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Am 10. Februar 1972 geben Ziggy Stardust & The Spiders From Mars dann ihr erstes Konzert in Tolworth bei Surbiton. Zahlreiche weitere folgen, die Band ist eine Sensation, der ihr Ruf vorauseilt, die Säle werden von Woche zu Woche größer. Nach einem Auftritt bei „Top Of The Pops“ später im Jahr steigert sich die Ziggymania zum landesweiten Phänomen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen Bowie und Mick Ronson. Flankiert von den filigranen Pianoläufen Mike Garsons und dem soliden Backup der bekannten Besetzung aus Bolder und den anderen, konnten sie sich ganz einem eindrucksvollen Balzspiel hingeben, das die Dokumentation ZIGGY STARDUST, THE MOTION PICTURE von D. A. Pennebaker für die Ewigkeit konserviert hat. Abend für Abend simulieren die beiden Oralsex auf der Bühne, umtanzen sich wie balzende Teenager – und werden so zum vielleicht visuell stärksten Performer-Duo der Popgeschichte.
Mit der Veröffentlichung von ZIGGY STARDUST AND THE SPIDERS FROM MARS brechen im darauf folgenden Juni endgültig alle Dämme. Bowies leicht spinnerte Science-Fiction-Saga um einen Rockstar, der als Botschafter von Außerirdischen agiert und die Menschheit in den letzten fünf Jahren ihres Bestehens vor der Auslöschung retten soll, ist musikalisch über jeden Zweifel erhaben und enthält einige seiner größten Klassiker: ›Suffragette City‹, der Titelsong, ›Starman‹, ›Moonage Daydream‹ – bis heute ist ZIGGY STARDUST das zweiterfolgreichste Album in Bowies Karriere. Das Werk wird zudem glänzend aufgenommen, verkauft sich mehrere Millionen mal und ist aus keiner Liste der besten Alben aller Zeiten wegzudenken. Die Basis für den Erfolg ist nicht zuletzt eine von Defries ausgeheckte, kongeniale Vermarktungskampagne, die internationale Presse und massive Aufmerksamkeit sichert.
Für Bowie ist es der ultimative Triumph. Nach all den Mühen und zähen Jahren kann er endlich die Ernte einfahren. Allerdings tun schon bald auch die Schattenseiten des Ruhms ihre Wirkung: Er schnupft zu jener Zeit unablässig Kokain, raucht zwei Schachteln Marlboro am Tag und verliert zunehmend die Bodenhaftung. Kreativ steht er indes voll im Saft und arbeitet mit unvermindertem Tempo weiter: Er fördert Freunde wie Lou Reed, dessen Soloalbum TRANSFORMER er mit Ronson produziert, schreibt Songs für Mott The Hoople, produziert RAW POWER von Iggy & The Stooges und unternimmt parallel endlose Tourneen mit den Spiders, die nach Großbritannien auch die Ost- und Westküste der USA erobern. Im Mittleren Westen ist das Interesse an britischen Transvestiten dagegen eher überschaubar.
Zurück in England ist Bowies Einfluss unübersehbar. Zahlreiche andere Bands setzen in seinem Gefolge ebenfalls auf Glam-Rock, auf den Straßen der großen Städte sind die Ziggy-Klone bald Legion. Was Bowie dazu bringt, sich eine weitere Inkarnation auszudenken: Aladdin Sane, ein weiterer Verweis auf seinen Halbbruder („insane“=verrückt). Genau genommen sind die Unterschiede zwischen Aladdin und Ziggy eher marginal und kaum zu erkennen, aber immerhin
veröffentlicht Bowie mit ALADDIN SANE eine weitere herausragende Platte, die stilistisch ziemlich genau zwischen HUNKY DORY und ZIGGY STARDUST angesiedelt ist und vor allem von
Mike Garsons virtuos-filigranem Klavierspiel lebt.
Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Albums beginnen der massive Erfolg und das Tempo der vorangegangenen Jahre, ihren Tribut zu fordern. Die Stimmung in der Band ist miserabel, nicht zuletzt, weil außer Ronson sämtliche Musiker extrem schlecht bezahlt werden und kaum von Bowies Aufstieg profitieren. Der wiederum verdient dank Defries’ Verhandlungsgeschick zum ersten Mal in seinem Leben richtig viel Geld, was seinen Kokainkonsum in neue Höhen schnellen lässt. Zudem streitet er sich ständig mit Angie und reist wegen seiner lebenslangen Flugangst getrennt von den anderen mit dem Wagen oder auf See, was den zunehmenden Abstand zwischen ihm und der Band nicht eben verringert. Die restliche Zeit zieht er sich weitestgehend zurück, nicht zuletzt, um die Isolation des Aladdin Sane glaubhaft verkörpern zu können. Er hat später selbst immer wieder betont, dass ihm die Kontrolle über die von ihm geschaffene Kunstfigur Ziggy Stardust, deren Weiterentwicklung Aladdin war, damals vollends entglitt. Während der Interviews herrscht er Reporter an, die ihn David und nicht Ziggy nennen, selbst seine Musiker sollen ihn nun nicht mehr mit Dave ansprechen wie all die Jahre zuvor – Bowie verliert zusehends den Kontakt zur Realität. Als ihm in dieser Situation das ganze Ausmaß von Tony Defries’ Misswirtschaft auf seine Kosten klar wird – trotz gigantischer Einnahmen steht Bowie bei RCA immer noch deutlich im Minus, während der Manager fleißig sein Geld zählt –, entscheidet er sich, Schluss zu machen.
Nach der eingangs erwähnten Abschiedsshow im Hammersmith Odeon zu London gibt Bowie eine rauschende Abschiedsparty, schminkt sich ab und beginnt mit den Aufnahmen zu einem neuen Album, das bald darauf erscheint. Mit PINUPS schließt sich ein Kreis. Das Werk ist als eine Hommage an die R&B-Bands angelegt, deren Konzerte er in den Sechzigern Abend für Abend im Marquee gesehen hatte. Er covert The Who, The Pretty Things, die Yardbirds und andere – und ist plötzlich ein bisschen wieder der schüchterne Junge von 1966. Mit dem Unterschied freilich, dass er jetzt Plateausohlen trägt und Ronsons Gitarre die Sixties-Hits förmlich zerfetzt.
Danach geht Bowie nach Amerika, widmet sich mit neuen Musikern seiner Interpretation des Soul und trennt sich von Defries, den die bis zum Ende aktive neue Managerin Coco Schwab ersetzte. Das Ziggy-Image lässt sich jedoch nicht mit einem flotten Spruch am Ende eines Konzerts ablegen. Es kostet ihn Jahre und eine veritable Kokainsucht, bis er Ende des Jahrzehnts in Berlin zur Ruhe kommt und mit ganz anderer Musik zu seinem vielleicht besten Charakter findet: David Bowie.
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