USA 2012/Universum
Mit dem Finger am Puls der Zeit und dem Ohr auf den Schienen der Gegenwartskultur hat sich Filmemacher Harmony Korine als letzter verbliebener Schockkünstler der USA etabliert: Als Autor der damaligen Skandalfilme „Kids“ und „Ken Park“, als Regisseur der surrealen bis hyperrealistischen Momentaufnahme der Kehrseiten des amerikanischen Traums in „Gummo“ und schließlich als Kopf hinter der gehirnschmelzend unanschaubaren Mockumentary „Trash Humpers“ bastelte Korine fleißig an seinem Ruf als unnachgiebiger Chronist des dysfunktionalen und bizarren Amerikas. Warum dieser Blick auf Korines Schaffen? Schlicht aus dem Grund, da Korines neon-poppiger „Spring Breakers“ je nach Wissenstand über die Ideenwelt des Regisseurs wahlweise als bemerkenswert belangloser eineinhalbstündiger Videoclip samt schmierigen Päderastenfantasien gesehen werden kann. Oder eben als in Moet-Flaschen abgefüllter, hochexplosiver Molotv-Coktail verstanden werden kann, den Korine zielsicher in die Schaufensterauslage des pervertierten amerikanischen Traums schleudert. Denn seine Geschichte einer Mädels-Clique, die auf Suche nach dem ultimativen Springbreak-Partyexzess einen Überfall begehen, um wenig später mit dem Möchtegern-Drogendealer Alien (James Franco) anzubandeln, ist eine bitterböse Abrechnung mit der allseits zelebrierten Kultur absoluter Inhaltsleere, hedonistischer Flachheit und des moralischen Nihilismus. Die meist leicht geschürzte Cast aus Ex-Disney-Prinzessin Vanessa Hudgens, Pop-Göre Selena Gomez sowie Ashley Benson und Rachel Korine sind dabei zwar vordergründig Augenzucker, letztendlich aber eine bonbonbunt verpackte Gratwanderung zwischen der provokanten Exploitation männlicher Phantasien und schneidender Anklage der Scheinheiligkeiten amerikanischer Prüderie.
Die Jagd
DAN/SWE 2012/Universum
Der dänische Schauspieler Mad Mikkelsen – zu Recht einer der aufregendsten Schaupielexporte Dänemarks – hat endgültig den Durchbruch geschafft. Wer Mikkelsens Schaffen in den letzten Jahren genießen durfte, kann sich glücklich schätzen, denn spätestens wenn diesen Herbst die Serienkiller-Serie „Hannibal“ um den berühmten Humangourmet Dr. Lecter auch hierzulande zu sehen sein wird, wird man Mikkelsen mental unweigerlich als durchtriebenen und unmenschlichen Killer abspeichern. Deshalb sollte man nach Möglichkeit jetzt noch das hervorragende Thrillerdrama „Die Jagd“ sehen, solang noch uneingeschränktes Mitgefühl für den von Mikkelsen verkörperten Protagonisten Lucas empfunden wird. Der wird in einer kleinen dänischen Gemeinde fälschlicherweise des Kindesmissbrauchs angeklagt und sieht daraufhin sein Leben zerbrechen. Mikkelsen begeistert mit einer feinfühligen und nuancierten Darbietung des in die Ecke getrieben Mannes. Es ist jedoch garantiert, dass sich nach „Hannibal“-Sichtung eine unbequeme Mischung aus uneingeschränkter Sympathie und unerklärlicher Abneigung gegenüber Mikkelsens Figur ergibt. Deshalb: „Die Jagd“ jetzt anschauen.
7
The Newsroom – Season 1
USA seit 2012/Warner
Keine Frage: Aaron Sorkin ist der Meister des rasiermesserscharfen Dialogs. Was der Autor und Serienschöpfer bereits mit seiner Politserie „The West Wing“ und dem Drehbuch zum wortgewaltigen „The Social Network“ bewies, zeigt er selbstverständlich auch in seiner neuen Serie „Newsroom“. Darin liefern sich Jeff Daniels als angegrauter Medienstar mit wieder erwachtem journalistischen Ehrgeiz und sein Team der Nachrichtensendung Atlantic Cable News pointengespickte Wortgefechte einer Geschwindigkeit, die selbst dauerquasselnde Verkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt schwindelig machen. Selbstverständlich dürfen bissige Seitenhiebe auf gesellschaftliche und politische Großereignisse nicht fehlen, selbstverständlich versehen mit Sorkins echauffierter und liberaler Perspektive, die sich explizit gegen die vorherrschende konservative Stoßrichtung des öffentlichen Diskurses stellt. Manchmal eine Spur zu neunmalklug, dafür stets mit der richtigen Mischung aus Humor, Drama und manischer Energie versehen, ist „Newsroom“ auf dem besten Weg zum legitimen „West Wing“-Nachfolger.
7
Stand Up Guys
USA 2012/Universum
Fast drei Jahrzehnte saß Gangster Val (Al Pacino) hinter Gittern, Ex-Komplize und Kumpel Doc (Christopher Walken) bereitet ihm einen warmen Empfang: Alkohol, Drogen und leichte Mädchen stehen auf der To Do-Liste des restlichen Tages. Doch das herzliche Wiedersehen trügt, Doc hat einen Auftrag zu erledigen: Er soll Val aus Vergeltung für einen alten Fehltritt just am ersten Tag in Freiheit ins Jenseits befördern. So gefühlskalt ist der Doc dann aber doch nicht, dass er seinen Kollegen von einst sofort eine Bleiimpfung verpasst: Er will seinem alten Freund Val zumindest einen standesgemäßen Abschied bereiten. Als vergnügliche Gangsterkomödie weiß „Stand Up Guys“ trotz einer Handvoll fehlgeleiteter Pointen, schmalzigen Sentimentalitäten und leidlich witziger Selbst-parodie bestens zu unterhalten. Letztendlich ist es aber die Qualität des Darstellertrios aus Pacino, Walken und Alan Arkin, das dem Film die nötige Würze verleiht, um sich vom Genredurchschnitt abzuheben.
6
Zusammengestellt von Gerhard Maier