Im Jahr 1971 sind sie zweifellos die Stars der Szene – schließlich haben sie innerhalb von zwei Jahren drei erfolgreiche Alben veröffentlicht. Doch erst mit ihrem vierten Album steigen Led Zeppelin schließlich zu Superstars auf: IV ist ein Ikonen-Album des Siebziger-Rock, die Songwriting- und Produktionsphase hat allerdings ihre Tücken…
Das Jahr 1970 neigt sich dem Ende zu, und mit ihm scheint auch eine Ära vorbei zu sein. Im April haben sich die Beatles aufgelöst, im September stirbt Jimi Hendrix, kurz darauf Janis Joplin. Und den Rolling Stones, zumindest die zweitgrößte Band der sechziger Jahre, sitzt die Steuerfahndung im Nacken, weshalb sie drauf und dran sind, die Koffer zu packen und nach Südfrankreich überzusiedeln. Die sechziger Jahre mochten, popmusikalisch betrachtet, eine einzige große Party gewesen sein – doch jetzt herrscht zunehmend Katerstimmung.
Nichtsdestotrotz tut sich etwas: Deep Purple haben mit IN ROCK ihren Stil signifikant verändert und einen großen Erfolg gelandet, Pink Floyd setzen mit ATOM HEART MOTHER eine weitere Wegmarke auf ihrem Karrierepfad von der Untergrund-Band zum Massenphänomen. Der Wachwechsel deutet sich an, ist aber noch nicht ganz vollzogen. Das Jahr 1970 als „popmusikalisches Vakuum“ zu bezeichnen, wäre sicher übertrieben – aber es ist zweifellos ein Jahr des Übergangs. Und keine Band der Welt verkörpert dieses „Hinübergleiten“ der sechziger in die siebziger Jahre besser als Led Zeppelin.
Ende 1968 gegründet, haben sie zwei Jahre später bereits drei Alben veröffentlicht, wobei Nummer zwei und drei sowohl in England als auch in den USA den Chart-Platz eins erreicht haben. Sie konnten zudem mehrere US-Tourneen absolvieren, gelten als die Band der Stunde – allerdings nur beim Publikum.
Die Musikpresse, in weiten Teilen dem kalifornischen Hippie-Ethos verhaftet, scheint Led Zeppelin zu hassen. Zu vordergründig, zu kommerziell, zu konstruiert, lauten die Vorwürfe, befeuert vom in der Tat recht großspurigen Auftreten der Band und ihres Managers Peter Grant. Jahre später bringt der amerikanische „Rolling Stone“ all diese Vorbehalte auf den Punkt: „Gib einem Engländer 50.000 Watt, einen Charter-Jet, ein bisschen Kokain und ein paar Groupies – und schon hält er sich für einen Gott.“ Die aufgeklärte Rock-Journaille der frühen Siebziger will aber keine Götter, sondern bodenständige Folk-Poeten und anspruchsvolle Singer/Songwriter. Rock’n’Roll, der laut ist und einfach nur Spaß macht, wirkt in diesem Umfeld irgendwie suspekt.
Led Zeppelin sind eitel genug, endlich auch die Kritiker überzeugen und ihr Image des Hypes, des substanzlosen Marketing-Erfolges, ablegen zu wollen. Wozu sie einen Trick anwenden, der Ahmet Ertegün, dem Chef ihrer Plattenfirma Atlantic Records, die Blässe ins Gesicht treibt. Als man im Herbst 1971 im New Yorker Atlantic-Hauptquartier zusammensitzt, geht es um die Veröffentlichung mit der Katalognummer 7208. Ertegün ist da, Jimmy Page, Peter Grant und natürlich ein paar Anwälte – denn Rock’n’Roll ist längst Big Business, da geht es nicht mehr ohne. Grant erklärt, was Sache ist: Das Artwork des neuen Albums soll, so will es Jimmy Page, ohne Titel auskommen – und ohne Bandnamen. Ertegün kann’s nicht fassen. Kein Name? Kein Titel? Das grenzt an kommerziellen Selbstmord.
Phil Carson, damals England-Chef von Atlantic, erzählt den Kollegen vom britischen CLASSIC ROCK: „Wir dachten, das sei komplett irre. Das Album wäre unverkäuflich. Doch Grant gab nicht nach und sagte: ‚Pass mal auf: Das Album würde sich selbst dann noch palettenweise verkaufen, wenn wir es in eine verfickte braune Papiertüte stecken!‘“ Der Manager, der in der Branche ohnehin den Ruf eines Berserkers genießt, bleibt standhaft. Er weigert sich, die Master-Tapes abzuliefern, bis diese Frage nicht in seinem Sinn geklärt wird. Carson lenkt schließlich ein und versucht, die US-Kollegen zu überzeugen. Denn Led Zeppelin sind damals bei Atlantic für immerhin 20 bis 25 Prozent des Gesamtumsatzes verantwortlich.
Inwiefern auch ästhetische Erwägungen eine Rolle spielen, ist fraglich. Aber als herzhaftes „Leckt uns!“ funktioniert der Trick ziemlich gut. Kein arroganter Journalist kann jetzt noch behaupten, Heerscharen von Rockfans seien irgendwie doof und würden eben alles kaufen, wo nur groß genug „Led Zeppelin“ draufsteht. Auf Nummer 7208 steht nämlich gar nichts – außer einem alten Waldschrat, der ein Bündel Reisig trägt. Auf einer vergilbten Fotografie, die an einer vermoderten Wand hängt. Und wer das Klappcover öffnet, sieht, dass die Wand zu einer Ruine gehört, wobei im Hintergrund bereits ein Hochhaus aus dem Boden gewachsen ist. Einfaches Landleben hier, betonierte Wohnwaben dort.
Richard Cole, einst Zeppelins Tourmanager, erzählt den britischen Kollegen, dass das Foto Robert Plants Idee gewesen sei: „Keiner von uns verstand, warum er ausgerechnet dieses verschissene Stück Müll auf dem Cover haben wollte.“ Begeisterung klingt anders.
Was hat es denn nun auf sich mit dem alten Mann und dem Hochhaus? Jimmy Page äußerte einst, die Band wolle ausdrücken, wie wichtig es wäre, die Schöpfung zu bewahren. Der alte Mann lebe erst in Harmonie mit der Natur, doch dann würde sein Haus platt gemacht, weshalb er fortan in den furchtbaren Vorstadt-Slums leben müsse. Ein frühes Öko-Statement also, kurz nach Alexandras ›Mein Freund, der Baum‹. John Bonham, von schlichterem Gemüt, hat die Sache jedoch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet: Er hält es „für besser, in einem alten Haus zu leben als in einem Wohnblock“. Zweifellos richtig, solange sich die Tapete nicht von der Wand schält.
Zeppelin-Fan Jack White erzählte 2006 im CLASSIC ROCK, wie sehr ihn das Artwork einst beeindruckt hat: „Wenn die Leute über Jimmy Pages Genialität sprechen, vergessen sie oft genug seinen Hang zum Punk, seine Anti-Establishment-Attitüde. Ein Album ohne Titel, ohne Erklärungen zu veröffentlichen, war schon ziemlich gewagt. Für mich hat das mehr mit Punk zu tun, als wenn die Sex Pistols ihren Plattenvertrag vor dem Buckingham Palace unterschreiben.“
Doch als das Album, nennen wir es der Einfachheit halber LED ZEPPELIN IV, im November 1971 erscheint, passiert genau das, was Peter Grant zuvor prophezeit hat: Die Platte erreicht Chart-Platz eins in England, trotz fehlender Beschriftung. In den USA ist immerhin Rang zwei drin, angesichts der Tatsache, dass Led Zeps vorherige und nachfolgende Alben auch dort Platz eins schafften, geht ein halber Punkt also auch an Ahmet Ertegün, der seine Landsleute offenbar richtig eingeschätzt hat.
Gut recherchierter und geschriebener Artikel über eine meiner Meinung nach bedeutendsten Rock -Band der 1970er-Dekade .
Für mich sind die Jungs von Led Zeppelin mit Abstand die innovativsten Musiker in dieser Dekade gewesen.
Die ersten Songs die ich zu hören bekam waren für mich eine Offenbarung, Musik die ergreifender nicht sein konnte.
Selbst aktuell bin ich noch immer fasziniert von der genialen Musikalität dieser einmaligen Band wenn ich mir die LP,s auflege, dann bin ich dafür dankbar diese Zeitspanne in der die meiner Meinung nach beste Rock-Musik wie das Beispiel von Led Zeppelin zeigt entstanden ist.
Eine grandiose Zeit in meinem Leben…….