Die Geschichte von Canned Heat erzählt von unwahrscheinlichem Triumph und fast vorhersehbarer Tragödie. Auf ihrem Zenit in den späten 60ern schwamm diese urtümlichste aller Bands gegen den Strom der Gegenkultur. Wo ihre Zeitgenossen sich in immer wilderen lysergischen Kreisen drehten, waren The Heat Blues’n’Boogie-Prediger, die Amerikas musikalische Vergangenheit auf fast wissenschaftliche Art mit ihrer Gegenwart verbanden. Ihre bekanntesten Hits, ›On The Road Again‹, ›Going Up The Country‹ (beide 1968) und ›Let’s Work Together‹ (1970) sind bis heute Radioklassiker, auch wenn die besten Alben der Band – BOOGIE WITH CANNED HEAT, LIVING THE BLUES, HALLELUJAH und FUTURE BLUES (alle zwischen 1968 und 1970 erschienen) praktisch vergessen sind.
Doch in dieser Story geht es um mehr als ihre Musik. Es ist unmöglich, die Band vom Schicksal ihrer beiden wichtigsten Mitglieder zu trennen. Alan „Blind Owl“ Wilson und Bob „The Bear“ Hite mögen im Abstand von elf Jahren gestorben sein, doch sie verkörpern die dunkle Seite der 60er genauso wie Jimi, Janis oder jedes andere Opfer jener Ära. Der Unterschied ist, dass ihr Ruf nicht posthum aufpoliert wurde.
Canned Heat waren seit ihrer Hochzeit nicht mehr angesagt. Doch ihr klassisches Line-up aus Wilson, Hite, Fito, Vestine und Bassist Larry „The Mole“ Taylor war von solcher Integrität und Authentizität, dass die Band eine Neubewertung verdient. Ihre chaotische und tragische Geschichte zu verstehen, ist allerdings etwas völlig anderes.
Die beiden Männer in ihrem Mittelpunkt hätten nicht verschiedener sein können, sowohl äußerlich als auch vom Temperament her. Bob Hite, geboren in Torrance, Kalifornien, war der Sohn zweier Amateurmusiker. Noch bevor er das Teenageralter erreichte, hatte er den Blues entdeckt und schnell eine beeindruckende Plattensammlung angehäuft.
„Bob war der Erste, den ich traf, der genauso aufs Plattensammeln stand wie ich“, erinnert sich Barry Hansen, der Hite bei einem Konzert von Lightnin‘ Hopkins kennenlernte und später als Radio-DJ Dr. Demento Berühmtheit erlangte. „Er hatte schon damals eine ansehnliche Sammlung, ein paar tausend 78er, mit mehreren Paramounts und anderen Vorkriegs-Leckerbissen, ebenso wie die fast vollständigen Kataloge von Muddy Waters und solchen Künstlern, plus mehrere tausend 45er.“
Hite war auch äußerst extrovertiert und wollte immer Leute um sich herum haben. Er kam aus der Arbeiterklasse.Beide Eltern waren übergewichtig und sogar ihr Hund, ein Zwerg-Dobermann, war fett. Seine Eltern waren auch religiös und sangen jeden Abend vor dem Zubettgehen Kirchenlieder.
„Da hatte Bob allerdings nicht sein Gesangstalent her“, so Hansen. „Er brachte es sich selbst bei, indem er bei seinen Platten mitsang. Bob war ein Showmann. Er konnte eine Platte mit so unglaublichem Flair auf den Teller legen. Als Canned Heat entstanden, war er der natürliche Frontmann und Bandleader.“
Eines war Hite jedoch nicht: ein natürlicher Songwriter. Zum Glück war Alan Wilson aber genau das. Geboren in Massachusetts, hatte er einen Abschluss in Musik von der Boston University und besaß ein enzyklopädisches Wissen über den Blues. Nachdem er in den Cafés von Boston solo aufgetreten war, zog er im Sommer 1965 nach Kalifornien, um seinem Freund, dem Gitarristen John Fahey, bei der Fertigstellung seiner Diplomarbeit über den Delta-Blues-Pionier Charley Patton an der UCLA zu helfen. Es war Fahey, der Wilson aufgrund seiner chronischen Kurzsichtigkeit und akademischen Veranlagung den Spitznamen „Blind Owl“ verlieh.
Wilson war vom Blues genauso besessen wie Bob Hite. 1964 hatte der 20-Jährige die vergessene Blueslegende Son House ausfindig gemacht und auf Bitten des Produzenten John Hammond Sr., dem alten Mann beigebracht, „wieder wie Son House zu spielen“. Wilson spielte dann auf seinem 1965er Album FATHER OF THE DELTA BLUES Gitarre und Mundharmonika, die beiden sollten in den folgenden Jahren zudem gemeinsam auftreten.
Als Wilson und Fa-hey nach L.A. kamen, lernten sie Hite kennen. Wilson nahm seine Gitarre zu seinem zukünftigen Bandkollegen mit, wo Hite anfing, zu den alten Bluesplatten mitzusingen. „Alan zeigte Bob, dass er die Gitarrenparts spielen konnte, und sie fingen an, zusammen Musik zu machen“, erinnert sich Hansen. Alan Wilson war so introviert, wie Bob Hite extrovertiert war. Wilson war ein begeisterter Amateur-Wissenschaftler und früher Umweltaktivist, der Blätter und Bodenproben sammelte. Die Natur faszinierte ihn so sehr, dass man es als Besessenheit bezeichnen konnte, ebenso wie die Musik. Er war hochintellektuell und konnte Gespräche über viele Arten von Musik führen, nicht nur Blues. Unter anderem interessierte er sich für Klassik aus Indien, die sich später auf ›On The Road Again‹ niederschlagen sollte. Das Stück basierte auf einem Floyd-Jones-Cover des 1928er Klagelieds ›Big Road Blues‹ von Tommy Johnson. Ein weiteres Lied von Johnson, ›Canned Heat Blues‹, verhalf Wilson und Hite auch noch zu einem Namen für ihre neue Band. „Canned Heat“ war ein Spitzname für Sterno, eine Brennpaste aus Äthanol und Methanol, die arme Leute tranken, um sich zu berauschen – mit oft tödlichem Ergebnis. Wilson und Hite wussten es zwar damals nicht, aber der lebensgefährliche Ursprung ihres Namens sollte sich als bittere Ironie erweisen…
Hallo Max,
mit Interesse habe ich Deine Ausführungen zu Canned Heat gelesen.
Vieles davon ist wohl wahr, z. B. die Meinung, das man die Leistung der Band neu zu bewerten hat. Sie spielt bis heute eine spezielle Mischung aus verschiedenen Stilrichtungen, die unverkennbar ist.
Auf der anderen Seite lässt Du Dich aber meines Erachtens zu sehr davon leiten, eine reißerische Reportage abzuliefern. Äußerungen wie die, dass man der Band Latzhosen verpasst habe, damit ihr schäbiges Äußeres nicht so auffalle (z. B. Henry wegen angeblicher Ölflecken oder Bob und Alan wegen verschmutzter Kleidung) sind einfach an den Haaren herbeigezogen und reduzieren die Band auf eine Ansammlung dreckiger Raufbolde.
Das hat die Band nicht verdient!
Sicher, sie sind oft in ihren Alltagsklamotten aufgetreten, so wie viele andere Bands auch, das kann man in unzähligen alten Clips sehen, aber, wie sagte Bob: „My mother grew up a clean son.“
Der „Bär“ und die „blinde Eule“ brachten Musiker dazu, wieder ihren eigenen Stil zu spielen, z. B. Son House ,respektierten Rechte an Veröffentlichungen, bevor sie ein Cover herausbrachten, und vieles mehr.
Bitte achte bei Deinen Beschreibungen mehr auf Fakten als auf vielleicht gern gelesene Überschriften, die nur Leser sammeln sollen.
Vielen Dank für Dein Verständnis.