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Deep Purple – „Die ganze Sache hätte auch mächtig schief gehen können“

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Deep Purple – „Die ganze Sache hätte auch mächtig schief gehen können“

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Auch wenn ihr nicht im Casino in Montreux aufnehmen konnten, ist in der Jubiläumsversion von MACHINE HEAD ein Mitschnitt von eurem dortigen Konzert von 1971 enthalten. Was hat euch damals so gut gefallen, dass ihr dir Platte dort machen wolltet?

Die Studios in Europa und im UK damals waren nicht darauf ausgelegt, verstärkte Instrumente aufzuzeichnen. Als man schließlich damit begann, mehrspurig aufzunehmen, waren die Kontrollräume dieser Studios zwar meistens auf dem neuesten Stand der Technik, die Aufnahmeräume jedoch nicht. Sie klangen flach und tot. In manchen Hallen, in denen wir spielten, war der Sound hingegen ziemlich gut. Unsere Instrumente klangen voll und satt, das empfanden wir als sehr befriedigend. Wenn du als Schlagzeuger in einen Raum kommst, einmal auf deine Drums haust und es macht nicht „Bang“ sondern nur dumpf „pff“, dann hast du keine Lust zu spielen. Deswegen wollten wir raus aus dem Studio und rein in einen Raum, der gut klang, wie in Montreux. Und die einzige Möglichkeit, das umzusetzen, war mit einem mobilen Aufnahmeraum, den die Rolling Stones hatten. Die Grundidee war also wirklich perfekt. Bis dieser Idiot das Casino abfackelte. (lacht)

Kennst du irgendeine andere Geschichte, die mit der von MACHINE HEAD mithalten kann?

Es gibt einige großartige Rock’n’Roll-Geschichten auf dieser Welt, aber bisher nicht. (lacht) Doch ich bin sicher, gerade in diesem Moment plant eine junge Band da draußen etwas…

Wie nimmst du am liebsten auf?

Hauptsache schnell. (lacht) Wenn man etwas zwanzig mal aufnehmen muss, ist es nichts. Es kann dann zwar perfekt sein, aber es wird komplett langweilig. Leblos. Nicht mehr interessant. In den ersten Takes liegt meistens die Magie, auch wenn es vielleicht nur zu 95% korrekt ist. Glaub mir, das reicht. Man ist motiviert, aufgeregt, freut sich darauf, etwas Neues aufzunehmen – zehn Takes später reproduzierst du nur noch das, was du vorher gemacht hast. Jemand hat mir mal von einer Session mit Elton John erzählt: Wenn der richtige Take nach zwei oder drei Versuchen nicht dabei war, brach Elton die Session ab und machte erst am nächsten Tag weiter.

Du wolltest immer ›When A Blind Man Cries‹ auf diesem Album haben, Ritchie nicht. Wo in der Tracklist hättest du den Song platziert?

So weit sind wir gar nicht gekommen. Ritchie wollte eine richtig harte Platte machen, um klarzustellen, dass die Orchestergeschichte, die wir mit Jon [Lord] gemacht haben, eine einmalige Angelegenheit war. Bis heute ist Blind Man eine wundervolle Ballade, die auf die Platte gehört hätte. Ein Stück Blackmore-Magie, für mich eines der feinsten Stücke, das er je gespielt hat. Aber er wollte es nicht auf der Platte wissen. Da kann man nichts machen. Er würde wahrscheinlich bis heute sagen, dass seine Entscheidung richtig war. Ich denke, es war ein kleiner Fehler für uns als Band und ein großer Fehler für den Song.

Gibt es noch etwas anderes, das du an MACHINE HEAD nicht mochtest?

Auf jeder Platte gibt es wahrscheinlich einen Song, der mir egal ist oder den ich nicht mag. Aber wenn die anderen ihn mögen, gibst du dir die größte Mühe, diesen Track gut zu spielen, um sie glücklich zu machen. Never Before ist für mich der schwächste Song auf dem Album. Wir versuchten, etwas Kommerzielles zu schreiben und das ist kein guter Songwriting-Ansatz. Wäre das Lied geflogen und dafür Blind Man auf MACHINE HEAD, hätten wir meiner Meinung nach ein noch stärkeres Album erschaffen.

So etwas ist in der Situation selbst wahrscheinlich schwer einzuschätzen. Man schreibt ja auch nicht ›Smoke On The Water‹, weil man denkt: ‚Das wird jetzt das ikonischste Gitarrenriff der Rockmusik‘.

Nein. So etwas kreieren nicht die Musiker, das macht die Öffentlichkeit. Ich bin mir sicher, als die Stones Satisfaction schrieben, dachte sie sich: ‚Ja, das ist okay‘. (lacht) Das Publikum trifft diese Entscheidungen und wenn du Glück hast, dann trifft es diese Entscheidung manchmal zu deinen Gunsten. Du kannst die beste Platte zur falschen Zeit machen und niemand interessiert sich dafür. Du kannst eine durchschnittliche Platte zur richtigen Zeit machen und jeder kauft sie.

Die Genese von MACHINE HEAD lebt von seltsamen Vor- und Zufällen. Glaubst du eher an den Zufall oder an das Schicksal?

Ich glaube nicht ans Schicksal, ich bin kein religiöser Mensch. Ich glaube an Zufälle und ich glaube an Glück und Timing. Wäre ich in genau derselben Minute am selben Tag im selben Jahr in Bulgarien geboren, wäre mein Leben völlig anders gelaufen. Doch wurde ich zur richtigen Zeit im richtigen Land geboren, um das tun zu können, was ich liebe. Außerdem hatte ich das Glück, etwas zu finden, von dem ich wusste, dass ich es kann. Schon bevor ich ein Schlagzeug geschenkt bekommen hatte und noch mit den Stricknadeln meiner Mutter trommelte, verstand ich, wie dieses Instrument funktionierte. Ich wusste, warum die eine Hand das machte und die andere das. Als ich mit 15 Jahren mein erstes Set bekam, konnte ich die einfachen Sachen sofort spielen, ohne sie zu üben. Einem meiner guten Freunde, Gary Moore, ging es genauso mit seiner Gitarre. Er wusste einfach, wie die Akkorde geformt sind. Man hat eine Verbindung zu diesem Instrument, es macht Sinn, man ist anderen ein halbes Jahr voraus. Wenn du etwas findest, das du magst und kannst, dann bleib dran. Ohne Kompromisse. So war das bei mir und ich habe mich danach nie wieder umgedreht. Ich wollte und konnte nichts anderes tun. Trotzdem gibt es bestimmt tausend andere Typen, die damals genauso an sich glaubten und denen keine Musikkarriere vergönnt war. Da kommt das Glück ins Spiel. Als ich Ritchie zum ersten Mal in Hamburg traf, spielte ich mit meiner damaligen Band im Star Club. Ein Jahr später erinnerte sich Ritchie an den Drummer, also an mich, und wir fanden zueinander. Glück, Zufall – sie markieren oft die wichtigsten Zeitpunkte in deinem Leben.

Als MACHINE HEAD entstand warst du in deinen Zwanzigern. Was ist der größte Unterschied zwischen dem Ian damals und dem Ian heute?

Damals war ich in meiner körperlichen Blüte. Klar sieht das 50 Jahre später anders aus. Manche Dinge werden schwieriger. Es ist nicht so, dass ich etwas nicht mehr spielen kann, aber manches davon muss ich mir etwas einfacher legen, um dasselbe Ergebnis mit weniger Aufwand zu erzielen. Man wird effizienter. In meinem Kopf bin ich immer noch ein 15-jähriger Teenager, aber meine Muskeln sagen mir etwas ganz anderes. (lacht)

Du bist das einzige Mitglied, das immer bei Deep Purple war. Wie hast du das geschafft?

Ich glaube fest daran, dass man die Geschenke und das Glück, das man erhält, respektieren muss. Ich habe einen der besten Job in der Welt, warum sollte ich den aufs Spiel setzen? Ich weiß, dass Deep Purple viele Line-Up-Wechsel auf dem Buckel hat, das hatte jedoch nie etwas mit mir zu tun. Ich versuchte immer, alles zusammenzuhalten. Es ist das schlimmste Gefühl der Welt, wenn du gerade noch eine Band hast und ein paar Stunden später liegt deine Band in Scherben. Das sieht man bei sehr vielen Bands heutzutage, sie bleiben ein paar Jahre zusammen, lernen ihr Handwerk, landen vielleicht einen Hit und dann lösen sie sich auf. Das sollte man nicht tun, all die vorherige Arbeit ist doch dann beim Teufel. Eine gute Freundin von mir, eine berühmte Frau, hatte einen untreuen Ehemann. Sie fand es heraus und ließ sich nicht scheiden, weil die daraus resultierenden Probleme noch schlimmer gewesen wären. So sehe ich das bei Bands auch: Bleibt zusammen.

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