Während Dr.-Feelgood-Gründungsmitglied, Gitarrist, Sänger, Mundharmonikaspieler, Kettenraucher und passionierter Trinker Lee Brilleaux bereits 1994 dem Krebs erlegen ist, hat sein Bandkollege Wilko Johnson zumindest momentan die heimtückische Krankheit besiegt. Ist aber nicht Teil der aktuell aktiven Besetzung, zu der kein einziges Original mehr zählt. 1971 werden Dr. Feelgood von den beiden in der Nähe von Southend, Essex gegründet.
Den Namen klaut man sich von der gleichnamigen Single von Johnny Kidd & The Pirates. Früh macht sich die wilde und trinkfeste Truppe einen Namen durch starke Liveauftritte in den Pubs, kann aber auch mit den ersten Alben, DOWN BY THE JETTY und MALPRACTICE, punken und punkten. Denn sowohl im Fahrtwind des britischen Blues-Booms, als auch der aufkommenden Pogo-Ära in ihrer Heimat erfreut sich die Band großer Beliebtheit beim Publikum. Mit dem Live-Mitschnitt STUPIDITY kommt 1976 der Durchbruch und man erreicht die Spitzenposition der englischen Charts. Dennoch verlässt wenig später Johnson die Band aufgrund interner Probleme und wird durch Gypie Mayo ersetzt.
Dieser geht 1980, landet aber noch ein Jahr zuvor mit ›Milk And Alcohol‹ einen Top-10-Hit, der bis heute die Trademarknummer der Pub- und Bluesrocker ist und bei keinem Auftritt fehlen darf. Da 1982 der Ur-Basser und der Original-Schlagzeuger die Kneipe bzw. die Band verlassen haben, ist man mit wechselnden Line-ups im Studio und auf der Bühne unterwegs. Seit den späten 90ern wird unermüdlich weiter getourt und diverse Studio-, Cover- und Live-Alben werden veröffentlicht. Die Zeit der großen Hits ist allerdings endgültig vorbei und es ist fraglich, ob man noch einmal einen neuen Longplayer angeht.
Mit dem bereits seit 1983 trommelnden Kevin Morris, dem langjährigen Bassisten Phill Mitchell und (seit Ende der 80er) Gitarrist Steve Walwyn, der schon mit Roger Chapman und den ebenfalls aus Southend stammenden Eddie & The Hot Rods spielte, hat man verdiente und ausdauernde Mitstreiter am Start. Mikrofon und Harmonika schwingt seit 20 Jahren Robert Kane.
In der letzten Zeit erblicken vorwiegend Compilations wie WOLFMAN CALLING – THE BLUES OF LEE BRILLE-AUX (2003) oder I’M A MAN – THE BEST OF THE WILKO JOHNSON YEARS 1974–1977 (2015) mit Schwerpunkt auf den Anfängen der scheinbar doch unverwüstlichen Truppe das Licht der Welt. Die hat zuletzt vor der Pandemie noch deutsche Bühnen unsicher gemacht und beackerte danach unermüdlich das Vereinigte Königreich.