Auf du und du mit Knirpsi.
Schwanzsteuerung ist so ein Vorwurf, der Männer hart treffen sollte – vor allem in der #MeToo-Debatte. Bei Timo Blunck hat sie einen Namen: Knirpsi. Klar, die Unschuldsvermutung sollte natürlich auch für den Mann gelten, den sie T-Bone Schröder nennen. Hinter dem verbirgt sich – es liegt ja immerhin eine Autobiografie des langjährigen Bassisten der NDW-Dada-Rockband Palais Schaumburg vor – mehr oder weniger perfide getarnt Timo Blunck. Knirpsi, das umtriebige, eine Eigendynamik ansteuernde, geile, derbe, vorwärtstreibende, offenbar auch durchaus vorzeigbare Geschlechtsteil des Musikers, meldet sich immer wieder zur Wort, bringt seinen Träger in Schwierigkeiten, zieht ihn hinein in Exzesse und von einem Lotterbett ins nächste. Seinen „bösen Zwilling“ nennt Schröder den viel weniger furchtlosen Knirpsi in seiner Lebensbeichte. Beide haben sich – ein beliebter, wenn auch diesmal wirklich passender Kunstgriff – auf dem Sofa einer Hamburger Therapeutin eingefunden. Nach einer Party-Nacht, die wegen Drogenmissbrauchs in der Notaufnahme endete, blieb Schröder keine andere Wahl. Also sieht er sich der kettenrauchenden Psychologin gegenüber, die sich immer aufs Neue eine Gauloise anstecken muss, weil sie den Musiker-Abenteuern kaum folgen kann, sich dem rauschhaften Sog der Erzählungen aber nicht mehr entziehen will. Das liegt daran, dass Schröder/Blunck ein genialer Geschichtenerzähler ist. Und auch daran, dass er nicht nur von ausverkauften Konzerten, von Kneipenschlägereien, Sex-Orgien, dem Mardi Gras in New Orleans, Trennungsgefechten und einer Band-Reunion erzählt, sondern auch von der geheimnisvoll schönen Sophia – der einen Frau, der Schröder verfallen ist. Gut auch, dass der Roman dazu eine Spotify-Playlist von Bryan Ferry über Steely Dan bis zu den Buzzcocks und den Happy Mondays liefert, die man beim Lesen selbstverständlich auf Anschlag drehen sollte.
8/10
Text: Rupert Sommer
Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?
Von Timo Blunck
Heyne Hardcore