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Rückblende: The Who – Up, Up And Away

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Rückblende: The Who – Up, Up And Away

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Es sollte sein Weckruf sein. Er trank und arbeitete zu viel. Aber Townshend war der zerrissenste Rockstar der Welt. Seit 1968 war er dem indischen Guru Meher Baba gefolgt. Baba predigte Friede, Liebe und ein drogenfreies Leben. Es war eine willkommene Alternative zum chaotischen Leben von The Who, aber auch eine, die Townshend sich leider nur unter enormen Schwierigkeiten aneignen konnte.

Der Rest der Band war beinahe genauso zerrissen. Roger Daltrey hatte kein Interesse an Drogen und trank kaum. Doch Entwistle und vor allem Moon stürzten sich auf Alkohol, Pillen und Kokain. Townshend wiederum hielt sich von Kokain fern und hatte LSD seit 1968 abgeschworen. Er trank aber nach wie vor und zwar viel. Dieser Widerspruch entging ihm nicht, vor allem, wenn andere Baba-Schüler The Who auf Tour besuchten. „Sie kamen in den Raum und sagten ‚Jai Baba‘, was ‚Sieg für Baba‘ bedeutet, und da waren zerbrochene Gitarren, haufenweise Whiskyflaschen auf dem Boden und Fernseher draußen auf der Straße. Das konnten sie nicht auf einen Nenner bringen.“

„Es war eine hedonistische Zeit in New York“, bestätigt Chris Stamp, der The Who gemeinsam mit Lambert managte. „Um mit einer Gruppe von Leuten kreativ zu werden, war das nicht gut.“ Stamp, der 2012 starb, ließ sich ebenfalls von der „neurotischen Drogenkultur“ der Stadt vereinnahmen. Chris war der jüngere Bruder des Schauspielers Terence Stamp und ein Klartext redender Ostlondoner, dessen Vernunft immer das Gegengewicht zu Lamberts hochtrabenden Ideen gebildet hatte. Zusammen hatten sie The Who zu internationalem Ruhm geführt und ihr eigenes Label Track Record gegründet. Doch der Zerfall des Duos sollte sich bald auf ihre Schützlinge auswirken.

Townshend wollte unbedingt weg von Lambert und verfrachtete die Band in die Olympic-Studios in London, wo Glyn Johns, Tontechniker der Stones, coproduzierte. Doch das mangelnde Verständnis seiner Bandkollegen bedeutete, dass das, was sie da erschufen, nicht mehr LIFEHOUSE war. „Das ganze Problem an LIFEHOUSE war, dass das Konzept zu abgehoben war“, protestierte Daltrey. „Musikalisch waren es einige der besten Stücke, die Pete je geschrieben hatte, aber die Geschichte war nicht sehr stark.“ „Roger rief mich jeden Tag an und versuchte, mich von dem Projekt abzubringen“, sagte Townshend. „Irgendwann gaben wir auf und kehrten zu unserem alten Schema zurück.“

Das „alte Schema“ bedeutete für ihn, das konventionelle Album WHO‘S NEXT zu machen. Doch die Ideen von LIFEHOUSE waren immer noch präsent und huschten wie Geister durch die Songs. ›Getting In Tune‹ bezog sich auf Khans Schriften, der Text von ›Bargain‹ („ein Liebeslied über eine höhere Form der Liebe zwischen Meister und Schüler“; so Townshend) und noch offener ›Baba O‘Riley‹ auf die Lehren von Meher Baba. Das letzte Lied auf WHO‘S NEXT war ›Won‘t Get Fooled Again‹, aufgenommen auf Mick Jaggers Landsitz Stargroves. Es fing all den verrückten, gegensätzlichen Charme von The Who ein. In einer Minute predigte Townshend Revolution („We‘ll be fighting in the streets“), in der nächsten kommentierte er derlei Gedanken voller Verachtung (,, Meet the new boss, same as the old boss.”). Ebenso wie > Baba O´Riley < und die Ballade >Behind Blue Eyes< gehört >Wont Get Fooled Again< zum Besten, was The Who je abgeliefert hatten. Aber es gab kein Problem. ,,WHO`S NEXT war ein Kompromissalbum”, sagte Townshend. ,,Ich hatte das Gefühl, dass es das Beste aus dem machte, was wir damals hatten.”

Das Cover zeigte die Band, nachdem sie an einen Betonblock in einer Kohlengrube in Durham uriniert hatte. Man könnte auch sagen, sie haben metaphorisch auf Townshends große Idee gepisst. WHO‘S NEXT erschien im August und erreichte Platz 1 der britischen Charts. Dank kontinuerlichen Airplays kam es in den USA auf Platz 4. Auf ihrer Tour dort in jenem Sommer spielten The Who vor bis zu 18.000 Zuschauern und jagten ihre neuen Minisymphonien durch eine 20.000 Pfund teure Anlage. „Wir waren die erste Band, die in Stadien spielte, und die erste Band, die Konzerte hymnisierte“, so Townshend. Unter „hymnisieren“ verstand er den Prozess, bei dem ein Lied leise anfängt und dann immer lauter und lauter und lauter wird, bevor es aufhört. Townshend stellte fest, dass zwar niemand seinen Körper verließ und transzendental zu schweben begann, aber dass Stücke wie ›Baba O‘Riley‹ und ›Won‘t Get Fooled Again‹ („kleine Konzerte in großen Konzerten“, wie er sie beschrieb) durchaus immer noch ein Publikum in Bewegung bringen konnten.

Niemand verstand das besser als Roger Daltrey. In den 60ern hatte er nach seiner eigenen Rolle innerhalb der Band gesucht. The Who waren aus seiner Schulgruppe entstanden, doch Townshend hatte ihn immer wie den Juniorpartner behandelt. Doch jetzt, mit seinen langen, fließenden Locken und der Stimme eines Marktschreiers, sah er aus und klang wie ein richtiger Rockstar. Er hatte weiterhin Verständnis für Townshend und seine hochtrabenden Ideen, doch er wusste auch, wie man diese Ideen einem Live-Publikum verkaufen musste und dass LIFEHOUSE in seiner ursprünglichen Form sehr schwer zu vermitteln gewesen wäre. „Jede Kursabweichung bekräftigte Roger nur noch mehr in seiner Ansicht, dass die Band, so wie sie war, absolut in Ordnung war und ich nichts daran ändern sollte”, verzweifelte Townshend.

Dabei war Townshends Sichtweise zu einfach. Denn trotz des Erfolgs von WHO‘S NEXT war Daltrey alles andere als selbstgefällig. „Ich wünschte, ich könnte genau sagen, was nicht stimmte“, sagte er dem „Melody Maker“. „Aber es ist so schwer, an TOMMY heran zu kommen. Es ist keine Unzufriedenheit. Ich weiß nicht, was es ist.“ Daltrey wollte, dass Townshend Musik erschuf, die sowohl seine kreativen Bedürfnisse befriedigte als auch 18.000 Leute in einem Kuhstall im Mittleren Westen der USA ansprach. Vielleicht etwas mit der Spiritualität von TOMMY und der elementaren Kraft von ›My Generation‹? Doch das zu finden, war eine echte Herausforderung.

Ende 1971 sahen sich The Who mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, und zwar in Form von MEATY BEATY BIG AND BOUNCY, einer Greatest-Hits-Sammlung, die eilig für den US-Markt veröffentlicht wurde. Townshend, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, erklärte es zum „besten Who-Album aller Zeiten“. Zwischenzeitlich hatte er das ruhige Soloalbum WHO CAME FIRST veröffentlicht, gewidmet Meher Baba. Darauf fand sich ›Pure And Easy‹, eines der besten Stücke von LIFE- HOUSE, das auf WHO‘S NEXT hätte sein sollen.

Bei The Who schien aber niemand zu wissen, was passierte. Zwei Who-Filmprojekte wurden nun in Betracht gezogen: zum einen eine Doku- mentation, „Rock Is Dead, Long Live Rock“, die vom Musikkritiker Nik Cohn geschrieben wurde. So weit, so gut. Zum anderen ein „utopisches Rockmusik-Idyll“ namens „Guitar Farm“, das den Hirnen eines Kollektivs politischer Filmemacher namens „Tattooist International“ entsprungen war. Es spielte auf einer Insel, auf der Musikinstrumente wie Pflanzen aus der Erde wuchsen und sich berühmte Vermisste wie Glenn Miller und Adolf Hitler versteckten. „Wir fangen im Januar an und Pete schreibt die Musik“, sagte Daltrey der Presse im November 1971. „Wir werden zunehmend involviert sein, während es sich entwickelt, aber ich will nicht zu viel über die Geschichte verraten.“ Es kam nie dazu. Kit Lambert wollte nicht, dass seinem geplanten TOMMY-Film irgend- etwas in den Weg kommt. Seine Anwälte rieten „Tattooist Interna- tional“, sich zurückzuziehen, und „Guitar Farm“ wurde still undleisevergessen.

Im Januar 1972 flog Townshend nach Indien, um Meher Babas Grab zu besuchen und spirituellen Rat zu suchen. Roger Daltrey wiederum war damit beschäftigt, sein neues Landhaus in Sussex aus dem 15. Jahrhundert zu renovieren, komplett mit Forellenteich und einem Zigeunerwagen auf der Wiese davor. Keith Moon dagegen hatte sich das extravagante Tara House in Chertsey gekauft, mit einem Pub am Ende der Auf- fahrt und jenem riesigen Teich, in dem er später eines seiner vielen Autos versenken würde. Nur John Entwistle lebte immer noch bescheiden in einer Doppelhaushälfte in Ealing. Während der Arbeit an „Rock Is Dead“ war Townshend plötzlich aufgefallen, wie exzentrisch und grundverschieden die vier Bandmitglieder eigentlich waren. Wie „Guitar Farm“ wurde auch „Rock Is Dead“ letztendlich auf Eis gelegt, doch Townshend zog daraus den Kern einer Idee über „die vier extremen Charaktere bei The Who“.

Im Mai war das Quartett wieder in den Olympic- Studios, um den Nachfolger zu WHO‘S NEXT aufzunehmen. Zwei neue Stücke, ›Join Together‹ und ›Relay‹, wurden als Lückenfüller veröffentlicht, doch die Band suchte immer noch nach dem, was Daltrey als „dieses schwer zu fassende Etwas“ bezeichnete. Diese Suche wurde durch das Wiederauftauchen von TOMMY zusätzlich behindert. Townshend hatte bislang jegliche Anfragen Lamberts abgeblockt, einen Film zum Album zu machen. Doch der Bitte des amerikanischen Komponisten/Arrangeurs Lou Reizner, TOMMY mit dem London Symphony Orchestra aufzunehmen, konnte er sich nicht verweigern. Reizners Vision sprach Townshends Bedürfnis an, etwas Größeres als einfach nur ein Rockalbum zu kreieren.

Er packte verzweifelt seine Taschen und fuhr in seinem Wohnmobil mit Frau Karen und ihren bei- den kleinen Kindern nach Südfrankreich. Die Reise sollte ihm einen klaren Kopf verschaffen, doch er kam immer wieder zu der Idee der vier Charaktere von The Who zurück und wie man sie auf einem Album interpretieren könnte. „Ich wollte einen Ersatz für TOMMY“, schrieb er später in seiner Autobiografie „Who I Am“. „Ich glaubte, ich hatte noch eine Chance, uns zusammenzuhalten. Meine Bandkollegen hatten schon fast aufgehört, mir überhaupt noch zuzuhören.“

Sie waren auf jeden Fall ungeduldig geworden. Entwistle hatte 1971 das Soloalbum SMASH YOUR HEAD AGAINST THE WALL veröffentlicht. Es hatte nicht annähernd die Verkaufszahlen von WHO‘S NEXT erreicht, aber er hatte gerade den Nachfolger WHISTLE RHYMES fertiggestellt. Auch Daltrey zog ein eigenes Album in Betracht. Er war Townshends größter Fan, doch der Kampf, TOMMY zu „ersetzen“, frustrierte ihn.

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