem kohärenten Sound nicht immer ganz zuträglich. Als diese Jungs aufspielten, neigten sie dazu, zwischen frei interpretiertem R’n’B und einer Art Rock-Jazz-Fusion hin und her zu wechseln, was vor allem daher rührte, dass Duane seine Flügel ausbreiten wollte. Schließlich war er erst kürzlich von niemand geringerem als Eric Clapton bei einer Kollaboration auf LAYLA AND OTHER ASSORTED LOVE SONGS unter die Fittiche genommen worden. Eine Liaison, die Dicky Betts niemals so richtig gepasst hatte. Und auch der Rest der Band fand es nicht gut, ihrem Anführer dabei zuzusehen, wie er in den Äther der Superstar-Größen entschwand. Die besten Stücke auf diesem Mitschnitt sind ›You Don’t Love Me‹, wo Duane ein bisschen Heavy-Metal-Chaos lostritt, sowie Elmore James’ ›One Way Out‹, jene Art von frisiertem Blues, die ihnen blind gelang. Ein zusätzliches Interview mit Duane und Bassist Berry Oakley fügt DOWN IN TEXAS ’71 ein wenig Historiencharakter hinzu, trotzdem ist die Platte nur etwas für Ultras.
6 von 10 Punkten
Allman Brothers Band, DOWN IN TEXAS ’71, ALLMAN BROTHERS BAND RECORDING COMPANY (2015 DEAL)
Text: Max Bell