Um die Wurzeln des Southern Rock zu erkunden, zapfen wir Billy Gibbons’ texanisches Expertenwissen aus erster Hand für ein paar Nachforschungen an.
Jener sich damals, Ende der 60er-Jahre im Süden der USA herauskristallisierende Sound, bettete sich in turbulente gesellschaftliche Verhältnisse. Auf den Südstaaten lastete nach wie vor das Erbe einer Gesellschaft, die nur knapp 100 Jahre zuvor und äußerst widerwillig die Sklaverei offiziell abgeschafft hatte. Erst 1954 hatte der Oberste Gerichtshof außerdem die Rassentrennung an Schulen verboten. Eine auf rassistischen Geisteshaltungen basierende Ungleichbehandlung von Schwarzen Amerikanern in allen Bereichen des alltäglichen Lebens war jedoch weiterhin an der Tagesordnung.
Martin Luther King kämpfte mit seinem „American Dream“ so friedlich wie möglich für die Gleichberechtigung, Aktivisten wie Malcolm X hingegen plädierten für einen Kampf mit allen Mitteln. Zudem wütete in dieser Zeit wieder verstärkt der zutiefst rassistische Ku-Klux-Klan, der in seinen prägnanten Gewändern und unter der Konföderiertenfahne die Vorherrschaft der Weißen verteidigen wollte und sich mit medienwirksamen Symbolen wie brennenden Kreuzen und gewalttätigem Verhalten sowie grausamen Morden in das kollektive Gedächtnis einbrannte. Die Vereinigten Staaten und ihr Süden, der im Krieg zwischen 1861 und 1865 unabhängig unter der Konföderiertenflagge kämpfte, waren ein gespaltenes Land voller Zerwürfnisse und Ungerechtigkeit.
Während seiner Amtsantrittsrede im Jahr 1963 rief George Wallace, Gouverneur von Alabama, noch laut-hals „Rassentrennung heute, Rassentrennung morgen und Rassentrennung für immer!“ und verhinderte nur wenig später persönlich, dass sich zwei afroamerikanische Studenten an der University Of Alabama einschrieben. J. F. Kennedy schickte daraufhin die Nationalgarde nach Alabama, um Wallace an weiteren Aktionen dieser Art zu hindern. Wallace ist auch der Mann, der in Lynyrd Skynyrds Hymne ›Sweet Home Alabama‹ mit den Zeilen „In Birmingham they love the governor, now we all did what we could do“ gemeint ist. Die dazwischen von den Background-Sängerinnen gerufenen Silben „Boo Boo Boo“ könnten als Kritik an Wallace gelesen werden.
In dieser zerrissenen Atmosphäre, in der zahlreiche Künstler versuchten, eine eigene Identität vor dem Hintergrund des blutigen Südstaaten-Erbes zu finden, bildete sich langsam ein neues Genre heraus. Allen voran The Allman Brothers Band um die Brüder Duane und Gregg konnte mit ihrem dritten Livealbum, dem grandiosen AT FILLMORE MORE EAST von 1971, die Schallmauer durchbrechen und einen neuen Sound anstoßen, der wenig später aufgrund der geografischen Verortung als Southern Rock bezeichnet wurde.
Das Album, wie auch die beiden Vorgänger, war bei Capricorn Records erschienen, dem 1969 in Macon, Georgia, von Phil Walden und Frank Fenter gegründeten Label , das einen essenziellen Ankerpunkt in der Geschichte des Southern Rock darstellt. Walden war aufgrund Duane Allmans grandiosen Solos auf Wilson Picketts Version von ›Hey Jude‹, die in den legendären Fame Studios in Muscle Shoals, Alabama, entstand, auf den Ausnahmegitarristen aufmerksam aufmerksam geworden und nahm ihn sofort unter Vertrag. Mit dem hippiesken Aussehen, ihrem Schwarzen Drummer Jai Johanny „Jaimoe“ Johanson und ihrer Passion für ausufernde Jams brachen die Allman Brothers im Gegensatz zu einigen ihrer Nachfolger mit zahlreichen Redneck-Klischees. Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung von AT FILLMORE EAST verstarb Duane dann auf tragische Weise im Alter von 24 Jahren an den Folgen eines Motorradunfalls.
Das noch mit ihm eingespielte Album EAT A PEACH erschien 1972, kurz darauf starb auch Bassist Berry Oakley bei einem Motorradunfall, nur wenige Meter entfernt von der Stelle, wo Duane zuvor verunglückt war. In den Folgejahren veröffentlichte The Allman Brothers Band das gefeierte BROTHERS AND SISTERS mit den Hits ›Ramblin’ Man‹ und ›Jessica‹, sowie wenig später WINE, LOSE OR DRAW. Danach trennte und reformierte sich die Truppe immer mal wieder mit wechselnden Line-ups. Gruppen wie The Marshall Tucker Band, die Cowboys, Stillwater oder Grinderswitch folgten den Allman Brothers Ende der 60er zu Capricorn Records. Somit war der Weg geebnet für eine Bewegung, die neben weiteren Bands wie Blackfoot, den extrovertierten Black Oak Arkansas oder etwas später Molly Hatchet und vor allen mit Lynyrd Skynyrd – deren Debüt PRONOUNCED ’LEH-’NERD ’SKIN-’NERD 1973 erschien – große Stars hervorbrachte.
Billy, welche Bands sind deiner Meinung nach die Prototypen des Southern Rock?
Da gibt es eine Handvoll. Und das ist für mich, ehrlich gesagt, einfach, da mal einen Schritt zur Seite zu gehen und mit dir darüber zu sprechen, denn Texas ist weit weg vom „Deep South“ und auch ganz anders. Wenn du Texas verlässt, fährst du durch Louisiana, Mississippi, Alabama, Georgia, Florida, South Carolina. Die vertrautesten Namen wären wohl die Allman Brothers, Marshall Tucker, Lynyrd Skynyrd, 38 Special und ein paar mehr, auf die wir Weihwasser sprenkeln könnten, obwohl sie nicht so bekannt sind. Alles in allem gab es in dieser Szene und diesen Regionen keinen Mangel an Persönlichkeiten. Und bis heute lebt dieser Sound weiter. Auch wenn wir geografisch gesehen sehr weit von einander entfernt waren, teilten wir am Ende doch dieselben musikalischen Inspirationsquellen. Weißt du, die großartige amerikanische Kunstform des Blues lebt im Rock’n’Roll weiter. Was wir heute als Rock’n’Roll bezeichnen, kommt zu 100 % von diesem eher simpel gehaltenen 12-Bar-Blues. Country, Pop, Rock’n’Roll – in all diesen Genres ist der Blues zu finden, ihnen allen sind gewisse Elemente gemein. Alle, die sich für Southern Rock interessieren, sollten ganz einfach Platten hören und tief eintauchen. Das ist echt cool!
Was dachtest du damals über Duane Allmans Gitarrenspiel?
Oh, das war von einem anderen Stern. Das ist echt schwer zu beschreiben, aber es gibt vielleicht ein oder zwei, die das ungefähr so können. Mein guter Freund Warren Haynes folgte ja Allmans Fußstapfen und er erzählte mir mal, dass er viele Komplimente bekommen habe, weil er angeblich den Duane-Allman-Code geknackt hätte. Aber er selbst meinte nur: „Ich bin immer noch so weit davon entfernt, Duane hatte etwas, das niemand anderes hat“.
Erinnerst du dich, wann du den Begriff „Southern Rock“ erstmals gehört hast?
Ja, ich denke, das kam erst lange, nachdem bereits Musik in diesem Stil gemacht worden war. Es gab da diese Bewegung, die man deutlich spüren konnte und man fragte sich: „Wie zur Hölle sollen wir das nennen?“ Als man den Sound dann örtlich festnageln konnte, war der Begriff klar. Somit konnte man wirklich ein sehr entscheidendes Parameter aus diesen Regionen ziehen. Nach dem Motto: „Ach, das ist doch dieses Zeug aus dem Süden. Oh, es ist Rockmusik! Na gut, dann nennen wir es ab jetzt Southern Rock“. Und es machte Sinn.
Die neue LP von Billy habe ich schon, auf die von ZZTop bin ich gespannt. Wieder ein gut geführtes Interview Frau Floßmann.
Ein treuer Fan der Southern-Rock-Liga inkl. aller anderen Rock-Musik-Stile der Staaten lese ich immer wieder gerne
Ihre Artikel die Stil haben.
MfG Rolf Maier