Zucker, bitte!“ ist das Erste, das wir von Bobby Gillespie hören. Den bestellt er für seinen Kaffee im Büro seines Managements – das letzte Laster, das der 50-Jährige sich noch erlaubt. Ausgerechnet Gillespie, der ehemalige Drogencocktail auf Beinen! Seiner Arbeit mit Primal Scream, die bei aller permanenten Formwandlung zwischen Spacedub, Tradrock und Elektropunk doch seit 25 Jahren eine tragende Säule des UK-Underground stellen, hat das gut getan. Nicht nur im Interview, in dem der Frontmann und Vordenker des Sextetts fokussiert, klar und deutlich (wenn auch in breitestem Glasgow-Schottisch) die Dinge beim Namen nennt – auch das neue Album More Light ist nach den zwei eher durchwachsenen, weil ziellos im Primal-Scream-Oeuvre herum mäandernden Vorgängern Riot City Blues (2006) und Beautiful Future (2008) wieder eine Rückkehr zur Topform. Nicht zuletzt, weil es wieder einen eigenen Sound definiert. Einen modern-elektronischen, gerne dissonanten Blues, der brodelt und schwelt wie ein Feuer unterm Teppich. Der umso bedrohlicher klingt, weil die Eruption, die der Hörer erwartet, nie kommt. Es ist hilflose, frustrierte Wut, die Gillespie auf diese Weise artikuliert. „In der Kunst, der Mode, der Musik, im Film, im Journalismus findet eine Revolution von rechts statt, die niemand anspricht – und gegen die niemand protestiert“, schimpft die als Sohn eines Gewerkschafters früh für die Gedanken der Linken sensibilisierte Brit-Ikone. „Typen aus meiner Generation, die in den 60s geboren wurden und in den 70s aufwuchsen, wir wurden automatisch politisch durch die Dinge, die abgingen in Großbritannien. Der Klassenkampf war damals sehr offensichtlich. Wir kommen von den Idealen des Punkrock. Wir glauben, dass die Künste etwas Rebellisches sein sollten. Für uns wird Rock‘n‘Roll auch immer damit verbunden sein“, so Gillespie, der deshalb an den jungen Bands von heute verzweifelt. „Zur Zeit gibt es keine Gefahr, keine Konfrontation, keinen Sex, kein Drama in der Musik! Alle sind sie nur gehorsame Ja-Sager, die sich nicht aufregen! Die jungen Leute sind entpolitisiert worden.“ Er nennt ein Beispiel: „Vor zwei Jahren gab es in London die Studentenproteste gegen die Studiengebühren. Man hatte kurz das Gefühl, jetzt läge ein revolutionärer Geist in der Luft. Aber dann spielten sie einen halben Tag lang Demonstranten und am Abend gingen sie alle heim, um das Champions-League-Finale zu gucken!“ Für Gillespie dagegen ist Widerstand eine Lebensaufgabe. Eine Einstellung, die das konfrontative More Light unterstreicht.