Ein Mann, seine E-Gitarren und das Akai X330: Achim Reichels kosmische Alleingänge.
Achim Reichel? Ein norddeutscher Tausendsassa mit einem Werdegang, wie es ihn in der deutschen Rockhistorie wohl kein zweites Mal gibt. Gestartet in den frühen 60ern, währt die Langzeitkarriere bis heute: Erst gab er den exaltierten Frontmann der deutschen Beat-Combo The Rattles, dann im Gespann mit Frank Dostal das Chefduo der Pop-Psychedeliker Wonderland. Als Solointerpret machte er den KLABAUTERMANN mit rustikalem DAT SHANTY ALB’M, kredenzte lyrisch die REGENBALLADE und BLUES IN BLOND, schwang sich UNGESCHMINKT auf den NACHTEXPRESS, war EINE EWIGKEIT UNTERWEGS und fabulierte zwischen MELANCHOLIE & STURMFLUT über FLEDERMAUS, WAHRE LIEBE und GROSSE FREIHEIT.
Doch dass sich der 1944 im schleswig-holsteinischen Wentorf geborene Musiker 1971 entspannt auf DIE GRÜNE REISE begab, dem ECHO (1972) lauschte, sich einer AUTOVISION (1974) hingab, um ERHOLUNG (1975) zu suchen, daran erinnern sich nur noch wenige. Allzu lange her, dass fünf Studioalben und ein Live-Werk des mit zahllosen Hamburger Szenemusikern umgesetzten offenen Projektes A.R. & Machines wegen mangelnder Publikumsresonanz von der Plattenfirma gestrichen wurden. Dabei erwies sich Achim Reichel mit meditativen Klanglandschaften seinerzeit als ebenso experimentell wegweisend wie die als Krautrockpioniere gepriesenen Kollegen von Can, NEU!, Faust, Kraftwerk, Amon Düül II und Tangerine Dream. Lag es daran, dass die Zeit noch nicht reif war, oder aber, dass man dem Beat-Ära-Veteranen eine so radikale Runderneuerung nicht zugestehen wollte?
Brian Eno jedenfalls erkannte das Potenzial von A.R. & Machines und benannte 1975 sein drittes Studiowerk ANOTHER GREEN WORLD. Mit dem opulenten 10-CD-Box-Set THE ART OF GERMAN PSYCHEDELIC 1970 – 1974 gewährt Reichel Einblick in jene verkiffte Ära, als er per Zufall das Wunder von Delay und Loops entdeckte: Er wollte lediglich ein Gitarrenriff auf der neu erstandenen Bandmaschine Akai X330 einspielen – und erhielt ein Gitarrengroßorchester. A.R. & Machines‘ zwischen Ausflippen, Abheben, Abdriften, Introspektion und Entschweben angelegte Studioalben DIE GRÜNE REISE, ECHO, A.R.3, A.R.IV und AUTOVISION ergänzen sich mit Bonustracks und Live-Mitschnitten (ERHOLUNG, KÖLN 25.04.73, KREFELD 16.09.73).
Im Privatarchiv fand Reichel fast fünf Stunden bislang unveröffentlichtes Material jener Phase, das sich auf weitere drei CDs verteilt. VIRTUAL JOURNEY übt gar den Schulterschluss zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Im 96-seitigen Hardcoverbuch „Die Autobiografie – Die A.R. & Machines Story“ erläutern kluge Texte und rare Fotos die Jahre von der Bewusstseinswerdung bis zur Bewusstseinserweiterung.
8/10
A.R. & Machines
THE ART OF GERMAN PSYCHEDELIC 1970–1974
BMG/TANGRAM