Da marschiert die Hose voraus.
Auf manche mag das Gespann ulkig wirken, das sich da Sonntags zur Kaffeefahrt trifft: Sechs Herren mittleren Alters und mitten drin ein Gör von 26 Jahren. Aber wenn man als junges Mädel eine Vorliebe für Rock’n’Roll hegt, ergeben sich derartige Allianzen nun mal von selbst. Die diesmalige Tour führt nach Aschaffenburg zu Rose Tattoo. Über sechs Stunden Fahrt, Augustiner, dazu Chips und die selige Übereinstimmung, dass an die POWERAGE halt einfach mal gar nichts rankommt. „Da marschiert dir die Hose voraus“, meint Kollege Schniedl auf dem Rücksitz und man notiert diese blumige Wortkathedrale schon mal geistig, denn sie passt ebenso wunderbar zum Spektakel im Colos-Saal.
Nach eine überaus angenehmen und musikalisch hervorragend passenden Einstimmung durch die V8 Wankers aus Offenbach mit rolligem Prollrock und schnuckeligem Gitarristen – eine Mischung, die bereits erste Schweißperlen an die Decke zaubert – kommen um 21:15 Uhr auch schon Rose Tattoo auf die Bühne und verwandeln den Club in eine jubelnde Ovation. Angry Andersons Ton ist immer noch unfassbar röhrig, auch wenn seine Kombo inklusive Mark Evans (Klingeling bei den AC/DC-Fans?) manchen Song langsamer spielt, damit der wohl archetypischste noch lebende Rocker gut mitkommt. Sitzen tut an diesem Abend alles: Setlist, Stimmung und Ansagen machen einem die Knie butterweich, der Schweiß tropft bächeweise von der Decke, Angry genießt den Jubel, nuckelt selig an seiner Rotweinbuddel und erklärt liebevoll, dass wir „nicht Teil des Problems, sondern der Lösung“ sind. Gott sei Dank keine Spur von Anti-Haltung, durch die er in letzter Zeit auf politischer Ebene öfter aufgefallen ist. 1,5 Stunden später ist der Zauber leider vorbei, es geht wieder ab gen Heimat und nach zwei Stunden Schlaf weiter ins CLASSIC-ROCK-Büro, wo einem die Hose auch am Tag später noch voraus marschiert bei dem Gedanken an Rose Tattoo.