Als du noch ein Teenager warst, hattest du dir deine Inspiration von Jimmy Page oder Joe Perry geholt, aber hilft es dir heute, andere Künstler zu hören?
Ich weiß, wie du das meinst. Das ist ein sehr guter Punkt. Lustig, darüber habe ich erst vor Kurzem nachdenken müssen. In den Hochzeiten des Rock’n’Roll, den 50ern, 60ern, 70ern und auch in den 80ern – so peinlich mir die 80er auch sind – war es ganz anders als heute.
Wie bitte?
(grinst peinlich berührt) Wirklich, die 80er – ich mittendrin – waren ein Jahrzehnt, in dem alles, was um mich herum abging, total oberflächlich und dumm war. Aber immerhin herrschte eine besondere, wirklich ansteckende und aufregende Energie. Jedenfalls gab es in dieser Zeit und noch früher so viele großartige Künstler, von denen jeder so viel geile Scheiße schrieb, dass alle voneinander beeinflusst und zu noch besseren Leistungen getrieben wurden. Neulich erst habe ich mit Ronnie Wood darüber gesprochen, wie einflussreich die Beach Boys für die Stones und besonders die Beatles waren. Natürlich haben wir noch immer tolle Künstler, aber es findet alles nicht mehr innerhalb einer geschlossenen Rock’n’Roll-Bewegung statt. Man muss also seine Inspiration von innen heraus suchen. Man muss sich selbst vorstellen können, wie man klingen möchte. In der Gegenwart herrscht kein kreativer Wettbewerb mehr. Eine ganze Weile war beispielsweise dieses fürchterlich verwässerte NuMetal-Ding angesagt, das mich so überhaupt nicht inspirierte. Da war also nichts zu holen. Aber es ist da draußen. Außerhalb des eigenen Genres gibt es immer mal wieder wahrlich gute Kompositionen zu entdecken.
Wie ist es denn mit deinen eigenen, früheren Sachen, kannst du dir da manchmal etwas für dich herausziehen?
Oh nein, ich blicke nie zurück. Mir frühere meiner Sachen anzuhören, ist wirklich unangenehm für mich. Da wäre mir eine Wurzelbehandlung lieber.
So schlimm?
Ich weiß auch nicht, vielleicht liegt es an mir. Ich möchte das einfach möglichst vermeiden. Nur in den äußersten Fällen, wenn ich mich an einen Part nicht mehr erinnern kann, wir es aber einstudieren wollen, dann zwinge ich mich dazu. Ich finde es aber auch besser so, denn wenn man einmal in diesen retrospektiven Tunnelblick gerät, kann der einen komplett einsaugen. Ich möchte mich nicht in diese Richtung bewegen, sondern immer vorwärtsgewandt bleiben.
Aber dann dürfte es dir ganz schön schwer gefallen sein, das alte Programm zu proben, oder?
Für Guns?
Ja. Ich meine, ihr spielt neuerdings ›Shadow Of Your Love‹ vor Publikum. Zum ersten Mal seit 31 Jahren! Das muss dann ja schon fast körperliche Schmerzen für dich bedeuten.
Nein, oh nein! Das ist Spaß! (gerät in schwärmerischen Ton) Das ist einer der Punkte, die richtig cool waren, als die Sache wieder zusammenkam. Weißt du, ich habe ja ein paar Guns-Songs in unterschiedlichen Bands gespielt, aber nie war es dasselbe wie mit der Gruppe, in der die Stücke entstanden sind. Auch nach so langer Zeit entdeckt man in all den Stücken immer wieder Neues. Und jetzt ›Shadow Of Your Love‹ wieder aufzugreifen, das ich zuletzt 1986 gespielt hatte, ist ein einzigartiger, nostalgischer Genuss, denn: Wer hätte das gedacht?!
Bei den Shows hat dich der Song auch ganz schön gepackt. Man konnte dich dazu die Bühne auf und ab rennen sehen und getanzt hast du dazu wie ein Anfangzwanziger.
Ja, das ist eine ordentliche Uptempo-Nummer, da ist es schwer, einfach nur da zu stehen.
Ich war ja gespannt, ob ihr den Song in euer neues Set aufnehmt.
(lacht) Ja, so ging es mir auch!
Hast du eigentlich während der letzten zwei Jahre auf der „Not In This Lifetime“-Tour einem deiner Bandkollegen von Guns N’ Roses etwas von deinem neuen Solomaterial vorgespielt? À la: „Hey Duff, hör mal, woran ich gerade arbeite!“
Nein…nicht wirklich. (lacht) Ihm sind die Lieder nicht bekannt. Nur ein einziges Mal habe ich mit ihnen eine der neuen Sachen angespielt. Als mein Sohn mich einmal auf Tour in den Staaten besuchte, setzte er sich während des Soundchecks kurz ans Schlagzeug und wir jammten gemeinsam über ein Riff, das auf LIVING THE DREAM zu finden ist. Das war es aber.
Ich vermute, du bist nicht der erste Ansprechpartner zu diesem Thema, lass uns aber bitte dennoch kurz über die Texte auf LIVING THE DREAM sprechen.
Oh, da solltest du wirklich mit Myles sprechen, denn ich hatte damit absolut rein gar nichts zu schaffen.
Das werde ich tun. Und trotzdem: Ich weiß, dass er in der Vergangenheit heimlich Themen für Songs aus Unterhaltungen mit dir gezogen hat. Hast du diesmal auch wieder den einen oder anderen Verdacht?
Nicht, dass ich es explizit wüsste, allerdings gab es schon ein paar Songs, bei denen ich mich fragte: „Ähm, worum geht es da genau?“ (seine Stimme schnellt nach oben) „Das ist ja beinahe schon privat!“ (lacht) Dann erklärte er es mir und es war okay. Und eine Vermutung habe ich doch noch: Da gibt es eine Nummer namens ›Serve You Right‹. Ich könnte wetten, dass ich weiß, woher die kommt! In der Toilette meines Studios habe ich ein Bild aufgehängt, auf dem eine Nonne zu sehen ist, die mit hochgezogener Kutte auf dem Boden sitzt und masturbiert. Du kannst ihn fragen, ich bin mir fast sicher! (lacht)
Im Opener ›Call Of The Wild‹ werden zum Thema Technologisierung eher pessimistische Worte gefunden. Denkst du, dass uns an diesem Punkt nicht mehr zu helfen ist?
Ahh, ach du Scheiße.
Entschuldigung!
Nein, nein, ist schon in Ordnung. Weißt du, ich bin wirklich so optimistisch, wie ein Mensch es nur sein kann. Und wenn man sich die Realität so ansieht, wie sich alles entwickelt hat, ist es unvorstellbar, das rückgängig zu machen. Nur würde man sich wünschen, dass die Richtung, in die es geht, eine andere wäre. Das ist ein allgemeines Problem, das nicht nur den technologischen Fortschritt betrifft. Was diesen im Speziellen angeht, ist es uns leider zur Gewohnheit geworden, uns von allen Wirklichkeiten zu entfernen. Wir ruhen uns darauf aus, alles auf dem einfachsten und unkompliziertesten Weg zu erreichen. Es braucht keinerlei Anstrengung mehr, kein Denken. Es steckt zwar in der Natur des Menschen, Dinge zu erfinden, die uns das Leben erleichtern, diese Bequemlichkeit erreicht allerdings ein Maß, in dem es einfach zu weit geht.