Poison sind seit jeher ein giftiger Stachel in der so dünnen Haut des guten Geschmacks. Schon zu Anfangszeiten schossen sie den bunten Vogel ab. So bei ihrem Debütalbum LOOK WHAT THE CAT DRAGGED IN, auf dessen Cover die vier mit allen bunten Farben angeben, die ihre Schminkkästchen so hergegeben haben. Mit dieser Kriegsbemalung scheinen sie ihren bandinternen Poison-Duck-Face-Wettbewerb 1986 auszufechten. Eine solche längst verjährte Sünde ist allerdings aus zwei Gründen zu verzeihen: Erstens ist dieses „Kunstwerk“ als Zeitdokument einer fehlgeleiteten Popkultur von historischer Bedeutung, zweitens ist es doch irgendwie cool.
Was war aber 2002 los? Gut, zur Jahrtausendwende ging es der L.A. Rockszene wirklich nicht gut, aber ein solches Armutszeugnis muss sogar bei einem Glam Rock verachtenden Seattle Head aufrichtiges Mitleid erweckt haben. Auf den ersten Blick funktioniert das Cover von HOLLYWEIRD ja noch: „Geil, die is‘ ja nackt!“ Doch dann folgen ein zweiter, dritter und endgültig verstörender vierter Blick auf diese Szene, die so sehr aus dem Leben gegriffen ist. Das Tattoo, das die Rückansicht der Dame schmücken soll, ist keine Glanztat eines Tätowierers. Noch viel weniger aber die eines besonders guten Grafikers. Diesem ist es auch zu verdanken, dass die Ritze der vier Meter großen Bikerin von einem kurzerhand eingefügten, neongrünen Totenkopf verdeckt wird – schließlich möchte man ja geschmackvoll bleiben. Da man von den Glamern schon lange fragwürdige Kopfbedeckungen gewohnt ist, soll erst gar nicht auf den Schlapp-Lack-Stetson eingegangen werden. Nun aber zur Band. Poison zeigen sich – warum auch immer – von ihrer schönsten Werbetafel-Seite. Immerhin schließt sich an dieser Stelle der Kreis zu Poisons erstem Artwork: Bret Michaels‘ Lippen sind voller denn je – voll von Botox.