Nach Ansicht der Autorin dieses Textes, sollten die Rival Sons die größte Rockband der 2000er Jahre sein. Die Band aus Long Beach hat alles, was eine Gruppe in den 70er Jahren noch unverzüglich auf den Olymp des Rock’n’Roll katapultiert hat: die Songs, das Talent, den Sound, die Persönlichkeiten, das Aussehen und mit Jay Buchanan einen Frontmann vom Format eines Plant oder Morrison, dessen unvergleichliche Stimme alles, aber wirklich alles und jeden, in Grund und Boden singt. Hinzu kommen die Studioalben, auf denen sich die Rival Sons ständig weiterentwickeln und inzwischen einen Sound gefunden haben, der jegliche „erinnert an“-Vergleiche obsolet werden lässt. Die Truppe klingt von Platte zu Platte anders und doch klar nach den Rival Sons. So auch auf ihrem neuen Album DARKFIGHTER, einem theatralischen Werk mit tiefschürfenden Texten und großartigen Strukturen, dessen Intensität einem wiederholt Gänsehaut über den Körper jagt. Im Interview plaudert ein gut aufgelegter Scott Holiday (alias Mr. Fuzzlord) über die Entstehung von DARKFIGHTER, das noch in diesem Jahr erscheinende, zugehörige zweite Album LIGHTBRINGER und die Position der Rival Sons in der zeitgenössischen Rockmusiklandschaft.
Was hat die Pandemie mit einer Live-Band wie den Rival Sons gemacht?
Wir waren am Ende des Albumzyklus von FERAL ROOTS und wollten noch eine Kampagne für die Single ›Shooting Stars‹ starten, doch die Pandemie hatte alles lahmgelegt. Wir mussten den Rest der Tour canceln, zuhause bleiben. Dann mussten wir eine weitere Tour absagen und das, wo wir nur durch das Touren überleben können. Also wurde uns schnell klar, dass wir uns sofort an die nächste Platte machen mussten. Auch das war schwierig, man durfte sich ja lange Zeit nicht mal im Studio treffen und das uns, einer Band, die eigentlich innerhalb von dreißig Tagen ein Album schreibt, einspielt, mischt und mastert. Der Prozess zu DARKFIGHTER zog sich diesmal über die ganze Pandemie. Wir schrieben, schickten Dateien herum, trafen uns eine Woche im Studio, gingen nachhause, schrieben weiter.
Wie hoch war dein Frustrations-Level zu dieser Zeit?
Als wir anfingen, Songs zu schreiben, hatte sich meine musikalische Frustration wieder gelegt. Doch menschlich gesehen sind in den letzten Jahren viele schlimme Dinge in meinem Land passiert, ein Tiefpunkt für Amerika, für die Welt. Ihr in Europa habt den Brexit überstanden, wir Donald Trump. Da denkt man sich schon: ‘Jesus Christus, wie soll das nur weitergehen?’ George Floyd, die Pandemie, der Sturm aufs Capitol. Fuck! Wie in einem schlechten Film! (lacht) Die ganze verdammte Welt hatte den verdammten Verstand verloren! Aber am Ende muss man sagen: so etwas ist immerhin großartiges Futter für die Kunst. Sie reflektiert das Zeitgeschehen. Und irgendwo ist es unsere Aufgabe, die Menschen zum Nachdenken zu bringen und/oder sie in einen anderen Geisteszustand zu versetzen.
Denkst du, die zusätzliche Zeit war der Qualität von DARKFIGHTER zuträglich?
Ich denke schon, weil es sehr gesund sein kann, auch mal etwas auszuprobieren. Wir haben viele unserer Platten sehr schnell gemacht. Bei FERAL ROOTS haben wir uns etwas mehr Zeit genommen, mit DARKFIGHTER konnten wir viel nachdenken, vor allem über die Aussagen, die wir treffen wollten. Jay hatte einiges auf dem Herzen, das er loswerden wollte. Und ich konnte viele verschiedene Texturen beim Songwriting ausprobieren.
Meine Eindrücke beim Hören: DARKFIGHTER ist – auch textlich – ziemlich intensiv. Im Grundtenor düsterer, streckenweise recht schwer, im Gesamteindruck recht theatralisch.
Jays und meine Themen haben sich durch die schweren Zeiten sicherlich in etwas dunklere Gefilde bewegt. Trotzdem können wir es nicht ausstehen, wenn Kunst allzu vorhersehbar wird. Nach dem Motto: ‘Bitte Leute, sagt nicht das Wort „Pandemie“ in einem Song’, weißt du! (lacht) Das wäre uns etwas zu klischeehaft, wobei die damit zusammenhängende Gefühle trotzdem durch das ganze Album schwingen. Wir wollten die Hörenden durch die Dunkelheit führen und das Licht am Ende des Tunnels aufzeigen. Die Uneinigkeit, die Streits und Kriege, die ganze Dunkelheit muss bekämpft werden. Deswegen der Titel. Wir als Menschheit müssen da gestärkt raus gehen!
Ist DARKFIGHTER eine Konzeptplatte?
Auch wenn wir nicht mit dieser Idee an die Platte herangegangen sind, ist DARKFIGHTER im Grunde recht konzeptuell angelegt, wie jedoch meiner Meinung nach viele unserer bisherigen Alben. Zumindest gibt es bei den meisten einen roten Faden und das hat sich in den letzten Jahren immer weiter verstärkt bis zu dem Punkt, wo DARKFIGHTER jetzt thematisch sehr stringent ist und dann ja auch noch mit dem zweiten Teil, LIGHTBRINGER, zusammengehört.
Wann hat sich herauskristallisiert, dass es zwei Alben werden?
Beim Songwriting vermischen Jay und ich meine Erdnussbutter und seine Schokolade zu schmackhaften Süßigkeiten. (lacht) Wir hatten dann eine Sammlung an guten Liedern, die wir so stark wie möglich zusammengekürzt hatten, immer im Hinblick darauf, wie viel Raum und Platz die Songs brauchen, um sich hörerfreundlich, aber mit der ganzen Botschaft entfalten zu können. Wenn eine Platte zu aufgebläht ist, können Konzept und Interesse schnell verloren gehen. Wir leben in einer Welt, in der die Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer wird. Schau dir doch an, was sich viele Leute heutzutage am liebsten geben: 30-Sekunden-Clips, kleine Snacks. Ich saß schon mit Menschen zusammen, die mir Musik zeigen wollten und mir nur kleine Schnipsel vorspielten. So etwas treibt mich in den Wahnsinn, ich konnte überhaupt nicht hören, wohin der Song überhaupt geht! Das im Hinterkopf behaltend: Wir hatten etwa eine Stunde und 15 Minuten an Musik und das ist sogar mir zu viel für ein Album. Doch unserer Ansicht nach waren darin alle Songs enthalten, die es braucht, um die Geschichte zu erzählen. Also machten wir zwei Stück daraus, die pro LP etwa 32 Minuten dauern. Genauso lange, wie die meisten meiner Lieblingsplatten aus den 70ern, ganz einfach, weil diese Zeitspanne genau auf Vinyl passt.
Was sind deine persönlichen Ansprüche an jede neue Platte?
Wir wollen uns musikalisch nicht wiederholen, also suche ich als Gitarrist nach neuen Sounds, die wir zuvor noch nie verwendet haben. Ich baue neue Gitarren, ich sammle neue Effekte, neue Gadgets. Das ist einer meiner Standards – es soll nach den Rival Sons klingen, aber doch ganz anders. Eigentlich muss ich mein Live-Set-Up nach fast jedem Album komplett erneuern.
Ich finde ja, du hast einen sehr hohen Wiedererkennungswert beim Spielen!
Vielen Dank, es ist sehr schön, so etwas zu hören! Wie gesagt, ich beschäftige mich sehr viel mit verschiedenen Sounds und so ist es für mich manchmal sogar echt schwierig, einige der alten Nummern live zu spielen, auch wenn wir die Lieder spielen müssen, weil sie die Leute hören wollen. Wir treten ja nicht für uns selbst auf, sondern für unsere Fans. Im Grunde möchte ich ein unterstützender Gitarrist sein, ich sehe Musik als Spiel von Texturen. Dazu gehören auch Solos, aber die Klanglandschaften – oder auch einfach mal Stille – stehen für mich im Vordergrund. Manchmal braucht es nur einen Ton, um etwas auszusagen. Weniger ist für mich meist mehr.
Textlich geht es oft um das Thema Identiät – hat das etwas mit eurer Lebensmitte zu tun?
Ich möchte jetzt definitiv nicht sagen, dass Jay eine Midlife-Crisis hat. (lacht)
Ich habe das Wort „Krise“ extra nicht verwendet, weil ich darauf gar nicht hinaus wollte!
Ich bin sehr stolz auf meinen Partner, wie er sich und seine Kunst weiterentwickelt. Schon als ich ihn zum ersten Mal getroffen habe, war er ein unfassbar guter Song- und Texteschreiber, auf DARKFIGHTER hat er nochmal ein neues Level erklommen. Mit seinen Lyrics zu ›Rapture‹ oder ›Darkside‹ hat er mich sofort berührt. Er trägt sein Herz auf der Zunge und darum geht es doch, wenn man ehrliche Kunst macht. Ich kann es gar nicht erwarten, diese Nummern endlich live zu spielen, ihm bei der Performance zuzusehen und die Reaktionen des Publikums zu erleben. Wir beide wissen, dass Jay auf der Bühne aufblüht, dass die Rival Sons die Songs live in andere Sphären heben. Das liegt nicht in unserer Hand, das hat mit den Fans zu tun. Erst da verstehen wir meistens, was wir erschaffen haben.
Was ist der größte Unterschied zwischen euch heute und den Sons zu PRESSURE AND TIME-Zeiten?
Wir sind erfahrener. Diese Erfahrung kann man nicht faken oder auf Abkürzungen erlangen, man muss sie machen. Wir lernen uns besser kennen, unseren Produzenten, unsere Fähigkeiten. Wir entwickeln uns, werden gefühlt alle paar Jahre zu anderen Menschen, da muss unsere Kunst mitgehen. Wir haben heute andere Distinktionsmerkmale als damals, sind selbstbewusster geworden. Unsere frühen Alben haben eine sehr komplexe Maschinerie eröffnet, von der wir damals noch gar nicht genau wussten, was sie alles mit sich bringt. Wir verstehen die Maschine namens Rival Sons heute viel besser als früher.
Ist in der Rockmusiklandschaft noch Raum für Wachstum für eine Band wie die Rival Sons?
Ich spiele Gitarre, um zu überleben – da ist von Grund auf eine gewisse Enttäuschung in meiner Persönlichkeitsstruktur angelegt! (lacht) Ich denke, wir können weiterwachsen, auch wenn die Ökonomie heute komisch funktioniert. Menschen werden nicht mehr berühmt, weil sie etwas gut können, sondern weil sie in einem Tik-Tok-Video lipsyncen. Manche Künstler wurden nur wegen eines TikToks bekannt, nicht wegen ihrer grandiosen Musik. Das wird uns wahrscheinlich nicht passieren. (lacht) Wir arbeiten uns eher von Tour zu Tour eine Autogröße nach oben. Von einem Van schrittweise zum Nightliner. So sind wir nun mal und so sind wir hierher gekommen. Wäre es schön, wenn wir mehr Erfolg hätten? Ja klar! Aber trotzdem glauben wir fest an das, was wir tun.