Zum Abschluss seiner „Trainspotting“-Saga bringt Irvine Welsh Renton, Sick Boy, Begbie und Spud ein letztes Mal zusammen. „Die Hosen der Toten“ ist ein Buch darüber, wie Freundschaft funktioniert, es zeigt seine Figuren im Kampf mit sich selbst und auf der Suche nach Erlösung.
Mit „Trainspotting“, seiner episodenhaften Erzählung über gelangweilte Jugendliche im Strudel von Sex, Drogen und Gewalt, gelang Irvine Welsh einer der Romane der 90er. Drei Jahre später brachte die Filmadaption von Danny Boyle Struktur und Linie in die Handlung, und wurde zu einem der Filme der 90er. Schauplatz war hier wie da Leith: ein Stadtteil von Edinburgh, geprägt von der untergehenden Arbeiterklasse. In seinem Debüt schuf Welsh die Figuren, die auch durch viele seiner späteren Bücher stolperten. In „Porno“ brachte er die Kerngruppe aus Mark Renton, Sick Boy, Frank Begbie und Spud Murphy ein zweites Mal zusammen. 2002 war das, es ging, wie der Titel schon sagt, um Pornografie. Und darum, alte Schulden zu begleichen. Mit „Skagboys“ kam zehn Jahre später ein Prequel raus, jetzt ist der letzte Teil der Reihe da: „Die Hosen der Toten“.
Die Handlung, die von 2015 bis 2016 spielt, wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Im Zentrum: Renton, DJ-Manager und frisch verliebt. Alles fängt damit an, dass er auf einem Flugzeugklo seiner Angstfigur in die Arme läuft: Frank Begbie, den er wie die ganze frühere Clique mal um Geld betrogen hat. Wie sich herausstellt, hat Begbie seinem alten Leben als gewalttätiger Psychopath (scheinbar) abgeschworen und ist jetzt Künstler in Los Angeles. Eines seiner Kunstwerke ist es auch, das die alte Crew inklusive Spud und Sick Boy wieder zusammenbringt. Spud ist noch immer Junkie, Sick Boy führt eine Escort-Agentur.
Allen voran wirkt Sick Boy mit seinen frauenfeindlichen, homophoben Sprüchen in der Gegenwart von #MeToo aus der Zeit gefallen. Sieht auch Welsh so. „Sie alle sind Überbleibsel einer Working Class, die es so heute nicht mehr gibt“, erzählt der Autor in tiefstem schottischen Dialekt. „Das Ende des Patriarchats, der industriellen Gesellschaft, des traditionellen Katholizismus, damit haben sie zu kämpfen.“ Es ist eine Art alter Männlichkeits-Freundschafts-Kult, dem die Figuren anhängen. Der aber auch insofern ausgehöhlt ist, als sie sich, immer wenn sie können, gegenseitig übers Ohr hauen. „Dennoch fühlen sie sich verbunden“, so Welsh. „Diese Art von Freundschaften sind stark in den Teens und in den 20ern, dann läuft man ein bisschen weg davon, wird zum Individualisten. Aber diese Freunde sind wie eine erweiterte Familie. Auch da kommt es vor, dass man sich lange nicht sieht, aber die Verbindung bleibt.“
Es gibt zwei Situationen, in denen jedes Misstrauen der Romanfiguren gegeneinander wegzufallen scheint: Als der gemeinsame Lieblingsverein, die Hibs, den Pokal gewinnt, und als sie die Droge DMT nehmen, die selbst Atheisten zu Gläubigen macht. Ansonsten wirken sie in ihrer Unfähigkeit, ihr eigenes Tun zu reflektieren, tragisch und lächerlich zugleich. Würde jeder statt auf den eigenen Vorteil mehr auf den der anderen schauen, würde es allen besser gehen, denkt man. Aber eben dieses Unvermögen, zu sich selbst Distanz aufzubauen, gehöre zum Menschsein dazu. „Wir sind alle lächerlich“, so Welsh.
In „Trainspotting“ sei es um Betrug gegangen, in „Porno“ um Rache. „Die Hosen der Toten“ nun drehe sich um Erlösung, sagt der Autor am Ende. Renton will seine Schulden bei seinen Freunden begleichen, Frieden machen. Es ist eine Erlösung, die brüchig bleibt, bis zum letzten Satz.