Trotzdem konnte dieser Erfolg den Bruch im Bandgefüge nicht mehr kitten, vor allem als die Kombination Byron-Hensley zunehmend toxischer wurde. David Byron war der geborene Frontmann – ein toller, wenn auch vielleicht kein großartiger Sänger, extravagant, ein unschlagbarer Entertainer. Ken Hensley mochte es nicht, wie viel Aufmerksamkeit er auf sich zog. Wie zwei stolze Gockel, ständig im Begriff, sich gegenseitig übertrumpfen zu wollen, hackten die beiden aufeinander ein. Hinzu kam Byrons exzessiver Alkoholmissbrauch, der sich irgendwann negativ auf seine Bühnenperformance auswirkte. Sein Verhalten wurde schließlich so problematisch, dass man ihn 1976 am Ende einer Spanien-Tournee zum Album HIGH AND MIGHTY rauswarf. Nun war guter Rat teuer. Der öffentlichkeitswirksame Mittelpunkt von Uriah Heep hatte das Schiff verlassen. Da Mick Box wusste, dass Davids Fußstapfen zu groß waren, um sie mit einem Ersatz von ähnlichem Format zu füllen, entschied er sich für einen kompletten Anti-Byron. John Lawton, ehemals bei den Les Humphries Singers und den deutschen Proto-Metallern von Lucifer’s Friend, blieb für die Platten FIREFLY, INNOCENT VICTIM und FALLEN ANGEL bei Uriah Heep und verschaffte ihnen vor allem Erfolge in Deutschland. Danach ließ Hensley Lawton aufgrund persönlicher Differenzen feuern und Sänger John Sloman besetzte die offene Stelle am Mikrofon. Diese Konstellation ging für genau eine Platte namens CONQUEST gut, dann schmiss Hensley 1980 endgültig das Handtuch.
Seit diesem Tag ist vom harten Kern der Band nur mehr Mick Box übrig, der das Heep-Schiff durch so manch raue See gesegelt hat. Nach einem Tiefpunkt und einer kleinen Renaissance im Jahr 1982 mit dem Album ABOMINOG, das ihnen mit ›On the Rebound‹ und ›That’s the Way That It Is‹ zwei kleinere Hits in den US-Charts bescherte, ist seit 1986 etwas mehr Frieden eingekehrt in der von Drama durchtränkten Truppe. Damals heuerte Box Bernie Shaw am Gesang und Phil Lanzon an den Keys an – zwei gute Freunde, mit denen er inzwischen seit über 25 Jahren das große Erbe von Uriah Heep verwaltet. Drummer Russell Gilbrook ist seit 2007 mit an Bord, Bassist Davey Rimmer stieß 2016 zur Crew. In dieser Formation veröffentlichte die Band nun ihr wunderbares 25. Studioalbum CHAOS & COLOUR. Ein Grund mehr, Mick Box nun das Wort zu überlassen.
Obwohl du mehr erlebt hast, als die meisten Menschen sich erträumen können, ist eine weltweite Pandemie auch für dich ein erstes Mal. Wie hat dich diese Erfahrung beeinflusst?
Da geht es ja schon beim Titel des Albums los. Das Chaos bezieht sich auf die chaotischen Zeiten, in denen wir leben. Ich glaube fest daran, dass Musik eine irre Kraft besitzt und viele Leute durch die Lockdowns gebracht hat – sie brachte die Farbe. Auf dem Artwork ist das mit einem schmerzverzerrten Gesicht und einer Farbexplosion dargestellt. Die ganze Situation war seltsam für alle von uns. Normalerweise habe ich für ein Album tausende Ideen auf meiner Gitarre, mein Schreibpartner Phil Lanzon hat brillante Einfälle auf seinem Keyboard, wir sitzen zusammen in einem Raum und spielen uns die Bälle zu. Das geht alles sehr schnell. Diesmal arbeiteten wir mit Facetime und Zoom, per Datentransfer, das zog sich mehr als sonst. Wenn Covid überhaupt irgendetwas Gutes bewirkt hatte, dann, dass es den anderen aus der Band die Zeit gab, sich hinzusetzen und ebenfalls am Schreibprozess teilzuhaben. Davey und Jeff Scott Soto arbeiteten gemeinsam einen Song aus, unser Drummer und ein befreundeter Gitarrist von ihm hatten ebenfalls einige Ideen. Das war fantastisch und neu, weil seit 1987 eigentlich immer nur Phil und ich schreiben.
Viele Künstler*innen wollten die Pandemie aus ihren Werken heraushalten. Wie siehst du das?
Die Pandemie schlug dir ins Gesicht, da kommt man als Musiker doch gar nicht aus. Als Künstler hast du immer die Möglichkeit der Reflexion und die muss ja nicht negativ verlaufen. Es gibt immer Hoffnung, Glauben, einen gewissen Spirit – so war unsere Haltung zu der ganzen Sache. Einige der neuen Songs wie ›Save Me Tonight‹ streifen diese Thematik. In ›One Nation, One Sun‹ kommentierten Phil und ich die weltweiten Unruhen. In dem Song findet man die Textzeile „sleep is a big healer“, damit meinen wir, dass man mal für ein paar Augenblicke aus dem ewigen Karussell ausbrechen müsste, um die Dinge neu zu bewerten, bevor wir wieder einsteigen.
Für die Aufnahmen habt ihr euch aber trotzdem alle im Studio getroffen. Warum?
Ich würde ein Bandalbum niemals anders aufnehmen. Nur so bekommt man das Aroma und das Feeling der Band in die Platte hinein. Das Herumschicken von Daten führt meiner Auffassung nach zu einem kalten, sterilen Endprodukt. In dieser Suche nach digitaler Perfektion kann viel Magie verloren gehen. Tatsächlich handelt der Song ›Closer To Your Dreams‹ genau davon, er ist ein Aufruf!
Viele Künstler wie beispielsweise Def Leppard nahmen ihre neuen Alben getrennt voneinander auf und liebten diesen Arbeitsmodus. Ich finde es ja schöner, wenn eine Band gemeinsam im Studio ist.
Das sehe ich ähnlich. Man agiert als Einheit und für Bands wie Heep ist das unerlässlich. Auf der anderen Seite verstehe ich Def Leppard auch. Wir sind gut miteinander befreundet, es wird sie also nicht stören, wenn ich das sage. Als die Jungs am Höhepunkt waren, diktierte die Technologie, wie man zu klingen hatte. Mutt Lange war ihr Produzent, alles war perfekt. Das hört man dem Endprodukt auch an. Der zeitliche Aufwand jedoch, die Kosten – das war horrend. Und vielleicht geht man sich da auch mal auf die Nerven. Wir haben CHAOS & COLOUR in 17 Tagen aufgenommen. Wenn wir einen Backing Track einspielen, brauchen wir nicht mal einen Click, wir machen das nach Gefühl. Wenn das Arrangement fertig ist, haben wir den Song eigentlich nach drei Versuchen im Kasten. Wenn du als Band gemeinsam spielst, gibt es so Momente, wo es plötzlich klickt. Das passiert bei einem Datentransfer nicht. Die Emotion, die du nur miteinander erschaffen kannst, schlägt sich auch im Endprodukt nieder.
Nach all den Jahren: Was ist heute dein Anspruch an ein neues Heep-Werk?
Hochqualitative Rocksongs, um es mal herunterzubrechen. Auf jedem Album von früher bis zu CHAOS & COLOUR gab es immer den geradlinigen Rocker, die Prog-Anteile, eine Ballade. Wir versuchen, all diese Genres zu integrieren. Am Ende des Tages muss der Song einfach gut sein, eine gute Melodie haben – denn daran erinnert man sich – und einen tollen Text mit Aussage. Und in Uriah Heep fällt dieser Text normalerweise positiv aus, wir waren schon immer eine Band, die lieber das Gute über das Böse siegen ließ.
Ihr veröffentlicht noch regelmäßig Platten. Ich sprach mal mit Francis Rossi von Status Quo und er meinte, dass sich Alben nicht mehr lohnen.
(lacht) Man darf nicht auf die finanziellen Aspekte schauen, denn das ist einfach nur lächerlich. Künstlerisch gesehen jedoch muss man sich fortbewegen. Die Fans lieben es, wir lieben es. Ich könnte nie ein „Shoegazer“ sein, du weißt schon, einer, der nur seine Hits spielt und dabei gelangweilt auf seine Schuhe schaut. (lacht) Es geht um Leidenschaft. Leidenschaft für neue Musik, Leidenschaft für meine Gitarre – das ist in meine DNS eingraviert. Ich schreibe gerade schon wieder an neuen Songs, der nächste Abschnitt wartet schon.
Wie gehst du nach 25 Platten ans Songwriting heran? Wie findest du auf derselben Gitarre immer wieder neue Melodien?
Das Geheimnis liegt darin, die Gitarre ständig zu wechseln! (lacht) Aber um mal ernsthaft auf deine Frage zu antworten: Ich hatte noch nie eine Schreibblockade. Jeden Tag halte ich ein Riff, eine Akkordfolge oder eine Textzeile fest. Vor der Pandemie haben wir in 62 Ländern dieser Erde gespielt, da fliegt dir echt genug Inspiration zu.
Weißt du noch, was dein erster Kontakt zum Rock’n’Roll war?
Das war eine Band namens Johnny Kidd & The Pirates. Die hatten einen Song namens ›Shakin All Over‹ mit einem tollen Gitarrenriff. Der Gitarrist hieß Mickey Green, er spielte eine wundervolle Telecaster und mir lief das Wasser im Mund zusammen vor Begeisterung. Damals war ich etwa 14 Jahre alt. Im East End Londons war Mickey Green der Gitarrist der Stunde. Mein zweites Konzert war ebenfalls im East End, da sah ich Them mit Van Morrison am Gesang. Sie spielten einen Song namens ›Baby, Please Don’t Go‹ und ich war total von den Socken. Danach wollte auch ich unbedingt Gitarre spielen.
Viele britische Gitarristen aus dieser Zeit nennen auch Hank Marvin von den Shadows als großes Vorbild.
Der Kerl war phänomenal. Sein Ton und seine Kontrolle über die Gitarre waren unvergleichlich. Ein großartiger Musiker. Als ich loslegte, hatte ich ein paar Unterrichtsstunden bei dem zweiten Gitarristen von Django Reinhardt. Natürlich war sein Lehrstil ziemlich jazzig. Ich liebte die Wechselrichtung der Akkorde und wie man sich dadurch außerhalb der klassischen E-A-D-Folge ausdrücken konnte. Durch ihn kam ich auch zu Künstlern wie Les Paul und Marie Ford. Ich nahm etwa sechs Monate lang Unterricht, danach legte ich Platten auf und spielte dazu. So fing ich an.
Was war deine erste elektrische Gitarre?
[Zeigt über seine Schulter auf eine Gitarre, die hinter ihm an der Wand hängt. Anm. d. Red.] Diese wundervolle Gitarre hier, die neben dem Portrait meiner Mutter hängt. Eine Telston. Meine Mutter kaufte sie mir für etwa 12 Pfund bei einem Pfandleiher und sie begleitet mich bis heute. Mein Gott, erstens hatte ich damals keine Ahnung von Gitarren und zweitens war die Technik ja noch nicht so weit. Du musstest eine Stimmgabel zum Stimmen benutzen. (lacht) Ein echter Albtraum. Deine Finger bluteten, weil die Saiten so scharf und rostig waren, aber das war egal.
Weißt du auch noch, wann und warum du deine Leidenschaft für das Wah-Wah-Pedal entdeckt hast?
Das war, weil Jeff Beck 1968 sein Album TRUTH veröffentlichte. Bis heute eine meiner Top-10-Platten aller Zeiten. Das und der Nachfolger BECK-OLA, beide mit Rod Stewart am Gesang – niemals wieder sang er so großartig. Und dann noch Ronnie Wood am Bass, was für ein Album! Und eben total Wah-basiert, das Pedal verhalf der Gitarre zum Sprechen. Wieder traf das total meinen Geschmack, genauso wollte ich das auch handhaben. Also kaufte ich ein „Jim Dunlop Cry Baby“ und fing an, damit zu arbeiten. Abseits der Wah-Qualitäten benutze ich dieses Pedal als eine Art Tonverlängerung. Wenn ich eine Saite bende, trete ich auf das Pedal und finde so zu einem Ton, der durch die Band schneidet. In Uriah Heep gibt es eine laute Hammond Orgel, einen lauten Bass, zwei Bassdrums – ich muss also versuchen, eine Frequenz zu suchen, die sich auf diesen wuchtigen Teppich setzen kann, ohne darin unterzugehen. Für mich ist das Wah-Wah also eher ein Ausdruckspedal.
Uriah Heep, Black Sabbath, Deep Purple, Led Zeppelin sind und bleiben Legenden
sehe ich ebenso, denn die Dekaden ab Ende der 1960ziger bis Mitte der 1980ziger waren meiner Meinung nach die wichtigsten Musik-Dekaden. Jede Menge an innovativer Musik wurde in diesen Zeiträumen von kreativen Musikern und Musikerinnen geschrieben.
Dabei entstanden zeitlose Songs, die heute noch an hörbar sind, zumindest für mich.
Die heutigen Musiker-Generationen sind denen von damals ebenbürtig, haben die bessere Technik zur Verfügung um ihre Kreativität um zu setzen.
Meiner Meinung nach ist es nicht möglich, das heißt nicht gerecht die heutige Musik-Schaffenden mit den damaligen, unseren Legenden in Konkurrenz´zu setzen, da die technischen Möglichkeiten damals zu heute exorbitant für heutige Musiker besser sind.
Die Leistung der damaligen Musiker war bezogen auf die technischen Möglichkeiten die sie zur Verfügung hatten absolut genial.
Ich denke so wird eines noch fernen Tages ähnlich über die Leistungen der aktuellen Musiker-Generationen gedacht werden.
Ken Hensley schrieb für mich den Soundtrack meines Lebens…. 72 kam ich weiss der Teufel warum über Mag. Birthday zu U.H. in kurzer Zeit wurden alle Vor-Alben bestellt und konsumiert. Nach dem Ausstieg von Mastermind Hensley war die Aura dieser Band unwiderruflich verschwunden. Heute höre ich Rain..The easy road..Tailes..Dreamer und Salisbury mit einer ganz anderen Sich als in den Siebzigern.. So long Uriah Heep
Ken Hensley schrieb für mich den Soundtrack meines Lebens…. 72 kam ich weiss der Teufel warum über Mag. Birthday zu U.H. in kurzer Zeit wurden alle Vor-Alben bestellt und konsumiert. Nach dem Ausstieg von Mastermind Hensley war die Aura dieser Band unwiderruflich verschwunden. Heute höre ich Rain..The easy road..Tailes..Dreamer und Salisbury mit einer ganz anderen Sicht als in den Siebzigern.. So long Uriah Heep