Einen Vertrag für das Projekt an Land zu ziehen, erwies sich als noch anstrengender als dessen
Konzeption, die selbst schon zwei Jahre beansprucht hatte. Steinman machte Termine bei Plattenfirmen, wo er dann das komplette Album am Klavier spielte, während 135 kg Meat Loaf dazu sangen. Manchmal begleitete sie Ellen Foley bei dem Duett ›Paradise By The Dashboard Light‹. Abgesehen von dem bizarren Spektakel, das die beiden abgaben, war die Musik anders als alles, was irgendjemand je gehört hatte.
Der nächste Vergleich – ironisch angesichts einiger der Musiker, die später an den Aufnahmen beteiligt waren – war Bruce Springsteens leidenschaftliches, episches BORN TO RUN von 1975. Lange, klavierbasierte Songs wie ›Bat Out Of Hell‹ und ›For Crying Out Loud‹ erinnerten an dessen ›Thunder Road‹ und ›Jungleland‹. Nachdem CBS-Chef Clive Davis das Projekt abgelehnt hatte, warf Meat Loaf fast das Handtuch. Gerettet wurden sie von dem Mann, den Steinman als „das einzige Genie, mit dem ich je gearbeitet habe“, bezeichnete: dem kanadischen Musiker und Produzenten Todd Rundgren. Als er die Songs hörte, so behauptet Rundgren, habe er sich „lachend auf dem Boden gewälzt. Das war so durchgeknallt. Ich sagte: ‚Ich muss dieses Album machen‘.“
Rundgren nahm die beiden in die Bearsville Studios im Bundesstaat New York mit und holte Bassist Kasim Sultan, Keyboarder Roger Powell und Saxofonist Willie Wilcox dazu, die in seiner Band Utopia spielten. Außerdem engagierte er den Schlagzeuger Max Weinberg und den Pianisten Roy Bittan von Springsteens E Street Band. Doch es war der eine Mann, der die ganze Sache wirklich zusammenkommen ließ.
„Eines der überwältigendsten Erlebnisse in meinem ganzen Leben“, so Meat Loaf, „war es, Todd Rundgren zuzusehen, wie er das Gitarrensolo auf ›Bat Out Of Hell‹ spielte. Er nahm die Gitarre in die Hand und machte es in einem einzigen Take. Innerhalb von 15 Minuten spielte er das Leadsolo und dann noch die Harmoniegitarren am Anfang des Songs. Alles zusammen brauchte er keine 45 Minuten dafür! Und dann mischte Todd das Album an einem Abend ab.“ Zunächst interessierte sich Albert Grossman, einer der ersten Manager von Bob Dylan, für die Bänder. Er nahm die Aufnahmen zu Warner-Brothers-Obermufti Mo Austin mit. Es folgte viel Hin und Her, bis ein weiteres Mitglied der E Street Band, „Miami“ Steve Van Zandt, Steve Popovich dazu brachte, einen Deal einzufädeln. Nach fast vier Jahren Entstehungszeit wurde BAT OUT OF HELL endlich am 21. Oktober 1977 von Cleveland International veröffentlicht, ein Sublabel von Epic Records – wo fast alle die Platte hassten.
Das unfassbar bombastische BAT OUT OF HELL sorgte unvermeidlicherweise für extreme Reaktionen.
Steinman: „Ich beschreibe es als fiebrig, stark, romantisch, brutal, rebellisch, lustig und heldenhaft“. Meat Loaf sagte: „Ich finde BAT OUT OF HELL authentischer als 95 % aller Platten, die je gemacht wurden“. Ellen Foley: „Es gibt einfach Dinge, die einen emotionalen Kern berühren und die die Leute noch lange hören wollen. Diese Platte ist eines davon“. Max Weinberg: „Ich denke, BAT OUT OF HELL wird wohl bis in alle Ewigkeit überdauern“. Zunächst erwies sich das Album aber als klassischer „Schläfer“ und verkaufte sich nur mäßig. Dann ging die britische Musiksendung „The Old Grey Whistle Test“ das Wagnis ein, einen Mitschnitt der Band auszustrahlen, die das neunminütige Titelstück
spielt. Die Reaktionen darauf waren so überwältigend, dass der Clip eine Woche darauf nochmals in
die Sendung genommen wurde. Mit dem Ergebnis, dass BAT OUT OF HELL in Großbritannien eine absolut nicht angesagte, uncoole und nicht radiokompatible Platte wurde, die für alle, die sie hörten, zum Must-have wurde, ob sie Steinmans einzigartige Perspektive verstanden oder nicht.
Letztendlich wurde jeder Track ein großer Singlehit und das Album zu einem Phänomen, das weltweit weit über 40 Millionen (einige Quellen behaupten 50 Millionen) Käufer fand und für Epic und Sony mehr als 125 Millionen Dollar Gewinn machte – der profitabelste Release der Musikgeschichte, sogar profitabler als Michael Jacksons THRILLER, dessen Produktion zehnmal so viel gekostet hatte. Doch der Erfolg sorgte auch für Probleme. Selbst Meat Loafs mächtige Stimme war den unablässigen Tourneen und dem damit einhergehenden Druck nicht gewachsen. Mit dem Ergebnis, dass er nicht in der Lage war, den von Steinman geplanten Nachfolger RENEGADE ANGEL aufzunehmen, den der schließlich 1981 unter eigener Flagge als BAD FOR GOOD einspielte. Dies war die Zeit in seinem Leben, die Meat Loaf heute als „meine dunkelste Stunde“ bezeichnet.
Bekanntlich hatte Steinman Meats Gesang aus separat aufgenommenen Phrasen und Einzeilern zusammengeschnippselt, um das wunderbare DEAD RINGER fertigzustellen, nachdem der Sänger behauptet hatte, mental blockiert zu sein. „Yeah, ich hatte diese Blockade, aber nicht die Art, die du meinst“, sagte er 1999 in einem Interview. „Die Blockade kam daher, dass BAD FOR GOOD versuchte, BAT OUT OF HELL zu sein. ›Dance In My Pants‹ wollte eine Kopie von ›Paradise By The Dashboard Light‹ sein und ›Lost Boys & Golden Girls‹ eine von ›Heaven Can Wait‹.“ Danach trennten sich die beiden, offenbar für immer. „Ich war verärgert darüber, dass alle versuchten, [den Nachfolger] so schnell wie möglich rauszuhauen“, sagte Meat und erinnerte sich an ihre Meinungsverschiedenheit. „Jimmy und ich hatten vier Jahre lang an BAT OUT OF HELL gearbeitet. Yeah, Jimmy schrieb, weil er ein besserer Songwriter als ich war, aber wir arbeiteten zusammen an diesen Songs. Ich sagte: ‚Jim, so haben
wir BAT OUT OF HELL nicht gemacht. Wir müssen uns hinsetzen und gemeinsam daran arbeiten‘. Und
er zuckte einfach nur mit den Schultern. Da wurde es mir zu viel und ich rastete aus. Ich sagte: ‚Das war’s!‘, fuhr zurück zu dem Haus, in dem wir wohnten, packte meine Sachen ins Auto, schnappte mir meine Frau und haute ab.“
Ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten hatten einen Keil zwischen die beiden getrieben. Steinman unterscheidet zwischen Meat, dem Mann, und Meat, der Figur. Doch das folgende Gerichtsverfahren über die Einnahmen an dem Album ruinierte den Sänger. 1983 wurde er von Steinman und dem ehemaligen Manager David Sonenberg auf 85 Millionen Dollar verklagt und musste sich für bankrott erklären. Steinmans Vision warf hingegen noch weitere 20 Jahre Hits ab für Künstler wie Bonnie Tyler, Barbra Streisand, Air Supply, die Sisters Of Mercy und sogar Boyzone. Meat Loaf trieb unterdessen mit einer Reihe halbherziger Machwerke wie MIDNIGHT AT THE LOST AND FOUND (1983), BAD ATTITUDE (1984) und BLIND BEFORE I STOP (1986) durch die 80er.
Natürlich wissen wir, dass die beiden letztlich 1993 für das überaus erfolgreiche Sequel BAT OUT OF HELL II: BACK INTO HELL wieder zusammenfanden. Die Vorabsingle ›I Would Do Anything For Love (But I Won’t Do That)‹ bewies, dass die Magie immer noch da war, und das Album spielte ein Vermögen für sie ein, nachdem es in 25 Ländern Platz 1 erreichte.
Dennoch sollte das Original für beide aus verschiedenen Gründen einen Zenit markieren. Für Meat Loaf war es der Beginn seiner Verwandlung von einem Niemand in einen großen Star. Schlanker und mit kurzen Haaren kehrte er zwei Jahre nach dem Comeback mit dem durchwachsenen WELCOME TO THE NEIGHBOURHOOD zurück, auf dem nur noch zwei Kompositionen von Steinman waren, und 1998 erschien ein unvermeidliches VERY BEST OF, doch da sprach er schon davon, der Musik den Rücken zu kehren und sich auf erfolgreiche Rollen in Filmen wie „Everything That Rises“ zu konzentrieren.
Bei der Pressetour dazu war der Sänger wütend, dass er die Chance auf eine Rolle in einem neuen Film
von Martin Scorsese aufgeben musste, um mit Journalisten zu sprechen. „Die Filmkritiker lieben mich, aber Rockkritiker machen mich einfach nur fertig“, sagte er. „Mit Steinman und seinem Manager und Anwalt sind da zu viele Altlasten. Niemand will es hinter sich lassen und alle wollen ein Stück davon.“
Dennoch sagte er in demselben Interview auch, dass ein drittes BAT OUT OF HELL möglich (es erschien schließlich 2006), die lange angedachte Idee, es zu einem Film oder Musical zu machen, aber sehr unwahrscheinlich geworden sei. „Es würde nie eine gute Bühnenshow abgeben“, betonte er. „Das kann es nicht. Das wird es nicht. Und was einen Film betrifft: So sehr ich Jimmy auch geholfen habe, ihn auf
die Beine zu stellen, und so sehr ich auch versucht habe, ihn in die Tat umzusetzen, es ist einfach ein zu großer Kampf. Es gibt Leute, die ihn machen wollen, aber …“
Als angedeutet wurde, Steinman könnte beleidigt sein, weil er weniger berühmt als Meat Loaf sei, machte der klar, dass er daran schlichtweg nichts ändern könne. „Warum glaubst du, dass Jimmy immer noch in all den Klamotten herumläuft?“, fragte er rhetorisch. „Es ist ein bisschen so: Da sind U2, da sind Aerosmith, da ist Steinman. Das sind die Leute, die sich eben so anziehen. Sie wollen bemerkt werden! Ich hingegen ließ mir die Haare schneiden und legte mir diese Anzüge zu. Die Leute denken heute, ich sei ein verdammter Buchhalter, wenn ich in den Raum komme.“
Dennoch überschattet die Gravitas von BAT OUT OF HELL Meat Loafs Leben nach wie vor. „Diese beiden Professoren, die ihre jeweiligen Abteilungen an zwei Eliteuniversitäten leiten, führten diesen psychologischen Test im US Medical Journal durch, um die Gemütsverfassung ihrer Testobjekte zu ermitteln“, behauptete er. „Sie begannen, das BAT-Album als eine Art Rorschach-Test zu verwenden. Im Wesentlichen lief es darauf hinaus: Wenn dir BAT OUT OF HELL nicht gefällt, bist du verrückt. Du bist irre! Wenn du ein Problem mit BAT OUT OF HELL hast, hast du ein Problem. Und jetzt geben Psychologen und Psychiater in ganz Amerika ihren Patienten das Album mit, damit sie es sich anhören und ihnen dann sagen können, was sie davon halten. Sie sagen, wenn du jemanden kennst, dem BAT OUT OF HELL nicht gefällt, könnten die in jedem Moment durchdrehen. Das ist jetzt eine medizinische Tatsache, und ich betrachte das als meine Erlösung.“
Für Steinman war BAT OUT OF HELL mehr als nur ein spektakulär erfolgreiches Album – es war die Bestätigung für sein Innenleben. „Ich denke, es ist letztendlich sowohl in seinem Inhalt als auch in seiner Umsetzung eine heroische Platte“, fasste er zusammen. „Dieses heroische Element findet man nirgends in der meisten Popmusik. Selbst heute, wann immer ich eine Platte fertigstelle, spiele ich sie immer direkt im Anschluss an BAT …“.