Hit-Album mit Überlänge
All diese Umstände hatten zur Folge, dass zwischen dem 1983er-Werk PYROMANIA und dem 1987 erschienenen HYSTERIA vier Jahre vergingen, was für die damalige Epoche viel Zeit war. Für die Vermarktung war dies hinderlich, da die Band durch die lange Pause gewissermaßen „weg vom Fenster“ war. Doch Collen sieht es heute als Vorteil. „Es gab viele Rückschläge während der Produktion und benötigte viel Zeit, bis wir den Sound gefunden hatten, den wir anstrebten“, sagt er. „Aber am Ende hatte es sein Gutes, denn wir konnten noch intensiver an den Songs arbeiten. In der Frühphase hätten sie noch nicht so reif geklungen. Erst dadurch, dass wir drei Jahre lang mit den Songs lebten, sind sie zu dem geworden, was sie sind.“ Mit knapp 62 Minuten Spielzeit ist HYSTERIA für die damalige Zeit ein recht umfangreiches Album geworden und eines der längsten, das auf einer einzelnen LP veröffentlicht wurde. Der Grund dafür ist lapidar. „Ich finde, dass alle zwölf Songs großartig klingen und prima miteinander harmonieren“, so Phil. „Mutt erklärte uns damals, dass CDs auf dem Vormarsch seien und sich Vinyl nicht mehr so gut verkaufe. Auf einer CD sei eine Spielzeit von knapp über einer Stunde kein Problem. Also mussten wir uns darüber keine Gedanken mehr machen. Warum hätten wir also ein Lied rausnehmen und die Balance der Tracks zerstören sollen? Klar, man hätte die Vinyl-Version als Doppelalbum herausbringen können, aber wir haben uns dagegen entschieden und es nur als A- und B-Seite veröffentlicht, da die Menschen zu der Zeit ohnehin das Interesse an Vinyl verloren.“
Geld spielt keine Rolle?
HYSTERIA ist eines der teuersten Alben, die jemals in Großbritannien produziert wurden. Def Leppard mussten schlappe fünf Millionen Einheiten verkaufen, um die Produktionskosten einzuspielen. Der Druck, erfolgreich sein zu müssen, war sicher gewaltig, oder? „Natürlich fühlt man sich unter Druck“, gibt Phil Collen zu. „Als ich nach dem Studioaufenthalt die Rechnung gesehen habe, habe ich große Augen gemacht und dachte nur, oh mein Gott, wir werden das nie im Leben wieder einspielen und unser Leben lang Schulden haben‘. Als das Album heraus kam, lief es anfangs auch nicht so gut wie erhofft.“ Zunächst wurden „nur“ drei Millionen Einheiten abgesetzt. Doch glücklicherweise hatte Lange darauf bestanden, den Song ›Pour Some Sugar On Me‹ noch aufzunehmen. Eine Nummer, die in letzter Sekunde entstand und den Veröffentlichungstermin zum Leidwesen des Labels nochmals verzögerte. „Als diese dritte Single veröffentlicht wurde, wandte sich alles zum Guten und HYSTERIA schoss auf Platz 1 vieler Charts und diverse Singles in die Top 5“, rekapituliert Collen. „Es war der Wahnsinn, wie viel diese Single verändert hat. Ich würde rückblickend nicht von Druck sprechen, sondern eher von einer gewissen Angst angesichts dieser riesigen Summen. Aber Mutt wollte mit uns das beste Album machen, das möglich ist. Daher sagten wir, Geld spielt keine Rolle, wir wollen einfach das größte künstlerische Statement machen, das möglich ist‘.“ Und das zahlte sich am Ende doch noch aus. In Großbritannien, Australien und den USA stand HYSTERIA an der Pole Position der Charts. 96 Wochen lang hielt es sich in den Top 40 der US-Charts und wurde von der RIAA mit Diamant-Status (über zehn Millionen verkaufte Einheiten in den USA) gewürdigt. Sieben Singles wurden insgesamt ausgekoppelt, neben ›Pour Some Sugar On Me‹ waren dies ›Women‹, ›Animal‹, ›Love Bites‹, ›Hysteria‹, ›Rocket‹ und ›Armageddon It‹ und bis heute ist HYSTERIA über 30 Millionen mal über die Ladentheken gegangen. „Dieses Album war für uns aufgrund der damit verbundenen Geschichten eine sehr persönliche Sache“, reflektiert Collen. „Ich mag es, zurück zu blicken und bin stolz auf das, was wir erreicht haben. Solche Erfolgsgeschichten sind wirklich rar. Aber in unserem Fall kann man es wirklich als solche bezeichnen.
Elliots magisches Bandarchiv
Bei den aktuellen Neuauflagen haben Fans die Qual der Wahl zwischen einer Super-Deluxe-Version mit fünf CDs, zwei DVDs, vier Büchern und Tourposter und der Deluxe-3fach-CD – jeweils mit Liner-Notes und Bonus-Material wie B-Seiten und Live-Tracks, wobei vor allem die Audio-Version des Konzertvideos IN THE ROUND IN YOUR FACE, das 1988 in Denver mitgeschnitten wurde, besonderes Interesse hervorrufen dürfte. Zusätzlich gibt es auch eine Standard-CD und eine Doppel-LP. „Es sind viele Songs darauf vereint, die über die Jahre hinweg auf diversen Releases umherschwirrten“, erläutert Phil Collen. „Wir müssen Joe Elliot danken, da er extrem viel Zeit investiert hat. Er war es, der all die verschiedenen Demos und 12‘‘-Versionen gesammelt hat. Er ist sozusagen das Bandarchiv. Diese Wiederveröffentlichung hat ihn viel Arbeit gekostet. Und er war es, der sichergestellt hat, dass alles cool wird.“ Zusätzlich wurde das Originalalbum neu gemastert, was Collen als weiteren klanglichen Fortschritt sieht. „Bei uns klangen die Alben nach jedem Remastering besser als zuvor“, findet er. „Sie wurden lauter und klarer und bekamen mehr Druck. Ich finde es großartig, wenn man die Fortschritte der Technik für sich nutzen kann.“ Das werden Def Leppard sicher auch in Zukunft tun.