Introspektive Solonummern samt Floyd-Reminiszenzen
Es ist wohl kein Zufall, dass die Grundzüge des Pink Floyd zitierenden Titeltracks ›Luck And Strange‹ von einer 2007er Jam-Session mit den ehemaligen Kollegen Nick Mason und Rick Wright stammen. Der schlurfende, sich fast scheu in Gang setzende Slow-Blues ist eine hypothetische und in vagen Andeutungen verharrende Legierung aus ›Shine On You Crazy Diamond‹ und ›Dogs‹, allerdings ohne die flirrende Magie des Jahres 1975, zum Glück auch noch die bestürzende Zerrissenheit von ANIMALS. Eines wird dennoch schnell klar: Obwohl der britische Ausnahmemusiker mit dem Lebenswerk seiner aufgelösten Band nicht komplett abgeschlossen hat (in ›Scattered‹ gibt es sogar eine unverhohlene Reminiszenz an das ikonische Echolot-Intro von ›Echoes‹), ist sein neues Soloalbum LUCK AND STRANGE der konsequente Nachfolger von ON AN ISLAND (2007) und RATTLE THAT LOCK (2015). Gilmour frönt abermals einer romantisch verklärten Altersgelassenheit, singt mit sonorem Nachdruck und gebührender Eindringlichkeit die poetischen Texte seiner Ehefrau Polly Samson, um die Platte zur family affair zu machen: Tochter Romany taucht in ›Yes I Have Ghosts‹ als Harfenistin und Sängerin ebenso auf wie Sohn Gabriel als Background-Sänger. Und so bahnen sich überwiegend introspektive Nummern ihren Weg durch ein Werk, das perfekt gespielt, perfekt produziert und kompositorisch zu 100 Prozent nach Gilmour klingt. Allerdings auch recht zurückhaltend, denn wirklich handfest wird es nur im schroff instrumentierten ›Dark And Velvet Nights‹, das Erinnerungen an seine frühe Soloscheibe ABOUT FACE weckt. Am Ende spendiert der 78-Jährige noch ein originales Floyd-Leckerli, das er von THE ENDLESS RIVER (2014)aufgespart hat: den 14-minütigen „Barn Jam“ von ›Luck And Strange‹ mit Wright und Mason – fast zu schön, um wahr zu sein!
8 von 10 Punkten
David Gilmour
LUCK AND STRANGE
SONY MUSIC