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Bruce Springsteen: It’s Bosstime!

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Bruce Springsteen: It’s Bosstime!

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Ein Buch bietet natürlich we­­sentlich mehr Chancen, ins Detail zu gehen als ein Rocksong. So hat Springsteen über die Jahre zahlreiche großartige Stücke über seinen Vater geschrieben, ›Independence Day‹ zum Beispiel, oder ›My Father’s House‹. Doch seien diese durch das Songformat immer limitiert gewesen, logisch. „Im Buch konnte ich in die Tiefe gehen, was die Kämpfe im Leben meines Vaters und mein Verhältnis zu ihm betrifft.“ Seinen Vater Doug beschreibt er als „privates Ein-Mann-Minenfeld“.

Phasen der Apathie führten bei ihm unweigerlich in den nächsten Wutausbruch, die nächste „Detonation“. Erst Jahre später wurde eine bipolare Störung diagnostiziert. Verständlich, dass Springsteen seinen Vater in seiner Kindheit als Bedrohung wahrnahm, als eine Art Haustyrannen, der sein Leben zum Chaos machte. Der Wunsch, diesem Chaos zu entkommen, sei einer der Gründe gewesen, warum er sich für eine Karriere als Musiker entschieden habe, erzählt er heute: „Ich musste mir ein geordnetes Leben schaffen. Ganz ungewöhnlich eigentlich, viele finden zum Rock’n’Roll, weil sie die Lizenz wollen, Regeln zu brechen. Ich wollte mir ein Gerüst aus Regeln schaffen, nach dem ich leben konnte.“

Und das war nicht immer einfach. Der Sohn hatte seines Vaters psychisches Leiden geerbt. „Die Depression steckt in meiner DNA, meinem Blut“, sagt er. Derzeit gehe es ihm vergleichsweise gut, Medikamenten sei Dank. Be­­sonders in den 80ern sah das phasenweise komplett anders aus. „Meine Depression sprudelt wie Öl aus einem lecken Tanker direkt in den wunderschönen türkisblauen Golf meiner sorgfältig geplanten Existenz“, heißt es dazu einmal im Buch. Und auch zu Beginn seiner Sechziger machte dem jetzt 67-Jährigen ein starker depressiver Schub zu schaffen. Die Abschnitte, die von seiner Krankheit handeln, sind mit die faszinierendsten in „Born To Run“. Voller Verzweiflung, anschaulich und in schillernd bildgewaltiger Sprache erzählt.

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Bruce Springsteen in den 80ern. (aus „Born To Run“)

Seit 30 Jahren macht Springsteen Psychoanalyse, einen seiner Ärzte habe er bereits überlebt, sagt er und muss lachen. In kreativer Hinsicht sei ihm diese Langzeittherapie durchaus zugute ge­­kommen. Denn: „Das Buch ist voller Dinge, die ich über die Jahre in mir entdeckt habe.“ Ob er denn jetzt ein Gefühl von Erlösung spüre, will eine Journalistin gegen En­­­­­­­­de des Gesprächs wissen. Jetzt, wo er sich sei­ne Dämonen gewissermaßen von der See­le geschrieben hat. Auch in seinen Songs gehe es ja oft um Erlösung.

Nun ja, setzt Spring­steen zu einem kurzen le­­bens­philosophischen Monolog an, dem guten katholischen Jungen, der er sei, seien Ideen von Erlösung, Verdammnis und Transzendenz zur zweiten Natur geworden. Allerdings kämpfe er seit je vor allem gegen den Verdammnis-Aspekt. „Ich glaube, das ist mehr meines. Zumindest früher hatte ich nie das Gefühl, auf irgend so etwas wie Erlösung zuzusteuern.“ Erst seit er Kinder habe, sei das vielleicht ein wenig anders ge­­worden. „Du hast die Möglichkeit, dein Leben zu erneuern, indem du deine Kinder dabei unterstützt, sich ihr eigenes aufzubauen. Das hat eine heilende Wirkung auf mich, mehr als alles andere.“

Dicht gefolgt von seinen Konzerten, fügt er dann noch an. In denen feiert er bekanntermaßen nicht selten bis zu vier ekstatische, glorreiche Stunden lang die Macht des Rock’n’Roll – ge­­meinsam mit seinem Publikum. „Das war die ursprüngliche Idee: Ich wollte zu jemandem sprechen, ich wollte mit der ganzen Welt kommunizieren, ich wollte den anderen etwas bedeuten, und ich wollte, dass deren Leben mir etwas bedeuten.“ Puh. Jetzt muss man dann doch schlucken. Wie scheinbar spontan Springsteen solche Sachen raus haut, ist schon nicht schlecht.

Kurz darauf ist das Interview vorbei. Beim abschließenden Applaus kommt fast ein wenig Konzertfeeling auf, wenn „Bruuuce!“-Rufe angestimmt werden. Und so geht’s nach einem kurzen Moment der Sammlung, die Bühne ist leer, der Star durch den seitlichen Ausgang verschwunden, hinaus in den Vorraum. Zurück zu Häppchen und Drinks.

Und wer steht dort am Tresen? Richtig, Springsteen höchstselbst. Umgeben von einer Traube aus Journalisten, ein kleines Bier vor sich, grinsend, sich mit den Barkeepern abklatschend. Leicht surreal ist das. Und auch erstaunlich, wie der Mann aus New Jersey es schafft, selbst einen – für ihn – Routinetermin zum Ereignis zu machen. It’s Bosstime! Ganz klar.

Text: David Numberger
Fotos: Patrizia Doubeck/Heyne Verlag

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