Nicht alle Stars blühen in jungen Jahren auf, wie der Mann bewiesen hat, der als Steven Gene Wold auf die Welt kam.
Seasick Steve ist eine Anomalie in der Welt des Blues, vor allem, weil der Mainstream ihn mit offenen Armen empfangen hat. Leute, die kein besonders ausgeprägtes Interesse am Blues haben, wissen, wer er ist. Seit seinem Durchbruch in der britischen Sendung „Hootenanny“ 2006 hat Steve einen BRIT Award gewonnen, in Glastonbury gespielt und sogar einen Gastauftritt in der Autoshow „Top Gear“ absolviert. Er ist berühmt auf einem Niveau, von dem ein Großteil der heutigen Bluesszene nur träumen kann, doch er hat nie seinen hemdsärmeligen, bodenständigen Charakter verloren, der das Bild eines Typen vermittelt, der als Landstreicher in Eisenbahnwaggons umherreist und in Ladeneingängen als Straßenmusikant spielt. Dabei kann man durchaus sagen, dass der so spät in seinem Leben eingetretene Erfolg und die Turbulenzen, die ihm vorangingen, geholfen haben.
„Niemand sollte Rock’n’Roll-Star werden dürfen, bevor er über 50 ist“, sagte er 2015 in der Zeitschrift Blues. „Nicht wegen der Musik, denn ich finde, die sollte den jungen Leuten gehören, sondern weil das Musikbusiness nicht sehr fair zu ihnen ist. Es sagt ihnen, sie seien dieses oder jenes, und lässt sie dann diesen Nonsens glauben. Wenn allerdings fast dein ganzes Leben vorbei ist und du immer noch nicht weißt, wer du bist, wirst du es auch nie wissen.“
Bevor irgendjemand wusste, wer er war, lebte der Mann aus Oakland eine beeindruckende Liste verschiedener Leben: Backing-Musiker für Lightnin’ Hopkins, John Lee Hooker und andere Bluesvisionäre, Straßenmusikant in Paris, Indie-Produzent, angehender Rettungssanitäter … Dass Teile seiner Vita vielleicht nicht unbedingt wahr sind, ist dabei eigentlich unwichtig. Wold hat eine Art mystischer Aura beibehalten, die man in dieser Ära von 24-Stunden-Kommunikation und Social Media nur noch äußerst selten antrifft. 2004 änderten sich die Dinge abrupt, als er einen Herzinfarkt erlitt – einen schweren. Seine Frau ermutigte ihn, zu Hause Musik zu machen, während er sich erholte. „Ich machte meine erste Platte in der Küche“, erinnert er sich. „Ein Freund aus England rief mich an – und ich war niemand – und fragte, was ich so treibe und wie es mir körperlich gehe. Ich sagte: ‚Oh, ich bin in der Küche‘. Ich machte gerade diese kleine Platte. Er bat mich, sie ihm zu schicken. Und er fand einen Typen, der eine Plattenfirma hatte, auf der nur seine Freundin unter Vertrag war und die er von seinem Schlafzimmer aus betrieb. Er war also der einzige Mensch, der mein Album veröffentlichen wollte.“
Auch auf seinem jüngsten Werk LOVE & PEACE und vor allem der ersten Single, dem Titelstück, dominiert der elektrisierend rohe, reduzierte Vibe. „Ich mag es, wenn die Gitarren nicht so gut sind, denn dadurch sind sie schwerer zu spielen und du musst kämpfen. Ich mag diesen Kampf. Die, die ich baue, sind Biester. Wenn ich auf die Bühne gehe, weiß ich also nicht, was passieren wird. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich es durch den Song schaffen werde. Ich mag das, denn für mich ist das ein bisschen mehr Rock’n’Roll. Diese Instrumente machen mich ein kleines bisschen verrückt.“