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Werkschau: The Beach Boys

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Werkschau: The Beach Boys

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Der Archetyp der kalifornischen Popband hat wahre Meisterwerke veröffentlicht – aber auch ziemlichen Schrott. Wir trennen die Spreu vom Weizen.

Wer in den vergangenen 50 Jahren ein Radio besaß, der hat sie fast zwangsläufig schon einmal gehört: die perfekten Harmoniegesänge der Beach Boys, meist verpackt in fröhlich-flockige Zweieinhalbminuten-Popsongs. Ein Stückchen Kalifornien, das auch europäische Winter erträglicher macht. Oden an die Sonne, den Strand und einen freien, unbesorgten Lebensstil. Doch die Beach Boys konnten auch anders. Ganz anders.

Als Mitte der sechziger Jahre Songs über Surfbretter und Hot Rods an Relevanz verloren, nahm der kreative Freigeist Brian Wilson, Bassist, Sänger, Produzent und ambitioniertester Songwriter der Band, die Herausforderung an: Inspiriert vom sich wandelnden Zeitgeist – und von den experimentelleren Werken der Beatles – wuchs der schüchterne, etwas eigenbrötlerische Perfektionist über sich hinaus. Und schuf opulent inszenierte Pop-Meisterwerke, die sich ihrerseits als stilprägend erweisen sollten.

Das Drama nahm dennoch seinen Lauf. Brian Wilson, psychisch labil, hatte sich längst vom Tourneegeschäft zurückgezogen, brütete in seinem Strandzimmer an neuen Songs – die vom Rest der Band nicht immer goutiert wurden. In den späten sechziger, frühen siebziger Jahren nahmen die Beach Boys anständige Alben auf, doch ihr Stern begann langsam zu sinken. 1988 gelang ihnen mit dem allzu leichtgewichtigen Soundtrack-Beitrag ›Kokomo‹ zwar noch ein Hit, doch darüber hinaus waren sie eher ein Fall für „Oldies“-Tourneen. Schlagzeuger Dennis Wilson war bereits 1983 bei einem Tauchunfall ertrunken, zwei Jahre nach dem vorerst letzten Album starb 1998 sein Bruder Carl an Krebs. Die Beach Boys schienen endgültig Geschichte zu sein, doch im Frühsommer 2012 erschien mit THAT’S WHY GOD MADE THE RADIO tatsächlich ein neues Studioalbum – abgesehen von ein paar Durchhängern ein erstaunliches Comeback.

Unverzichtbar

Pet Sounds
CAPITOL/EMI, 1966

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Nicht nur ein Klassiker des Sixties-Pop, sondern der Popkultur schlechthin: Produzent Brian Wilson nutzte die Möglichkeiten des Studios auf geniale Weise aus, schichtete elektrische und orchestrale Klänge zu perfekt inszenierten Pop-Symphonien. Soviel zum handwerklichen Aspekt, der ohne entsprechendes Songmaterial hohle Fassade geblieben wäre, doch auch hier gab sich Wilson keine Blöße: Der Opener ›Wouldn’t It Be Nice‹ überrascht mit dynamischen Tempo-wechseln, ›God Only Knows‹ ist das wohl schönste Liebeslied aller Zeiten, ›Caroline, No‹ brilliert mit Cembaloklängen und leicht jazzigem Feel.

The Smile Sessions
CAPITOL/EMI, 1966/2011

Smile sessions
SMILE, als Nachfolger von PET SOUNDS gedacht, geriet für Brian Wilson zum Fiasko: Die Band, allen voran Sänger Mike Love, mochte sein abstraktes Konzept nicht, die Plattenfirma zauderte – und brachte statt dessen das wesentlich glattere und seiner ursprünglichen Exzentrik beraubte SMILEY SMILE heraus. Die Originalbänder von 1966 habe Wilson zerstört, hieß es lange – ein Irrtum, der es 2011 ermöglichte, dieses schon mythenumwobene „lost album“ der doch noch zu veröffentlichen: Auf THE SMILE SESSIONS finden sich neben den Original-Takes auch allerlei Alternativversionen.

Aus Brian Wilson’s Solowerken

That Lucky Old Sun
CAPITOL/EMI, 2008

That Lucky Old Sun
›I Just Wasn’t Made For These Times‹ hieß 1966 einer von Brian Wilsons Songs, eine Aussage, in der mit großer Wahrscheinlichkeit mehr als nur ein Körnchen Wahrheit steckt. Mit THAT LUCKY OLD SUN schuf er jedenfalls einen Songzyklus, der 2008 mit seinen narrativen Passagen wie aus der Zeit gefallen schien – eine allumfassende Rückkehr zu den Ursprüngen, treffend und bisweilen melancholisch untermalt von Songs wie ›Going Home‹, ›California Role‹, ›Forever She’ll Be My Surfer Girl‹ und ›Southern California‹. In einem früheren Jahrhundert wäre Brian Wilson wohl „Hofkapellmeister“ geworden…

Brian Wilson Reimagines Gershwin
WALT DISNEY RECORDS, 2010

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Es ist leider so: Wenn sich Popmusiker an jazzigen oder klassischen Vorlagen vergreifen, kann das ganz schnell zum künstlerischen Totalverlust führen. Aber eben nicht bei Brian Wilson, der das Gershwin-Material in erfreulich eigenwillige Arran-gements kleidete. Begleitet von großem Orchester, sind die 14 Stücke eine im positiven Sinne seltsame Mixtur aus Beach-Boys-Pop, Jazz, Great American Songbook, Klassik und Easy Listening. Fraglos ein bemerkenswertes Stück Musik, doch eine gewisse stilistische Offenheit sollte der geneigte Hörer schon mitbringen.

Wunderbar

Sunflower
REPRISE RECORDS, 1970

sunflower
Die späten Sechziger waren keine leichte Zeit für die Beach Boys – der „typisch kalifornische“ Sound kam jetzt von Hippie-Heroen wie den Grateful Dead, und die klangen völlig anders. Nach eher mittelmäßigen Werken gelang ihnen mit SUNFLOWER jedoch der Befreiungsschlag. Streckenweise bemerkenswert rockig, dann wieder gewohnt harmonieverliebt, bewiesen die Beach Boys zumindest eines: Dass sie noch immer in der Lage waren, zeitgemäße, relevante Songs zu schreiben. Etwa ›All I Wanna Do‹, ›It’s About Time‹ und ›This Whole World‹. Nur bekam das damals kaum jemand mit: Die Verkäufe waren sehr mäßig.

Surf’s Up
REPRISE RECORDS, 1971

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Die Beach Boys hatten kreativ betrachtet einen regelrechten Lauf: SURF’S UP, der Nachfolger von SUNFLOWER, manifestierte ihren Wechsel zu zeitgenössischen Sujets – etwa ›Student Demonstration Time‹, ein ungewohnt direktes Statement wider die damals eskalierende Poli-zeigewalt. Ökosongs wie ›A Day In The Life Of A Tree‹ und ›Don’t Go Near The Water‹ muten aus heutiger Sicht naiv an, spiegelten aber das geschärfte politische Bewusstsein der Band. Ein musikalisch und weitgehend auch textlich gehaltvolles Album, das seinerzeit zwar kein Megaseller war, aber doch deutlich erfolgreicher als der Vorgänger.

Summer Days (And Summer Nights!!)
CAPITOL/EMI, 1965

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Einer der Höhepunkte der hochproduktiven Prä-PET-SOUNDS-Phase: Kein konzeptioneller Überbau, keine exotischen Stu-dioexperimente, aber ein Dut-zend prägnanter, überaus kurzweiliger Pop-Songs. Vier davon fehlen auf kaum einem der vielen Best-Of-Sampler: das Phil-Spec-tor-Cover ›Then I Kissed Her‹, ›You’re So Good To Me‹, das vorwärts strebende ›Help Me, Rhonda‹ und natürlich Wilsons und Loves Jubel-Arie auf die ›California Girls‹. Und mit ›And Your Dreams Come True‹ gibt’s als Rausschmeißer eine brillant gesungene A-Capella-Nummer.

All Summer Long
CAPITOL/EMI, 1964

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California über alles: zwar kein echtes Konzeptalbum, letztlich aber doch eine musikalische Hommage an den Sonnenstaat. Da kann man die ›Girls On The Beach‹ bewundern, mit der ›Little Honda‹ beherzt durch die Gegend kurven und dem ›Drive-In‹ einen Besuch abstatten. Mit ›Carl’s Big Chance‹ gibt’s letztmals von den Beach Boys ein klassisches Surf-Instrumental, ›Wendy‹ ist in großartige Harmonien gegossener Liebeskummer, und einen echten Nummer-1-Hit hat das Album auch noch an Bord: ›I Get Around‹. Kurios: das letzte Stück ›Our Favorite Recording Session‹, ein Auszug aus der Studioarbeit.

Anhörbar

Beach Boys’ Party
CAPITOL/EMI, 1965

beach boys party
Eigenartige Idee: Kein echtes Live-Album, sondern eine Studiosession, die mit Partygeräuschen unterlegt wurde. Sehr „sixties“, das Ganze, wobei die Beach Boys außer einem kurzen Hit-Medley komplett auf Fremdkompositionen zurückgriffen. Etwa von Bob Dylan (›The Times They Are A-Changing‹) und den Beatles (›Tell Me Why‹, ›I Should Have Known Better‹, ›You’ve Got To Hide Your Love Away‹). Unplugged mit Akustikgitarren und Bongos eingespielt, ist das Werk nicht ohne Charme, letztlich aber doch nicht wirklich relevant. Als Single wurde ›Barbara Ann‹ ausgekoppelt – damals ein weltweiter Hit.

Holland
REPRISE RECORDS, 1973

holland
In den USA war ihr Stern bereits gesunken, doch in good ole Europe hielt man den Beach Boys auch weiterhin die Treue. Weshalb die Band ihr 73er-Studioalbum in – richtig geraten – Holland einspielte. Die Distanz zu den USA tat offenbar gut, Brian Wilsons Beteiligung war jedoch minimal, beschränkte sich ursprünglich nur auf ›Funky Pretty‹. Doch die Plattenfirma bestand auf einer potenziellen Single, weshalb Brians ›Sail On Sailor‹ nachträglich draufgepackt wurde. Ein paar hundert Stück erschienen in Europa allerdings versehentlich mit dem Song ›We Got Love‹ – heute gesuchte Sammlerstücke.

That’s Why God Made The Radio
CAPITOL/EMI 2012

that's why god made the radio
Man hatte kaum noch damit gerechnet: Carl und Dennis sind schon lange tot, Brian ist kränklich und bekanntlich auch nicht mehr der Jüngste. Dass 2012 überhaupt ein neues Beach-Boys-Album erschien, war also schon Sensation genug, und großartige Stücke wie ›From There To Back Again‹, ›Shelter‹ und ›Pacific Coast Highway‹ trösten über die schwächeren Momente elegant hinweg. Rührend: ›Summer’s Gone‹, Wilsons Fazit nach 50 Jahren Pop-Biz. Brillant: der noch immer großartige Harmonie-gesang in ›Think About The Days‹. Trotz mancher Schwäche ein würdevolles Comeback.

Sonderbar

Keepin’ The Summer Alive
CARIBOU RECORDS, 1980

keepin the summer alive
Theoretisch eine gute Idee. Aber eben nur theoretisch: Jede Men-ge Harmonien, jede Menge Reminiszenzen an die glorreiche Vergangenheit und jede Menge Hochglanzlack, damit das Ganze halbwegs zeitgemäß klingt. Tat es aber schon 1980 nicht mehr, zudem krankte das Album an der perfektionistischen, aber leider komplett leblosen Produktion. Als Co-Songwriter trat Carl Wilsons neuer Kumpel Randy Bachmann in Erscheinung, der aber auch nichts zur Rettung beitragen konnte. Die Beach Boys empfahlen sich hier höchstens für Oldies-Tingeltangel durch die Seebäder. Traurig.

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