Gleich drei ältere Schwestern hatte Dave Mustaine, als er 1961 geboren wurde. Michelle, Suzanne und Debbie waren 18, 15 und drei Jahre alt, als er auf die Welt kam. Aufgrund des Altersunterschieds betrachtete er sie als Kind oft als eine Art Tanten – und nicht als Schwestern. Er beschrieb das Familienleben während seiner Kindheit als turbulent und beklagte Jahre später, dass sein Leben in vielerlei Hinsicht schon früh aus den Fugen geriet. Seinen Vater John charakterisierte er als „einen sehr klugen und erfolgreichen Mann, der gut mit seinen Händen und seinem Kopf umgehen konnte“. Er war Filialleiter bei der Bank of America war, bevor er zum Data-Konzern NCR wechselte. Dort wurde die Umstellung des Unternehmens von mechanischer auf elektronische Technologie in den frühen 1960er-Jahren vorangetrieben. Daves Vater verliert seinen Job, fühlt sich nutzlos und wird zum Alkoholiker. Seine Mutter Emily lässt sich 1965 von ihm scheiden, da ist Dave vier Jahre alt. Emily wurde 1922 in Essen in eine jüdischen Familie geboren – die Familie flieht vor den Nazis nach Amerika und versuch einen Neustart in Kalifornien. Als sie sich später allein mit vier Kindern wiederfindet und hin und wieder als Haushälterin jobbt , versucht sie, ihre Co-Abhängigkeit hinter sich zu lassen, indem sie Halt bei den Zeugen Jehovas sucht. „Für mich war das in Summe alles sehr schrecklich“, erklärt Mustaine einmal. Die Familie ist auf Essensmarken vom Roten Kreuz angewiesen und der kleine Dave erhält seine Kleidung aus der Kleiderkammer.
„Es gibt für ein Kind nichts Schlimmeres, als mit schlecht sitzenden Hochwasserhosen in die Schule gehen zu müssen – dann wirst du ständig von deinen Mitschülern gehänselt, einfach nur, weil du von deinem Status her einen verarmten Background hast. Das hat mir als Heranwachsender echt zugesetzt“, erzählt er. Alkoholismus und religiöser Wahn, wie er sie in seinem Elternhaus erlebte, entwickelten sich zu seinem Lebensthema. Eine seiner Schwestern versuchte, Klavier zu spielen, war aber nicht sonderlich geschickt. Dave ging damals mit zur Klavierlehrerin – und nach wenigen Stunden stellte sich heraus, dass er viel talentierter war als seine Schwester. „Nur konnte ich nun mal kein Klavier mit an den Strand nehmen, um am Lagerfeuer damit zu spielen“, scherzt er später. Er hatte zum Glück einen großzügigen Schwager, der dem kleinen Dave seine Gitarre lieh. Von da an gab es kein Zurück mehr. Er hatte das gefunden, was ihn faszinierte – und übte Tag und Nacht. Mit 16 verlässt er sein Elternhaus.
„Ich hatte ständig Grabenkämpfe mit meiner Mutter – wir hatten kein Geld und ihre Sinnsuche, die sie zu den Zeugen Jehovas führte, hatte auch zur Folge, dass wir nicht mehr Weihnachten oder unsere Geburtstage feierten. Es war in Summe alles sehr trostlos – es fühlte sich an wie eine viel zu große Bestrafung“, sagt Mustaine. Als er schließlich auf eigenen Füßen steht, fängt er an, mit Drogen zu dealen, um an Geld zu kommen. Einer seiner „Kunden“ kann seine Schulden beim späteren Megadeth-Boss nicht bezahlen – und drückt ihm dafür einen Stapel Heavy-Metal-Platten in die Hand, darunter so illustre Namen wie Iron Maiden, Saxon, Diamond Head, Motörhead und Blitzkrieg. Diese Alben verzaubern ihn. Dave lebt Anfang der 1980er-Jahre in Los Angeles und gründet eine Band, die genau den Sound der New Wave of British Heavy Metal draufhat, der ihn selbst so anzieht. Mit Dave Harmon am Schlagzeug, Tom Quecke an der Gitarre, Bob Evans am Bass und Pat Voelkes als Sänger startet Mustaine die Band Panic. Doch wie von Teufelshand gesteuert, ändern sich die Verhältnisse schnell. Gleich drei Freunde aus dem Panic-Umfeld (Aushilfsdrummer Mike Leftwych, Gitarrist Tom Quecke und ihr Soundmischer) sterben bei zwei Autounfällen. Der erste Song, den Dave für Panic schreibt, ist ›Jump Into The Fire‹. Er wird ihn groß rausbringen: 1981 bewirbt er sich als Gitarrist bei einer Gruppe namens Metallica.