Minga, I mog dei
Sie rollen wieder, die Steine. Und wenn die größte Band der Welt die Stadt beehrt, hört selbst der Himmel auf zu weinen. Pünktlich zur Stagetime der Rolling Stones gegen kurz vor neun ist das Unwetter, das zwei Stunden zuvor über München hereingebrochen war, weitergezogen und die mehrere Generationen umfassenden Fans aller Altersstufen dürfen sich auf hundert Minuten Rock’n’Roll aus den und für die Geschichtsbücher im Trocknen freuen. Pandemiebedingtes Innehalten, der Tod von Schlagzeuglegende Charlie Watts im vergangenen Jahr und die unaufhaltsam fortschreitende Zeit, die auch vor Mick, Keith, Ron und ihren Jungs nicht Halt macht, ließen trotz aller Unkaputtbarkeit der Stones zögerlich daran zweifeln, ob die Band überhaupt noch einmal auf Tour gehen würde. Doch 60 Jahre Bandjubiläum wollen nun mal gefeiert werden – und an diesem Abend geriet die „SIXTY“-Geburtstagssause zu einer Party, an die man sich noch lange erinnern wird. In bester Spiellaune brillieren die Stones im vollgepackten Münchner Olympiastadion nach einer das Konzert eröffnenden, berührenden Video-Hommage an Watts – erwartungsgemäß – mit einem Set aus Klassikern, darunter die beiden High-Energy-Opener ›Street Fighting Man‹ und ›19th Nervous Breakdown‹, der Fan-Web-Vote ›Ruby Tuesday‹, die beiden obligatorischen Nummern mit Richards am Mic (›Connection‹, das das beim Tour-Kick-off in Madrid vier Tage zuvor gespielte ›Happy‹ ersetzt, und ›Slipping Away‹) sowie eine überragende, Gänsehaut triggernde, bassbetonte Extended Version von ›Miss You‹ inklusive Bass- und Sax-Soli. Hier zeigt sich die ganze Klasse von Darryl Jones an den vier Saiten – und das Feuer, das nach all den Dekaden noch immer lichterloh in den Herzen von Mick, Keith, Ron und Co. brennt.
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Nicht zu vergessen natürlich das immer wieder einnehmende ›Gimme Shelter‹ mit dem – heute nicht mehr so exaltiert wie vor 25 Jahren vorgetragenen – Gesangsduell von Jagger und seinem Backgroundsängerin-Counterpart. Auch wenn mit ›Out Of Time‹ ein großartiger Titel zum allerersten Mal überhaupt seinen Weg in die Setlist der Stones gefunden hat, werden Die-hard-Fans natürlich über die Songauswahl wie bei jedem Act mit einem derartig immensen Backkatalog bis zum Sankt-Nimmerleinstag diskutieren. Unbestreitbar an diesem Abend jedoch ist die schiere Lust der Band, eine Granatenshow abliefern zu wollen. „Minga, i mog dei [sic]“ – allein die zahlreichen von Jagger auf Deutsch bzw. Bayrisch abgegebenen Ansagen brachten Fanherzen in Sekundenschnelle zum Schmelzen. Dass diese Grandseigneurs des Rock’n’Roll noch lange nicht daran denken, das Feld zu räumen, diese beruhigende Gewissheit dürfte neben dem Beweis, dass sie einfach einzigartig sind, das Konzert in München unmissverständlich gebracht haben.
Neidlos und ohne meine sonstigen Vorbehalte bzgl. Alt-Herren-Combos und die ich abgelegt habe: Die Stones werden diesen Planeten rocken bis kein Stone mehr rollt und das ist gut so