Mit MIRROR TO THE SKY nähern sich Yes den goldenen 70ern so stark an wie lange nicht mehr. Keyboarder Geoff Downes erläutert die Hintergründe.
Geoff, es heißt, dass die Erlaubnis für ein neues Yes-Album im Stil der 70er-Jahre höchstpersönlich von eurem Label-Boss kommt.
Es stimmt, wir genießen tatsächlich die volle Rückendeckung unserer Plattenfirma. Zudem hat sich unser Label nicht in die künstlerischen Belange eingemischt, sondern uns absolut freie Hand gelassen. So konnten wir unserer Kreativität freien Lauf lassen und unsere musikalischen Visionen bedingungslos umsetzen. Zeitgleich gibt es offenbar eine Rückbesinnung auf die Musik der 70er, mit Bands wie uns oder auch Emerson, Lake & Palmer. MIRROR TO THE SKY soll beweisen, dass wir diese Art Songs immer noch draufhaben.
Mit einem erstaunlich vitalen Resultat, wie ich finde.
Das Vorgängerwerk THE QUEST entstand während der Corona-Pandemie, als wir aufgrund des Lockdowns keinen persönlichen Kontakt untereinander hatten. Jeder musste zu Hause und allein an seinen Ideen arbeiten und die Files mailen, da wir uns nicht treffen konnten. Diesmal haben unser Sänger Jon Davison und unser Schlagzeuger Jay Schellen mehr Zeit in England verbracht, sodass wir wieder auf die bei Yes übliche Weise arbeiten konnten. Wir probierten neue Ideen unmittelbar aus und diskutierten Entscheidungen mit allen Beteiligten. Dadurch sind einige erstaunlich lange Lieder entstanden!
Auf THE QUEST waren die Stücke eher gesangsorientiert und weniger instrumental-ausladend.
Diesmal klingt vieles wie damals in den 70ern. Denn MIRROR TO THE SKY ist im Geist von CLOSE TO THE EDGE oder TALES FROM TOPOGRAPHIC OCEANS entstanden, mit entsprechend ausladenden Arrangements.
Fiel es euch schwer, erstmals seit Jahren wieder längere Songs zu schreiben?
Nein, überhaupt nicht, denn wir hatten massenhaft Ideen. Zudem wusste Steve Howe als unser Gitarrist und Produzent genau, was er wollte.
Woran erkennt ihr, ob ein neuer Track zu Yes passt?
Meistens zeigt sich bereits am Anfang, ob er etwas taugt oder nicht. Für mich gilt: Wenn ein Stück eine epische Richtung hat, passt es zu Yes, wenn eine Idee dagegen etwas geradliniger und straffer ist, könnte sie eher für meine zweite Gruppe Asia geeignet sein. Allerdings passiert es auch schon mal, dass durch den Einfluss meiner Bandkollegen aus einer simplen Idee etwas völlig anderes wird. Ich erinnere mich noch gut daran, als John Wetton mit dem Grundgerüst des größten Asia-Hits ›Heat Of The Moment‹ ankam. Ursprünglich eine Art Country-Nummer, die wir dann zu einem echten Rock-Song umbauten. Es ist immer ine Frage, wie man eine Nummer arrangiert.
Man sollte als Yes-Komponist seine Ideen also möglichst konkret ausarbeiten, damit sie nicht allzu stark verändert werden?
Ehrlich gesagt könnte ich einen Yes-Song gar nicht zu 100 Prozent allein schreiben, denn man arbeitet ja in einer Gruppe, um möglichst von den Ideen der anderen zu profitieren. Natürlich sind bei meinen Stücken die grundlegenden Bauteile zumeist vorhanden, aber durch meine Kollegen bekommen die Lieder ein höheres Niveau, ein Level, das mir allein in dieser Qualität nicht gelingen würde. Ich mag das, denn es hilft mir, mich als Künstler weiterzuentwickeln und an Resultaten beteiligt zu sein, mit denen ich selbst nicht gerechnet hätte.
Galt diese Regel bei Yes immer schon?
Als ich 1980 erstmals dazukam, war ich überrascht, wie viel Unterstützung ich von meinen neuen Mitmusikern erhielt. Ich hatte damals noch nicht so viel Erfahrung und musste mich erst daran gewöhnen, dass es bei Yes keine gewöhnlichen Popsongs gibt. Anfangs stellte das für mich eine große Herausforderung dar, die mir aber gleichzeitig dabei half, als Künstler zu wachsen. Ich war damals sehr stolz auf meine erste Platte mit Yes. DRAMA ist ein besonders kraftvolles Werk, wir hatten wirklich das Beste aus uns herausgeholt. Gleichzeitig musste ich aber auch die wichtigsten Stücke der vorherigen Alben lernen, vor allem die von RELAYER und TALES FROM TOPOGRAPHIC OCEANS, den beiden großen Yes-Scheiben der 70er, an denen noch meine Vorgänger Tony Kaye und Rick Wakeman beteiligt waren. Ein unfassbar spannender Lernprozess für mich.
Von welchem Yes-Werk konntest du am meisten lernen?
Ich denke, vor allem von FRAGILE und YESSONGS, zwei wichtigen Scheiben jener Jahre. Ich hatte zuvor am College moderne Musik studiert, dort waren einige dieser Lieder fester Bestandteil des Unterrichts. Nachdem ich das College verlassen hatte, zog ich nach London, arbeitete zunächst für diverse Projekte, komponierte Werbejingles und gründete The Buggles. Das war meine musikalische Ausbildung.
Du hast Rick Wakeman erwähnt. Bist du mit ihm befreundet?
Ja, kann man so sagen. Wir sehen uns von Zeit zu Zeit, erst kürzlich habe ich ihm mit einigem Equipment ausgeholfen, da seines gestohlen wurde.
Es gibt zwischen euch also keine Eifersüchteleien?
Nein, überhaupt nicht. Ich bewundere ihn für das, was er mit Yes geleistet hat, seine Beiträge auf FRAGILE sind bahnbrechend, bei CLOSE TO THE EDGE hat er absolut Meisterhaftes abgeliefert. Rick brachte die Klassik zu Yes, er hat ungewöhnliche Instrumente wie Cembalo oder Kirchenorgel gespielt und ist ein wahrer Pionier. Für mich war es ungemein spannend, seine Parts und auch die von Tony Kaye zu lernen. Durch Rick stieg das Niveau der Gruppe enorm an, und für mich ist er bis heute ein wichtiger Einfluss.
Ist es als Musiker generell einfach, mit Yes zu arbeiten?
Oh ja, absolut, und ehrlich gesagt hat mich das damals ziemlich erstaunt. Von außen betrachtet machen große Bands oftmals einen völlig anderen Eindruck. Yes jedoch waren total professionell, sehr akkurat bei allem, was sie taten, und auf jedes noch so kleine Detail fokussiert. Mich hat das total fasziniert, zumal es eine gute Ausbildung darstellte.
Und wie läuft die Zusammenarbeit in menschlicher Hinsicht?
Ebenfalls sehr angenehm, insbesondere mit der aktuellen Besetzung. Das gegenwärtige Line-up ist seit sieben Jahren quasi unverändert, wir verstehen uns glänzend, es herrschen gegenseitiger Respekt und Freundschaft. Das wirkt sich natürlich sehr positiv auf unsere Musik aus.