Im nächsten Monat waren die Doors für ihr drittes und letztes Engagement im Ondine’s zurück in New York: drei Wochen, drei Shows pro Abend, fünf Abende die Woche. Die Qualität dieser Auftritte variierte von Tag zu Tag, Show zu Show, manchmal sogar Song zu Song, je nach Jims Verfassung. Er war wütend über Pams Affäre mit Baker und diese Energie führte zu einigen seiner intensivsten Performances.
Auch die Band erreichte einen neuen Höhepunkt und wollte unbedingt noch nicht fertiggestellte Songs wie ›People Are Strange‹, eine überarbeitete Version von ›Moonlight Drive‹ und vor allem eine Art Fortsetzung von ›The End‹ spielen: ›When The Music’s Over‹. Genau wie der abgehobene Vorgänger konnte es an manchen Abenden zehn, 15 Minuten oder sogar noch länger dauern. Jim improvisierte Gedichte dazu, fügte neue Zeilen hinzu, neue Strophen, neue Worte, bei jedem Auftritt. Die Dachsparren der Decke des winzigen Clubs schienen seinen Kopf dabei wie eine hölzerne Krone einzurahmen, während die Band an ihren Instrumenten hypnotisiert war wie mittelalterliche Mönche, gebannt von ihren Erleuchtungen.
Elektra bereitete unterdessen die Veröffentlichung der radiofreundlichen Kurzfassung von ›Light My Fire‹ als ihre nächste Single vor, also musste die Band auch ihre Freizeit in New York nutzen: mehr Fotosessions, mehr Interviews als je zuvor. Und natürlich, zumindest für Jim, mehr Alkohol, mehr Drogen und mehr Frauen. Jeden Abend ging er zwischen den Sets an die Bar und kippte sich doppelte Wodka-Os hinter die Binde, während er jede Pille, jedes Pulver und jedes Mittelchen schluckte, die ihm diverse Trittbrettfahrer nur zu gerne reichten. In seinem schwarzen Lederanzug, mit seinem teefarbenen Haar, das in engelsgleichen Locken um sein ausnahmsweise rasiertes Gesicht fiel, sah er genau so aus wie in den kürzlich erschienenen „Young Lion“-Bildern von Joel Brodsky: genagelt an das Kreuz seiner eigenen, todgeweihten Schönheit.
Doch obwohl die Doors hier einige der eindrucksvollsten Darbietungen ihrer kurzen Karriere gaben, wurde Jims Leben jenseits der Bühne zur Hölle. Er mag immer noch wie ein Engel aus einem dekadenten Rockhimmel ausgesehen haben, doch im Inneren kämpfte er darum, den Kopf über Wasser zu halten in der Finsternis, in der er sich nun fand: gefangen zwischen seiner eigenen idealisierten Vision von sich selbst als hedonistischem Poeten und Künstler, als neuester, vielleicht größter Bewahrer des Steins der Weisen der Rockmusik, und den realistischeren Erwartungen der Plattenfirma Elektra, die mit ›Light My Fire‹, bald der größte Hit im legendärsten Sommer des Rock, den bisher massivsten Verkaufserfolg ihrer Geschichte feierte.
Der Rest der Band konnte nur zusehen und sich fragen, was wäre wenn …? Wie John Densmore 2012 beklagte: „Weißt du, Selbstzerstörung und Kreativität müssen nicht Teil desselben Pakets sein. Picasso wurde 91. Doch bei Jim gingen sie Hand in Hand, also musste ich das akzeptieren. Das mussten wir alle. Das war unser Schicksal in der Band.“ Oder wie Robby Krieger es formulierte: „Mit Jim war es nicht immer einfach. Es war es wert für das, was wir daraus gewannen. Aber es wäre wesentlich leichter gewesen, wenn er einfach nur ein normales Genie gewesen wäre, you know?“ Doch niemand sonst wollte, dass Jim ein „normales Genie“ war. Sie wollten nur das, was sie bekamen: Jim Phoenix, bereit, in Flammen niederzugehen.
Dieses Bild – das lichterloh brennende Feuer – sollte die Doors schließlich auf ihre Reise in die Nacht bringen und strahlt auch heute, ein halbes Jahrhundert später, noch hell und kraftvoll.
Klasse Story über eine meiner Lieblingsbands aus dieser Zeit. Höre die Songs heute noch und Jim… ein Idol meiner Jugend.
Vielen Dank, schön dass es Classic Rock gibt