COSBY STILLS & NASH
DAS LEGENDÄRE TRIO TRIFFT AUCH DIE HOHEN TÖNE
Das Publikum hält spürbar den Atem an, als CSN unbekümmert hereinschlendern und die selbstbewusste und entspannte Aura von langjährigen Kameraden verströmen, die da weitermachen, wo sie aufgehört hatten. Und nach etwa drei Akkorden des passenden ›Carry On‹ treffen sie die Harmonien perfekt, die Menge atmet aus und es wird klar, dass der heutige Abend der letzte dieser UK-Tour und somit vielleicht das letzte Mal, dass diese Herren auf britischem Boden zu sehen sein werden ein besonderer wird.
Bald folgt eine gelassene, countryfiziertere Version von ›Marrakesh Express‹, mit der Crosby den Eindruck
maximalen Gechilltseins noch mal unterstreicht. Wo er ein Buddha-ähnliches Leuchten ausstrahlt, ist Stephen Stills am anderen Bühnenende das Yang zu seinem Yin. Körperlich unruhiger, mit leichten Zuckbewegungen und Ausfallschritten, die er direkt in sein Gitarrenspiel leitet, demonstriert das erste ernsthafte Solo des Abends (›Long Time Gone‹) seinen abgewetzten, präzisen, tigh- ten, aber lässigen Stil auf beeindruckende Art und Weise. Auf ›Southern Cross‹ übertrifft er sich dann umgehend selbst.
Mit bis zu vier Gitarren, sechs Stimmen, der Rhythmussektion, einem Hammond-Spieler und Keyboards, die zu jedem Zeitpunkt Teil des Mixes sein können, dreht sich alles um Schichten. Unter den Höhepunkten des zweiten Teils (CSN spielen drei Stunden) finden sich ›Treetop Flyer‹, das eine so enthusiastische Reaktion hervorruft, dass Crosby und Nash sichtbar berührt sind und auf dem kristallklaren ›Guinnevere‹ umso intensiver spielen.
Manchmal offenbart sich dabei eine Eindringlichkeit und Nachdenklichkeit. Nash sinniert darüber, wie er erstmals 1962 in diesem Saal auftrat, und seither sind definitiv viele Jahre vergangen sein Stück ›Golden Days‹ hätte nicht von einem Jüngeren geschrieben werden können. Was sich nicht verändert hat, ist die ursprüngliche Positivität dieser Laurel-Canyon-Zeiten. Und wenn ›Our House‹ langsamer und gewichtiger klingt als das luftige Original, scheint es nur passend. Auch ›Almost Cut My Hair‹ hat eine Kraft und eine Wut, die vorher nicht so spürbar waren.
Der Abend wird lang nach der Sperrstunde mit dem wuchtigen, ausgejammten ›Wooden Ships‹ und dem vollständigen ›Suite: Judy Blue Eyes‹ beschlossen, und sollte es wirklich ihr Schwanengesang in Großbritannien gewesen sein, dann war es ein großartiger.
Text:
Tim Batcup
CR26 / Seite 120 / Live: Cosby Stills & Nash sowie Classic Rock Roadshow
CLASSIC ROCK ROADSHOW
DAS IST CLASSIC ROCK
Die Classic Rock Roadshow ist zu Gast an der Spree, mit dem White Trash hat sie sich einen der angesagtesten Clubs der Hauptstadt ausgesucht. Hier gibt es nicht nur Burger, Bier & Rock’n’Roll, hier kann man sich auch tätowieren lassen. Durch Glasfenster können die Konzertbesucher beobachten, wie das Tattoo Formen annimmt und hören wie die Nadeln sirren. Auf der Bühne eröffnen derweil The New Roses den Abend mit ihrem starken Southern Rock. Dabei bewegen sich die Jungs aus dem Rheingau zwischen zwei Generationen des Südstaatenrocks, sie haben Einflüsse von Bands der 70er wie etwa 38 Special und Blackfoot sowie auch Kapellen der 90er in der Nachfolge von Black Crowes und Georgia Satellites. Das Quintett um Fronter Timmy Rough präsentiert die Höhepunkte ihrer EP THE NEW ROSES und des Albumdebüts WITHOUT A TRACE. Dabei gefallen nicht nur die ausgereiften Rockhymnen, die sofort ins Blut gehen, sondern auch ihre routinierte Präsentation. Mit dem knackigen ›Medicine Man‹ beenden die fünf Hoffnungsträger eine glänzende Show.
Es folgt das Trio Birth Of Joy, das sich ganz den Hippie-Klängen der 70er widmet. Neben einer Hammond Orgel erklingen eine psychedlische Gitarre und ein wirbelndes Schlagzeug. Die drei Holländer bedienen sich bei Psychedelic, Blues und Rock’n’Roll, ihr nostalgischer Klangcocktail erinnert an Größen wie MC5, Doors, Can und Pink Floyd. Mal lassen sie in ausgedehnten Jams die Zügel schießen, dann wieder spielen sie dichten Blues’n’Boogie. Mit ihrem individuellen Sound beweisen Birth Of Joy, dass Psychedelic Rock auferstanden und bei bester Laune ist.
Die dritte Combo im Bunde sind The Sheepdogs aus Kanada. Die fünf Musiker präsentieren lange Mähnen und buschige Bärte. Ganz in der Tradition und Sprache der Hippies bedanken sie sich „bei unseren Brüder The New Roses und Birth Of Joy für ihre seelenvollen Auftritte“. Die „Schäferhunde“ intonieren einen lockeren 70er Rock, der an Little Feat und Allman Brothers erinnert. Ihre Songs sind ausgedehnt und bieten sämtlichen Mit- gliedern Raum für Improvisationen. Je länger der Gig dauert, desto mehr werden The Sheepdogs zu einer Jam-Band, was so manchen Besucher dazu anregt, verträumt die Augen zu schließen und im Groove der dahin fließenden Musikströme zu tanzen. Unterm Strich ein spannender Abend, der verschiedene Seiten des aktuellen Classic Rock präsentierte und demonstrierte, wie viel es in dieser Szene zu entdecken gibt.
Text:
Henning Richter