Ein Buch über eine Göttin, die überall fremd war.
Am 18. Juli 1988 starb sie auf Ibiza an einem zu spät diagnostizierten Hirnaneurysma. Viel mehr Worte verschwendet Tobias Lehmkuhl gar nicht an Nicos Tod. Das ist auch gut so. So viel interessanter ist doch der Rest: Das Buch beginnt mit der zwischen den Trümmern Berlins spielenden Christa Päffgen, die als Jugendliche durch das KaDeWe flanierte und dort zu ihrem ersten Fotoshooting kam. Dann die Namensänderung: Aus Christa Päffgen wurde Nico, ein Anagramm zu Icon. Als Nico lebte sie auf der ganzen Welt: Paris, London, New York, Ibiza. Zuhause aber war sie nirgends, überall war sie fremd. Weder war sie ein Beatnik, noch ein Hippie, sie war weder Mann noch Frau (nicht biologisch gesehen), sondern stand irgendwo zwischen den Geschlechtern. Männer hatten Angst vor ihr, Lehmkuhl vergleicht sie mit Medusa und Medea aus der Antike.
Es habe seither kaum einen derart „männlichen Weiblichkeitsentwurf“ gegeben, so der Biograph, dessen Buch auch deshalb so gut gelungen ist, weil es sich nicht rein auf Nico fixiert. Wie in Andy Warhols „POPism“, aus dem übrigens oft zitiert wird, bekommt jede Person, die neu in das Leben der Protagonistin tritt, ein paar Absätze zugeschrieben. So ähnelt das Buch Warhols Aufzeichnungen der 60er-Jahre, bloß sind hier eben nicht die Sixties die Triebfeder der Ereignisse, sondern Nico.
8/10
Text: Vincent Numberger
Nico – Biographie eines Rätsels
VON TOBIAS LEHMKUHL
ROWOHLT