Über kurz oder lang läuft es in Rock-Karrieren auf die Frage hinaus: Gibt es noch Hingabe, besteht der Pakt zwischen Band und Fans, funktioniert die Aura – obwohl sich Zeiten und Menschen massiv verändert haben? Als Black Sabbath vor 46 Jahren ihr gleichnamiges Debütalbum veröffentlichten, war die Vorstellung einer Heavy Metal Band mit drei Mitgliedern über 60 Jahren eine absurde Vorstellung. Wer dies auch heute noch lächerlich finden könnte, wird auf der derzeit laufenden Abschiedstour von Sabbath eines Besseren belehrt – denn auch Metal-Godfather Ozzy Osbourne hat seinen … nun ja… Reifeprozess inzwischen in Richtung Würde gelenkt. Der zweite Konzertabend in New York ist durch und durch klassisch geprägt. Die als ultimativ letzte vermarktete Tour „The End“ löst die durchklingende Melancholie im Madison Square Garden mit einem 14-teiligen Set ein, bei dem der jüngste Titel, ›Dirty Woman‹, aus dem Jahr 1976 stammt. Hier gibt es keine Experimente, keine Überraschungen, nicht einmal Effekte, die den Namen verdienen: Auf der Bühne steht, repräsentiert durch den 67-jährigen Ex-„Prince of Darkness“, eine Lebensleistung, deren Haupterrungenschaft es ist, immer noch zu leben. Osbourne gibt alles, was er zu geben hat, dirigiert souverän skurril die riesige Arena. Obwohl ihm das Leben und vor allem er sich selbst einiges mitgegeben hat, steht das Wesentliche, die Musik, nicht in Frage. Mit Düsternis und Schmerz wurde sich arrangiert, das Bedrohliche ist dem Vertrauten gewichen, das Familiäre überwiegt nicht erst seit „The Osbournes“. Diese Akzeptanz der Dinge findet beim (angeblichen) Abschiedskonzert in New York City ihre fast dezente Entsprechung. Bei aller Wucht sind Ozzy, Tony Iommi und Geezer Butler leiser, essentieller geworden und zeigen in diesem gigantischen Kammerkonzert voller bekannter Hymnen das, was sie am besten können. Unterstützt werden sie vom 30 Jahre jüngeren Drummer Tommy Clufetos, dessen langes Solo als Übergang von ›Rat Salad‹ zu ›Iron Man‹ zu einem der Highlights des Abends zählt. Loslassen ist hier die Devise, nicht mit Pathos, sondern mit Freude: ein paar Routine-Explosionen, ansonsten Bodenhaftung. Gefeiert werden keine Egomanen, sondern eine Karriere. Und dennoch wird man einen von Hoffnung getragenen Verdacht nicht los: This is not the end, my friend.
Christina Raftery
Setlist:
01. Black Sabbath
02. Fairies Wear Boots
03. After Forever
04. Into the Void
05. Snowblind
06. War Pigs
07. Behind The Wall Of Sleep
08. N.I.B.
09. Hand Of Doom
10. Rat Salad
11. Iron Man
12. Dirty Women
13. Children Of The Grave
Zugabe:
14. Paranoid