Das Coronavirus hält die Welt weiter fest im Griff und so ist es klar, dass viele Bands nicht nur ein Werk komponieren, das als „Pandemiealbum“ in die Annalen der Geschichte eingehen wird. Auch ELDOVAR – A STORY OF DARKNESS & LIGHT trägt dieses Etikett. Es vereint die Früchte zweier grandioser Bands unter seinen sphärischen Schwingen und ist das zeitlose Ergebnis der künstlerischen Fusion aus der Berliner Institution Kadavar und den amerikanischen Proggern von Elder. Im Interview mit CLASSIC ROCK erzählen Tiger Bartelt (T) und Michael Risberg (M) vom Schaffensprozess einer musikalischen Ausnahmeerscheinung.
Wann haben sich eure Wege zum ersten Mal gekreuzt?
T: Wir kannten uns zwar flüchtig von Festivals, doch alle gemeinsam sind wir zum ersten Mal hier in unserem Studio zusammengekommen. Das war Ende 2020.
Warum habt ihr euch dazu entschlossen, gemeinsam Musik zu machen?
M: Nick und ich haben ja zahlreiche Nebenprojekte, mit einem davon wollten wir bei Tiger im Studio aufnehmen und so hat sich das Ganze dann ergeben. Als sich herauskristallisierte, dass die Pandemie noch länger andauern würde, schlugen Tiger und Lupus vor, zu kollaborieren. Als es sich wieder sicherer anfühlte, sich mit Menschen zu treffen, wollten wir diese freie Zeit nutzen, die es wahrscheinlich in dem Maße für Musiker nie wieder geben wird. Wobei es ja gerade wieder schwer danach aussieht, dass das mit der Freizeit noch etwas anhält.
Und war dann sofort klar, dass daraus ein Album werden soll?
M: Ich persönlich plane nicht wirklich. Aber es schadet natürlich nicht, ein tolles Studio zu haben, in dem man unbegrenzt Zeit verbringen kann. Das nimmt ein wenig Druck raus.
T: Im März dieses Jahres hingen wir ein Wochenende gemeinsam ab, das endete damit, dass wir ›From Deep Within‹ geschrieben hatten. Erst danach dachten wir ernsthaft darüber nach, mehr daraus zu machen. Den Großteil der Songs haben wir dann im Mai aufgenommen, Ende Juni habe ich die Masters abgegeben.
Wie habt ihr das Ganze dann bei dem aktuellen Vinylstau so schnell auf Platte gepresst bekommen?
T: (lacht) Wir sind bei einer sehr guten Plattenfirma! Die haben sich darum gekümmert. [ELDOVAR erscheint bei Kadavars eigenem Label Robotor Records; Anm. d. Red.] Na ja. Sobald klar war, dass wir ein Album machen würden, haben wir sofort einen Termin im Presswerk reserviert.
In welcher Stimmung wart ihr während des Aufnehmens?
T: Ich kann da jetzt nur für mich sprechen, aber ich glaube, wir alle wollten kreativ bleiben. Außerdem war ich noch nicht bereit für die nächste Kadavar-Platte. Da war es eine gute Sache, diese seltsame Zeit für Dinge zu nutzen, die wir sonst nicht tun können. Am Ende haben wir etwas erschaffen, das außerhalb der Komfortzone beider Bands lag. Das hat uns alle glücklich gemacht und war das, was ich mir erhofft hatte.
Apropos Komfortzone: Was waren die Hauptunterschiede zwischen den beiden Bands beim Arbeiten?
M: Meiner Erfahrung nach – und ich bin ja eher noch frisch dabei – sind wir mit Elder sehr durchgeplant. Nick geht in seine Batcave, entwickelt Ideen und dann arbeiten wir sehr lange, manchmal Jahre, daran. Unser Songwriting ist recht kalkuliert, nicht auf sterile Art und Weise, aber sehr sortiert und präzise. Bei der Kollaboration mit Kadavar haben wir etwas lockerer aus der Hüfte geschossen, das fand ich cool. Außerdem war die Herangehensweise auf ELDOVAR etwas mehr auf die Vocals konzentriert, die Gesangsharmonien waren sehr früh Teil des Songwritings, was mir persönlich gut gefallen hat, da ich eher aus der Classic-Rock-Richtung komme.
T: Ich würde sagen, wir von Kadavar sind etwas limitierter, bezogen darauf, was wir mit unseren Instrumenten tun können. Wir sind gut in dem, was wir tun, schöpfen aber nicht aus so einer breiten Palette wie Mike und Nick, wenn es darum geht, neue Ideen auf der Gitarre zu präsentieren. In einem musikalischen Kontext sind wir da etwas begrenzter, dafür aber sehr stark ins Songwriting involviert. Am Ende passte das mit unseren Bands einfach sehr gut zusammen.
Gab es irgendwelche Hindernisse auf eurem Weg, harte Nüsse zu knacken?
T: Tatsächlich lief alles zu 95 % total geschmeidig. Es gab keine Deadline, keinen Druck. Aber es gibt da diesen einen Akustik- Song, der anfangs noch total anders klang. Für mich persönlich kam ›In The Way‹ am schwierigsten zustande.
M: Der Song wurde oft umgeschrieben. Der Track endet in einer Art psychedelischen Jam und es hat uns überraschend viel Energie gekostet, die Struktur und das Konzept so hinzubekommen. Die Idee dazu ist auf meinem Mist gewachsen und ich bin echt ein beschissener Bandleader, ich kann keine Leute herumkommandieren, da hab ich bestimmt auch etwas Zeit verplempert. (lacht)
Man würde eher denken, dass elfminütige Stücke wie ›Blood Moon Night‹ lange brauchen.
T: Im Endeffekt stecken da ja fünf verschie- dene Songs drin. Die Grundidee dazu entstand ganz am Anfang, schon bevor wir überhaupt anf ingen, uns regelmäßig zu treffen. Wir hatten also zahlreiche Wochen, um uns etwas zu überlegen. Klar brauchte dieser Track seine Zeit, aber es war nicht schwer, ihn zu machen.
Wann ist das Konzept um hell und dunkel entstanden?
T: „The darkness and light“ kommt im Text von ›From Deep Within‹ vor. Wir hatten echt ein bisschen Probleme damit, einen Titel zu finden, bis wir die Lyrics nochmal durchgingen und das schließlich daraus exzerpierten. „A Story Of Darkness & Light“ hat sofort einen Nerv getroffen, weil es auf sehr einfache Art
und Weise das illustriert, was auf dem Album geschieht. ELDOVAR bildet ein sehr breites Spektrum ab, vereint helle und dunkle Anteile in sich. Es war eine logische und passende Wahl.
Was war die lohnendste Erfahrung an diesem Prozess?
T: Außerhalb der eigenen Komfortzone zu agieren und sich mit anderen Musikern zu umgeben, weil wir zu der Zeit nicht viele Kontakte pflegten. Es fühlt sich schlichtweg gut an, wenn du mit anderen etwas erschaffen kannst, nachdem du ständig alleine warst. Wenn du nicht jeden Tag denselben Tag durchlebst. Wir haben das wirklich gebraucht.
M: Für mich ist das Album eine Zeitkapsel, in der wir eine besondere Phase eingeschlossen haben. Einen Zeitabschnitt, der von ziemlich viel Dunkelheit, aber auch Helligkeit geprägt war.
Eure beiden Bands haben es mit ihren letzten Alben ruhiger angehen lassen, ELDOVAR – A STORY OF LIGHT & DARKNESS ist auch eher sphärisch. Was darf man als Nächstes von euch erwarten?
T: Um ehrlich zu sein: Ich habe absolut keine Ahnung, es gibt noch kein Konzept. Wir befinden uns gerade in der Findungsphase. Heute haben wir uns zum ersten Mal getroffen, um dieses Thema zu besprechen, aber erst einmal müssen wir jetzt viele Ideen sortieren. Wahrscheinlich werden wir aus all unseren vergangenen Alben schöpfen, dabei jedoch auch gleichzeitig eine neue Richtung definieren. Bestimmt wird der Fokus sich aber wieder stärker auf die Gitarre legen.
M: Wir von Elder sind schon fast mit unserer neuen Platte fertig, sie wurde im August aufgenommen. Sie klingt wieder etwas härter, enthält aber auch einige tiefere, psychedelische Passagen. Im Januar geht es dann ans Mischen.