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Nickelback – Es gibt keinen Ruhm auf Hawaii

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Nickelback – Es gibt keinen Ruhm auf Hawaii

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Wie stellt man es als weltweit erfolgreicher Rockstar an, privat seine Ruhe zu haben, sich musikalisch nicht zu wiederholen und seine eigene Band weiterhin als schlagkräftige und rund laufende Einheit aufzustellen? Nickelback-Basser Mike Kroeger hat es CLASSIC ROCK verraten.

Nickelback 2011 @ Travis Shinn (5)Eigentlich taugt Mike Kroeger nicht zum Rockstar. Glamour und Eitelkeit, Schampus und Hummer, Models und Stretchlimousinen sind ihm fremd. Als Partylöwe gäbe er sicher eine zahnlose Kreatur ab, und für die Aufmerksamkeit der Boulevardpresse fehlen Skandale und Exzesse. Am liebsten zieht sich der Bassist der kanadischen Hit-Garanten mit seiner Familie in seine Wahlheimat auf Hawaii zurück, wo er genau das Leben findet, das ihm gefällt: Mit Ehefrau und den beiden Jungs Avalon und Dawson lebt sich’s hier vollends sorgen- und publikumsfrei. Morgens wird gemeinsam in der Küche gefrühstückt, abends auf der Veranda ein Gläschen Wein oder ein Feierabend-Bier geschlürft. Prominent sind die Kroegers auf Hawaii mitnichten: Als vor einiger Zeit ihr jüngster Sohn Avalon eingeschult wurde, trafen sich am Vorabend alle beteiligten Kinder mit ihren Eltern zum Kennenlern-Treffen. Vater Mike war auch dabei. „Man unterhielt sich ganz zwanglos, keiner kam auf die Idee, dass ich ein weltweit erfolgreicher Rockmusiker bin“, freut sich Kroeger. „Irgendwann wurde natürlich auch die obligatorische Frage gestellt: ‚Und was machen Sie beruflich?‘ Ich antwortete: ‚Ich bin Bassist einer Rockband.‘ Mein Gegenüber daraufhin: ‚Und wie heißt die Band?‘ Ich darauf: ‚Nickelback!‘ Er wieder: ‚Wie?‘ Ich noch einmal: ‚Nickelback!‘ Und er: ‚Ah ja. Nie gehört. Treten Sie manchmal auch auf?‘“

Kroegers Augen leuchten, wenn er diese kleine Anekdote erzählt. Sein ambivalentes Leben zwischen Ruhm und Ruhebedürfnis ist mittlerweile in einem ausgewogenen Verhältnis. Das war nicht immer so: „Je berühmter Nickelback wurden, umso mehr spürte ich, dass ich dringend ein Gegengewicht zum Dasein eines öffentlichen Menschen brauchte. Ich liebe die Musik, nicht jedoch den Ruhm.“

Geltungsdrang oder gar Mediengeilheit wur-de den Kroegers offenkundig generell nicht in die Wiege gelegt. Auch sein Halbbruder Chad, Nickelback-Frontmann und Galionsfigur der Gruppe, zieht sich in seiner musikfreien Zeit komplett ins Private zurück. Er lebt in einem abgelegenen Dorf mitten in den unendlichen Weiten Kanadas und genießt die Ruhe und Abgeschiedenheit einer nordamerikanischen Provinz. „Chad hat es natürlich viel schwerer als ich“, weiß Mike nur allzu gut, „er wird nahezu überall erkannt. Ich bin zum Glück nur der Bassist der Gruppe und kann mich hinter ihm verstecken, er aber steht mit seinem Gesicht und seiner Stimme stellvertretend für Nickelback. Chad hat sich zwar mittlerweile an seine Popularität gewöhnt, aber ich weiß, dass dies ein paar Jahre gedauert hat.“

Letztendlich waren die Halbbrüder Chad und Mike nicht auf den Erfolg vorbereitet, der ab der Jahrtausendwende einem Tsunami gleich alles vorher Gekannte überschwemmte. Als die beiden 1995 mit Cousin Brandon Kroeger und Gitarrist Ryan Peake die Band gründeten, war von Gold- und Platinalben, Billboard- und American Music Awards weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil: Ihr Debütalbum CURB, für dessen Entstehung sich die Bandmitglieder 1996 die Produktionskosten von 5000 US-Dollar bei Vater Kroeger borgen mussten, erregte kaum Interesse, landete zunächst bei nur wenigen Tausend verkauften Exemplaren und deutete auf eine eher mittelprächtige Musikerlaufbahn hin. Nur vier Jahre später sah die Sache vollkommen anders aus: Das zweite Album THE STATE mit seiner Single ›Leader Of Men‹ schlug in Kanada wie eine Bombe ein, dessen Nachfolger SILVER SIDE UP lieferte dann die Mega-Single ›How You Remind Me‹ und sorgte damit für den glo-balen Durchbruch. „Ganz ehrlich? Das Beste am Erfolg von SILVER SIDE UP war, dass er rückwirkend auch THE STATE ins weltweite Bewusstsein brachte“, behauptet Krieger.

„Als 2002 im Windschatten von SILVER SIDE UP auch THE STATE mit Gold ausgezeichnet wurde, war ich so stolz wie seitdem nicht mehr. Denn es war bis heute die letzte Scheibe, bei der wir von A bis Z alles in Eigenregie gemacht hatten. Dass dieses Album schließlich auch noch Erfolg hatte, machte mich unendlich glücklich.“ Und all die Ehrungen, Preise, Auszeichnungen? Sind sie Mike Kroeger etwa gleichgültig? „Nein, egal sind sie mir natürlich nicht, aber sie bedeuten nicht so viel, wie man vielleicht vermuten könnte. Weißt du: Musiker treibt der nächste perfekte Song, das nächste möglichst perfekte Album an. Es sind die Kreativität und der Spaß am Gestalten, die zählen. Alles, was daraus folgt, ist zwar eine willkommene Bestätigung, die eigentliche Befriedigung über das Erschaffene hat jedoch bereits lange vorher stattgefunden.“

Inzwischen sind Nickelback bei Album Numero sieben angekommen. Die neue Scheibe trägt den Titel HERE AND NOW und offenbart die gleiche Mischung aus strammen Rocktracks mit Metal-Affinität, auf Radio-Hörgewohnheiten geeichten Mainstream-Nummern und einem raffiniert vermengten Schuss Coun-try-Appeal. Dieses Konglome-rat artverwandter Stilistiken hat sich bewährt: Nickelback finden beim Pop-Publikum einen ähnlichen Zuspruch wie bei den An-hängern deutlich härterer Klänge. Die Band wäre schlecht beraten, an ihrer Song-Rezeptur etwas zu ändern. „Die Gefahr ist natürlich immer, dass man sich zu wieder-holen beginnt“, gibt Kroeger zu, „deswegen kontrollieren wir uns anhand unserer bisherigen Alben ständig selbst. Schlägt Dan (Daniel Adair, Schlagzeuger – Anm.d.Red.) einen Groove vor, der uns irgendwie vertraut erscheint, kramen wir unsere früheren Werke hervor und überprüfen, ob wir ihn schon mal verwendet haben. Bei allzu großen Ähnlichkeiten wird die Idee dann verworfen.“ Ganz ähnlich verfahren Nickelback mit Gesangsmelodien, Gitarrenriffs oder Hooklines. „Andererseits: Wir wollen unsere Fans natürlich nicht verwirren, insofern muss ein roter Faden zu all unseren bisherigen Veröffentlichungen vorhanden sein. Jedes neue Album soll wie eine frische Version unseres typischen Stils klingen; gelingt dies, haben wir unser Ziel erreicht.“

Die Frage, ob das Resultat tatsächlich für den gewünschten Erfolg sorgt, beschäftigt dann allenfalls Management und Plattenfirma, nicht mehr den 39- jährigen Bassisten. „Wir haben darauf eh keinen Einfluss. Man kann die Konsumenten nicht manipulieren, die Käufer sind eine emanzipierte Menge, die sich ihre eigene Meinung bildet. Ich bin jedes Mal wieder mächtig neugierig, wie das Echo ausfällt.“ Mental angespannt sei die Band immer nur dann, wenn die Phase des Songwritings beginnt. Dann nämlich stehe der Anspruch im Raum, das in dieser Situation bestmögliche Album zu schreiben. „Zum Glück haben wir im Laufe der Jahre gelernt, wie man Probleme löst, wenn mal die Ideen ausbleiben oder wir uns künstlerisch im Kreis drehen. Aber wir wissen inzwischen, dass wir uns auf unsere Intuition verlassen können und einfach nur an unseren ursprünglichen Visionen festhalten müssen. Und mit jedem weiteren Album wird dieser Erfahrungsschatz noch um einiges größer.“

Hilfreich dabei ist, dass Nickelback seit 17 Jahren in fast konstanter Besetzung zusammengeblieben sind. Die Halbbrüder Mike und Chad Kroeger wa-ren ebenso durchgehend an Bord wie Gitarrist Ryan Peake. Nur Cousin Brandon Kroeger blieb gerade mal zwei Jahre Schlagzeuger der Band, er wurde zunächst durch zwei Übergangstrommler ersetzt, bis 2005 der heutige Taktgeber Daniel Adair verpflichtet wurde. Diese vier verstehen sich nicht nur künstlerisch, sondern sind sich auch in der Ausrichtung ihrer Band einig. „Natürlich herrscht bei uns ein gleichberechtigtes Nebeneinander, wir sind Freunde und Kollegen“, beschreibt Kroeger die Arbeitsweise, flüchtet sich auf Nachfrage nach einer Hierarchie zunächst in den Allgemeinplatz „the song is the boss“, um dann einzugestehen, dass Frontmann Chad bei Nickelback der primus inter pares sei. „Chad hat die meisten und besten Ideen, deshalb obliegt ihm immer auch die letzte Entscheidung. Wir handhaben es generell so, dass der jeweilige Komponist einer Nummer auch entscheidet, in welche Richtung sich ein Song entwickelt. Und da die meisten Songvorschläge von Chad angeschleppt werden, hat er oftmals auch die finale Entscheidungsgewalt. Bei den Texten ist es ganz ähnlich, wobei hier natürlich noch der Aspekt berücksichtigt werden muss, dass Chad die Nummern singt, unabhängig davon, wer den Text geschrieben hat. Chad muss also die Idee der Geschichte nach außen vertreten. Ist doch klar, dass er deshalb im Zweifelsfall ein Veto einlegen könnte.“

Mike Kroeger ist mit dieser Regelung hochzufrieden. Er sei eh kein sonderlich brauchbarer Songschreiber, erklärt er, außerdem habe die Vergangenheit ja gezeigt, dass dieses Arbeitsmodell prima funktioniert: „Ich persönlich habe da vollstes Vertrauen in Chad, dass er die richtigen Entscheidungen trifft.“

Für Kroeger steht schon jetzt fest, dass dies auch auf HERE AND NOW zutrifft. Man wisse zwar noch nicht genau, wie erfolgreich das Werk abschneiden werde, aber dass sich die neue Scheibe qualitativ auf dem Niveau der größten Erfolge einordnet, stehe für ihn schon jetzt fest. „Ich finde, dass wir elf tolle Rocknummern aufgenommen haben. Einen einzelnen Titel hervorzuheben würde mir anhand dieser qualitativen Dichte wirklich schwerfallen, denn ich würde damit indirekt andere Titel abwerten, was ich nicht könnte.“

Aber dann legt sich Kroeger doch noch fest: „Okay, also ›When We Stand Together‹ ist für mich eine ganz besondere Nummer, vor allem wegen ihres Textes. Es ist eine globale Botschaft, wir sagen: Jeder einzelne kann etwas am Zustand der Welt ändern, jeder einzelne kann den entscheidenden Unterschied ausmachen beziehungsweise mit seiner Haltung eine wichtige Entwicklung auslösen. Ein toller Gedanke, oder?“ Klingt zwar nicht unbedingt nach einer epochal-neuen Message, passt aber zum Idealismus dieser Band, die nicht den Anspruch hat, Revolutionen zu initiieren oder im Alleingang gesellschaftliche Missstände beseitigen zu können. Die generelle Botschaft Nickelbacks, für die auch die bislang bodenständige Historie der Band steht, ist eher: ändere im Kleinen und lass so daraus etwas Großes entstehen.

Die – vermutlich unliebsame – Erfahrung einer Veränderung musste auch der langjährige Nickelback-Produzent Joey Moi machen, der keine drei Jahre zuvor noch für sein erfolgreiches Mitwirken als Tonmeister und Co-Komponist an den DARK HORSE-Nummern ›Something In Your Mouth‹ und ›Gotta Be Somebody‹ mit Preisen überschüttet worden war, während der Arbeiten an HERE AND NOW jedoch völlig überraschend ausgetauscht und durch Brian Howes ersetzt wurde. Ob es hinter den Kulissen mächtig im Karton gerappelt hat oder ob sich dieser Wechsel freundschaftlich und im gegenseitigen Ein-vernehmen vollzogen hat, ist zurzeit noch unklar. Fakt ist: Selbst der anson-sten außerordentlich gesprächige Mike Kroeger gebärdet sich bei diesem Thema ungewohnt einsilbig: „Es musste sein. Sicherlich war dies nicht gerade der perfekte Zeitpunkt für eine Änderung der personellen Konstellation, aber es ließ sich nicht vermeiden. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

Ähnlich unauffällig ging übrigens 2005 auch der Rausschmiss von Drummer Ryan Vikedal über die Bühne, der sieben Jahre der Gruppe angehört hatte. Vikedal sei einfach nicht die Art Drummer gewesen, die diese Band braucht, hieß es seinerzeit aus dem Nickelback-Umfeld. Mehr jedoch wurde über den monatelang schwelenden Streit nicht bekannt. Nickelback gehören generell nicht zu jenen Bands, die nachträglich schmutzige Wäsche waschen oder in aller Öffentlichkeit unschön nachtreten. Ebenso wie die vier Gruppenmitglieder ihr privates Leben lieben und schützen, gestehen sie auch ihrem Umfeld absolute Verschwiegenheit zu. Wie formulierte es Mike Kroeger so treffend: „Jeder Mensch hat ein Recht auf Privatsphäre und Diskretion. Das gilt für langjährige Freunde genauso wie für temporäre Weggefährten.“

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