Der Gitarrist Brian Robertson veröffentlicht am 25. März sein erstes Soloalbum
DIAMONDS AND DIRT – und huldigt darauf u.a. seiner früheren Band Thin Lizzy.
Abstinent lebt Robbo weiß Gott nicht: Bereits nachmittags um vier schenkt sich der ehemalige Gitarrist von Thin Lizzy und Motörhead ein Glas randvoll mit Hochprozentigem ein, nimmt einen mächtigen Schluck und lehnt sich entspannt zurück: „Mein kleiner Muntermacher“, grinst er und kippt gleich noch mal nach.
Insgesamt vier Alben hat Robertson zwischen 1974 und 1978 mit der irischen Rocklegende Thin Lizzy aufgenommen. Es war die Blütezeit seiner Karriere – und eine Ära, auf die er noch heute stolz ist: „Lizzy waren eine Musikerband“, erzählt er und liefert sofort die Erklärung dieser Aussage: „Wir waren, ähnlich wie später Little Feat, allesamt erstklassige Instrumentalisten mit Songs, die nicht nur den normalen Zuhörern gefielen, sondern auch Kollegen und Kritikern. Wenn man sich heute umschaut, entdeckt man viele Gruppen, die sich di-rekt auf Thin Lizzy beziehen, beispielsweise Bon Jovi.“
Dass Robertson diesen Ball nun mit seinem ersten Soloalbum DIAMONDS AND DIRT quasi zurückwirft und einen – zugegeben: Blueslastigen – Mainstream zelebriert, wie er auch bei eben jenen Bon Jovi zu finden ist, überrascht ein wenig. Zu-mal Robbo nach seiner Lizzy-Phase kurzfristig bei Motörhead („die reinste Chaostruppe, viel zu viele Drinks, viel zu viele Drogen, viel zu wenig Schlaf – ich musste da wirklich schleunigst wieder weg“) handfesten Kraftrock spielte und mit seinem Freund Frankie Miller dem britischen Blues Rock frönte. Doch DIAMONDS AND DIRT ist eben auch spürbar beeinflusst von den musikalischen Vorstellungen seines Freundes (und Managers) Søren Lindberg, dem Initiator der Scheibe.
Lindberg durchforstete auf einer seiner vielen Fahrten von Schottland in seine schwedische Heimat eine Tüte mit verstaubten Kassetten, auf denen Robertson über Jahre Ideen gesammelt hatte. Typisch schlampiges Genie: Robbo selbst verspürte keinerlei Lust, die Kollektion auf eine mögliche Verwertbarkeit zu prüfen, Lindberg dagegen hatte bereits einen konkreten Plan im Hinterkopf: Er verpflichtete einige namhafte schwedische Rockinstrumentalisten (darunter Ian Haugland von Europe) und kümmerte sich um Logistik bzw. Finanzierung der Studioproduktion.
Das Ergebnis ist eine Mischung aus Robertson-Nummern, Stücken von Thin Lizzy und Frankie Miller sowie einer bislang unveröffentlichten Co-Komposition zwischen Robbo und dem 1986 verstorbenen Lizzy-Chef Phil Lynott. „Phil wäre stolz auf das, was ich aus seinen Songs gemacht habe“, ist Robertson überzeugt.
An der aktuellen x-ten Thin Lizzy-Comeback-Tour unter Leitung von Scott Gorham möchte der eigenwillige Musiker („Ich bin Schotte und deshalb schwierig“) indes auf keinen Fall teilnehmen: „Scott rief mich an und fragte, ob ich Lust hätte. Aber ich sagte: ,Hör mal, Scotty, Lizzy waren immer eine vierköpfige Band – zwei Gitarristen, Bass und Schlagzeug –, du aber willst mit sechs Musikern inklusive Keyboards und zusätzlichem Sänger losziehen. Das hat doch nichts mit Thin Lizzy zu tun!’ Nein danke, so etwas ist nicht mein Ding.“