In der „In Crowd“.
Anfang der 60er-Jahre löste die Pop-Art den Abstrakten Expressionismus von der Spitze der Kunstwelt ab. Das Innere wurde nach außen gekehrt und das Äußere nach innen. Davon und von allem, was dies im weitesten Sinn mit sich brachte, erzählt Andy Warhol zusammen mit seiner Mitarbeiterin und Vertrauten Pat Hackett in „POPism“, seinem persönlichen Rückblick auf das Jahrzehnt.
In den 50ern bestand die Revolution der Kids aus Lederjacken, Motorrädern und Schlägereien, trotzdem sei jeder auf dem „ihm von Geburt an zugeschriebenen Platz“ geblieben, so Warhol. Eine Dekade später sei das anders gewesen. Jeder konnte alles machen, alle waren in jede (Kunst-)Richtung interessiert, jeder kam überall rein, alles war Kunst, alles war gut: So definiert(e) sich der Pop – oder anders gesagt: So definierte Andy Warhol den Pop.
In den 60ern waren der Pop-Artist und seine Entourage die „In Crowd“. Abends war sie auf jeder Party zugegen – und stieg dann mal wieder über einen betrunken am Fuß einer Treppe liegenden und den Girls unter den Rock schauenden Bob Dylan – jede Party wurde erst durch sie zu einer solchen. Untertags hing man in der Factory rum, machte Fotos, konsumierte Drogen, tanzte und hörte Musik. Warhol arbeitete derweil an seiner Kunst, beobachtete die anderen und filmte sie.
Immer schon war er von Stars und dem Berühmtsein besessen: In der Factory gaben sich die Promis dann die Klinke in die Hand. Brian Jones schäkerte mit Edie Sedgwick auf der Couch, Judy Garland stritt mit Tennessee Williams, ob sie nun besser schauspielern oder singen könne, und Paul Morrissey brachte Nico zum Lachen. Für den größten Auftritt des Jahres sorgte 1965 laut Warhol übrigens niemand anderes als Papst Paul VI.: An einem Tag von Rom nach New York, alles ansehen und für gut befinden („tutti buoni”) und abends wieder zurück – das ist Pop!
Wie jedes Buch lässt sich „POPism“ natürlich klassisch von vorne bis hinten durchlesen. Man kann aber auch einfach irgendeine Seite aufschlagen und dort einsteigen. Sogar das auf angenehme Weise nur halb aufmerksame Lesen bietet sich an, weil es für das Verständnis quasi egal ist, was auf der Seite davor stand. Schweift man kurz ein wenig ab (was durch die ganzen prominenten Namen im Buch, von denen man natürlich ein Bild im Kopf hat, fast zwangsläufig passiert), ist man beim nächsten Satz sofort wieder drin. Es ist dieses nicht auf Chronologie fixierte und leichthändige Leseverständnis, das nicht zuletzt auch Büchnerpreisträger Rainald Goetz zu einem Bewunderer Warhols machte.
Text: Vincent Numberger